VwGH 94/14/0032

VwGH94/14/00325.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des G in L, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 31. Dezember 1993, Zl 6/1/3-BK/Mi-1993, betreffend Gewerbesteuer 1985 - 1990, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §209 Abs1;
BAO §259;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
EStG 1972 §23 Abs1 Z1;
EStG 1972 §23 Z1;
EStG §22 Abs1 Z1 lita;
EStG §23 Abs1 Z1;
EStG §23 Z1;
BAO §209 Abs1;
BAO §259;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
EStG 1972 §23 Abs1 Z1;
EStG 1972 §23 Z1;
EStG §22 Abs1 Z1 lita;
EStG §23 Abs1 Z1;
EStG §23 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Gewerbesteuer 1985 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erklärte in den für die Jahre 1985 - 1990 abgegebenen Einkommensteuererklärungen unter Hinweis auf seine Tätigkeit als bildender Künstler Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Im Zuge einer im Jahr 1991 über die genannten Jahre durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, daß die erklärten Einkünfte Honorare für das Entwerfen von Brillenfassungen sowie Tantiemen aus Brillenverkäufen (S 0,50 pro verkaufter Brille) einer Brillenherstellerin enthielten. Unter Bezugnahme auf das hg Erkenntnis vom 2. Dezember 1966, 1516/1965, vertrat der Prüfer die Ansicht, daß die diesbezügliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als kunstgewerbliche einzustufen, den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen und dementsprechend auch Gewerbesteuer vorzuschreiben sei. Die übrigen Einkünfte des Beschwerdeführers wurden als solche aus künstlerischer Tätigkeit anerkannt.

Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers, qualifizierte die Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner Tätigkeit als Brillendesigner als solche aus Gewerbebetrieb und erließ für die Jahre 1985 - 1990 ua entsprechende Gewerbesteuerbescheide.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er sei ein seit vielen Jahren anerkannter Künstler und habe an zahlreichen in- und ausländischen Kunstausstellungen teilgenommen. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften wurde ausgeführt, die Behörde müsse zur Beurteilung, ob Arbeiten eines Abgabepflichtigen eine eigenschöpferische Note besitzen oder ob die handwerkliche Komponente überwiege, auf ein von Amts wegen einzuholendes Sachverständigengutachten zurückgreifen. Die Behörde habe sich mit den in Frage stehenden Kunstwerken und mit der künstlerischen Tätigkeit des Abgabepflichtigen nicht auseinandergesetzt. Die Abgabenbehörde habe somit den Sachverhalt nur unzulänglich ermittelt, sodaß die daraufhin ergangenen Bescheide rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften seien.

Die angefochtenen Bescheiden seien jedoch auch inhaltlich rechtswidrig. Eine nach künstlerischen Gestaltungsprinzipien ausgeübte Tätigkeit sei als die eines Künstlers anzusehen. Der Gebrauchswert eines Objektes beeinträchtige nicht seine Eigenschaft als Kunstwerk.

In einer gesonderten Berufung gegen den Gewerbesteuerbescheid 1985 wurde dessen Rechtswidrigkeit wegen Verjährung der betreffenden Abgabe gerügt.

In der Folge legte der Beschwerdeführer dem Finanzamt ein als Gutachten bezeichnetes Schreiben des Rektors einer Kunsthochschule, Professor G, an eine in das Berufungsverfahren nicht involvierte Person folgenden Inhaltes vor:

"Bezüglicher Ihrer Anfrage betreffend die künstlerische Tätigkeit von Herrn GB (Beschwerdeführer) darf ich folgendes feststellen: GB und seine Arbeit sind mir natürlich bekannt, da der Genannte ja schon geraume Zeit als Maler, Grafiker und Designer in L ... künstlerisch tätig ist.

Auf Ihre Frage, ob auch seine Tätigkeit als Brillendesigner nach Auffassung der Hochschule für industrielle Gestaltung eine künstlerische ist, gibt es meinerseits nur ein eindeutiges Ja als Antwort. Ist doch auch das Entwerfen von Brillenmodellen eine eigenschöpferische, zeichnerische Tätigkeit, die mit einem Blatt Papier und ein paar Bleistiften ihren Anfang nimmt. Auch ist heute nach internationaler Auffassung beim besten Willen kein Widerspruch darin zu sehen, mit künstlerischem Gespür und individuellem Gestaltungswillen etwas zu schaffen, was auch kommerziell verwertbar ist.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß die Entwurfzeichnungen GB's, ob sie nun mit Bleistift, Farbe oder Feder ausgeführt sind, Zeichnungen im künstlerischen Sinne darstellen, ob sie gerahmt sind oder nicht.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Stellungnahme geholfen zu haben und verbleibe ..."

In einer Äußerung zu einer Stellungnahme des Prüfers, stellte der Beschwerdeführer fest, daß eine versuchte Trennung der Tätigkeit des Beschwerdeführers in einerseits die Entwurfstätigkeit für Brillenfassungen selbst und andererseits die Verwertung dieser Entwürfe unzutreffend sei: Inhalt des Werkvertrages zwischen dem Beschwerdeführer und der Brillenherstellerin sei lediglich die Erstellung von Entwürfen von Brillenfassungen. Dafür sei ursprünglich ein Honorar von S 30.000,-- inklusive Mehrwertsteuer pro Monat und erst in einer Zusatzvereinbarung vom gleichen Tag neben diesem Fixhonorar zusätzlich ein Stückpreis pro Brille von S 0,50 vereinbart worden. Dabei handle es sich jedoch nur um die Aufspaltung des Entwurfshonorares in einen fixen Teil und in einen variablen Teil. Der Beschwerdeführer sei nie mit der Verwertung dieser Entwürfe beauftragt oder beschäftigt gewesen.

Die belangte Behörde legte Arbeitsmuster des Beschwerdeführers der beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst eingesetzten Sachverständigenkommission zur Beurteilung der künstlerischen Tätigkeit von Gebrauchsgrafikern vor. Hiezu teilte die Kommission mit, daß sie bei Beurteilung einer künstlerischen Tätigkeit des Beschwerdeführers nur feststellen könne, daß die vorgelegten Arbeitsproben sich ausschließlich mit dem Produkt "Brille" auseinandersetzten und daher dem Bereich Produktdesign zuzuordnen seien, nicht aber dem Bereich Grafikdesign. Inwieweit die künstlerische Tätigkeit eines Grafikers vorliege, könne die Kommission in diesem Fall nicht exakt beurteilen. Für eine genaue Beurteilung einer Tätigkeit als Grafikdesigner wäre mehr Arbeitsmaterial vorzulegen. Hiezu nahm der Beschwerdeführer dahingehend Stellung, die Kommission stelle fest, daß die Arbeitsproben den Bereich Produktdesign und nicht den Bereich Grafikdesign betreffen, für den die Kommission zuständig sei. Der Beschwerdeführer beantrage daher unter Berufung auf das Gutachten des Professor G, seine Entwürfe als künstlerisch einzustufen. Für den Fall, daß diesem Begehren nicht stattgegeben werde, wurde die Aufnahme weiterer gutachtlicher Beweise durch zwei zusätzliche Gutachten beantragt. Diese Gutachten würden vom Beschwerdeführer in Auftrag gegeben und bezahlt. In der Folge legte der Beschwerdeführer drei als Gutachten bezeichnete Schreiben, und zwar eine Bestätigung des Bundesinnungsmeisters des Fachverbandes der Augenoptiker, eine Bestätigung des Präsidenten einer Berufsvereinigung der bildenden Künstler sowie einen Brief der involvierten Brillenherstellerin vor. In der erstgenannten Bestätigung wurde festgestellt, daß dem Verfasser der Bestätigung die Brillenmodelle des Beschwerdeführers seit Jahrzehnten bekannt seien. Es stehe für ihn außer Zweifel, daß diese Entwürfe für Brillenmodelle als eigenschöpferische Zeichnungen einen maßgeblichen künstlerischen Wert darstellten. Der Unterzeichner der zweitgenannten Bestätigung hielt fest, daß er seit 1974 Gelegenheit gehabt habe, die Werke des Beschwerdeführers in Ausstellungen genau kennenzulernen. Es werde hiemit bestätigt, daß sein malerisches und zeichnerisches Oeuvre künstlerischen Ansprüchen vollauf genüge und eingenschöpferisch zu beurteilen sei. Die Brillenherstellerin bestätigte, daß der Beschwerdeführer seit nunmehr 13 Jahren für ihr Haus Brillenmodelle entwerfe, und daß es in einem immer stärker umkämpften Markt unerläßlich sei, gute neue Ideen eigenschöpferisch zu Papier zu bringen und auch das ganze Umfeld - Form und Farbe - zu gestalten. Es stehe außer jeder Diskussion, ob der Beschwerdeführer künstlerisch tätig sei oder nicht. Wäre er nicht künstlerisch und eigenschöpferisch tätig - und das auch noch erfolgreich -, wäre der Beschwerdeführer für den Betrieb uninteressant.

In der Folge legte der Beschwerdeführer weitere Arbeitsmuster, darunter neben verschiedenen Entwurfszeichnungen für Brillen auch Kalender mit Karikaturen, verschiedene Zeitungsausschnitte über Ausstellungen des Beschwerdeführers sowie verschiedene Magazine mit Berichten vor.

Im Rahmen eines Auskunftsersuchens wurde Professor G zur Erläuterung seiner Ansicht hinsichtlich des Beschwerdeführers im bereits erwähnten Schreiben ersucht. Professor G präzisierte seine Angaben dahingehend, daß der Beschwerdeführer bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Brillendesigner an keine inhaltlichen Vorgaben des Auftraggebers gebunden sei, ihm sei für seine Brillendesigntätigkeit jeder künstlerische Freiraum zur Verfügung gestanden. Was die konkrete Entwurfstätigkeit an den Modellen betreffe, so spiegle sich darin individuelle Ausdrucks- und Gestaltungskraft wieder, es handle sich bei seinen Entwürfen nicht um Formgebungen, an die sich kurzfristige, modische Trends ausrichteten, sondern um individuelle und eigenständige Entwürfe, die weit über den allgemein bekannten Entwurfsfundus hinausgingen. In diesem Zusammenhang wurde erwähnt, daß auch das Kulturamt des Landes Oberösterreich seit nunmehr zwei Jahren Preise für Design vergebe, die der Sparte bildende Künste zugerechnet würden. Ein Designer, der neuartige, tragbare Fassungen (Modellbrillen) entwerfe, sei in gleicher Situation wie ein Architekt oder Designer für beliebige Gegenstände, der eine Verpackung, ein Bügeleisen oder ein Fahrrad entwerfen solle. Er stehe oder sitze vor der Aufgabe, etwas Neues erst einmal zu denken und dann mit Pinsel, Bleistift oder was immer, aufs Papier zu bringen, falls er eine Idee habe. Durch die Leistung des Designers könne eine Produkt eine ganz reale und überprüfbare Qualität bekommen. Das Zitat von Raymond Loewy "von zwei gleich praktischen und gleich teuren Gegenständen wird der schönere die besseren Chancen haben", gelte auch uneingeschränkt für Brillenfassungen.

Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer das Antwortschreiben des Professor G; der Beschwerdeführer nahm dieses zur Kenntnis und ersuchte um eine Entscheidung gemäß diesem "Gutachten".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Vorweg wurde festgehalten, daß die grundsätzliche künstlerische Befähigung und künstlerische Begabung des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen werde. Über die Zuordnung von Einkünften einzelner Tätigkeitsbereiche zu § 22 EStG entscheide jedoch nicht schon die Künstlereigenschaft des Steuerpflichtigen an sich, sondern vielmehr, ob seine Arbeiten als Betätigung in einem umfassenden Kunstfach anzusehen seien bzw das geschaffene Werk ein Kunstwerk sei. Übe ein Steuerpflichtiger voneinander abgrenzbare berufliche Tätigkeiten aus, so sei hiefür jede Tätigkeit gesondert zu prüfen, ob sie künstlerisch oder kunstgewerblich sei, sofern die Tätigkeiten nicht wirtschaftlich als Einheit aufzufassen seien, weil ein bestimmter Grad eines inneren Zusammenhanges zur Annahme einer einheitlichen Betätigung zwinge. Im vorliegenden Fall handle es sich bei der Brillendesignertätigkeit um eine eindeutig von der anerkannten künstlerischen Tätigkeit abgrenzbare Tätigkeit. Bei dieser handle es sich jedoch nicht um eine künstlerische, sondern um eine kunsthandwerkliche bzw gewerbliche Tätigkeit. Es werde nicht in Abrede gestellt, daß der Beschwerdeführer im Bereich des Brillendesigns neue Wege gefunden habe und außergewöhnliche und extravagante Entwürfe verfertigt habe, doch erreichten diese nicht künstlerische Höhe und Gestaltungskraft, sondern seien in das große Gebiet des Kunstgewerbes einzureihen. Die Entwürfe würden zwecks gewerblicher bzw industrieller Verwertbarkeit hergestellt, wobei allerdings die Originalität und auch die Extravaganz des Entwurfes den Erfolg der Verwertung erheblich zu beeinflussen vermöge. Der Beschwerdeführer sei jedoch bei der Ausübung seiner Tätigkeit des Brillendesigns nicht vollkommen frei eigenschöpferisch tätig. Erste Richtschnur seiner Tätigkeit müsse die Benützbarkeit des Produktes sein. Dadurch und auch durch den Aspekt der technischen Umsetzung seines Entwurfes sei der Brillendesigner bei seiner Arbeit eingeengt. Das Produkt "Designbrille" dürfe den Gebrauchsnutzen nicht verhindern. Darüber hinaus werde die Tätigkeit wesentlich davon beeinflußt, daß das Design einer der wesentlichen Aspekte der Verkaufsförderung darstelle und daher der Berufungswerber nicht zuletzt im eigenen Interesse (weil die Höhe des Entgeltes von der Anzahl der verkauften Brillen abhänge) auf Modeströmungen und auf geschmackvolle Gestaltung (aber nicht zu extravagante Gestaltung, die eventuell verkaufshemmend wirken würde) zu achten habe. Diese grundsätzlichen Einschränkungen, die in der Natur der Tätigkeit des Produktdesigners lägen, hindern nach Ansicht der belangten Behörde die Qualifizierung der Tätigkeit als künstlerische. Insbesondere der Augenschein der vorgelegten Entwurfszeichnungen beweise, daß die Entwürfe mit Fingerspitzengefühl geschmackvoll entworfen seien, jedoch als für alle Gelegenheiten "tragbar" erschienen, geschmacklich und modisch "designed" seien, jedoch der eigenschöpferische Anteil nicht jene künstlerische Schaffungskraft und Höhe erreiche, die notwendig sei, um eine kunstgewerbliche Tätigkeit "in die lichten Höhen der Kunst" zu heben. Die Meinung des Berufungssenates werde auch durch das Gutachten der Sachverständigenkommission beim Bundesministerium für Unterricht zur Beurteilung der künstlerischen Tätigkeit von Gebrauchsgrafikern unterstützt, die feststelle, daß die vorgelegten Arbeitsproben sich ausschließlich mit dem Produkt Brille auseinandersetzten und daher dem Bereich Produkdesign zuzuordnen seien. Dies beweise, daß die vom Beschwerdeführer behauptete eigenschöpferische künstlerische Tätigkeit aus den Werken selbst durch künstlerische Sachverständige nicht herauslesbar sei.

In weiterer Folge setzte sich die belangte Behörde mit der Ansicht des Professor G auseinander. Sie teilte dessen Meinung, daß mit künstlerischem Gespür und individuellem Gestaltungswillen etwas geschaffen werden könne, was auch kommerziell verwertbar sei. Im konkreten Fall sei der Senat durch Einsichtnahme in die Werkproben jedoch zu der Ansicht gekommen, daß es sich um geschickte und geschmackvolle Formgebung von Produkten zwecks Erreichung der gewünschten Marktgängigkeit handle. Auch von Professor G werde nicht dargetan, nach welchen künstlerischen Gestaltungsprinzipien die Formgebung ausgeübt worden sei. Die Ansicht, daß es sich bei den Entwürfen nicht um Formgebungen, die sich an kurzfristigen modischen Trends ausrichteten, sondern um individuelle und eigenständige Entwürfe, die weit über den allgemein bekannten Entwurfsfundus hinausgingen, teilte die belangte Behörde nicht. Der Beschwerdeführer hätte im gesamten Verfahren nicht darlegen können, welche künstlerischen Techniken und Gestaltungsprinzipien er bei der Formgebung der Brillen anwende.

Zur Frage der Verjährung der Gewerbesteuer für das Jahr 1985 vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß durch die Bestimmung des § 295 BAO iVm § 6 GewStG ein besonderes Verhältnis zwischen dem Gewerbesteuerbescheid und dem Einkommensteuerbescheid angeordnet werde. Es handle sich beim Einkommensteuerbescheid nicht um einen förmlichen Grundlagenbescheid, von dem der Gewerbesteuerbescheid abgeleitet werde, sondern um einen Bescheid, der einem Grundlagenbescheid ähnlich sei und in seinen Wirkungen materiell andere Bescheide beeinflusse. Aus dieser besonderen Beziehung des Einkommensteuerbescheides zum Gewerbesteuerbescheid ergebe sich, daß Unterbrechungshandlungen im Hinblick auf den Einkommensteuerbescheid in weiterer Folge unmittelbar auch als Unterbrechungshandlungen im Hinblick auf den Gewerbesteuerbescheid wirkten. Die Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1985 wäre daher nicht nur eine Unterbrechungshandlung hinsichtlich der Einkommensteuer 1985, sondern, da die "in Rede stehenden Einkünfte" Auswirkungen auf die Erlassung eines Gewerbesteuerbescheides gehabt hätten, auch als Unterbrechungshandlung hinsichtlich der Gewerbesteuer 1985 zu werten.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid einerseits in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Qualifikation seiner Einkünfte aus dem Entwerfen von Brillenfassungen in den Jahren 1985 - 1990 als solche aus einer künstlerischen Tätigkeit und damit in seinem Recht auf Nichtvorschreibung einer Gewerbesteuer und andererseits hinsichtlich der Gewerbesteuer 1985 überdies in seinem Recht auf Nichtvorschreibung einer verjährten Abgabe verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens einschließlich zahlreicher Arbeitsproben des Beschwerdeführers vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß die belangte Behörde davon ausgegangen ist, die Brillendesignertätigkeit könne von der anerkannten künstlerischen Tätigkeit des Beschwerdeführers eindeutig abgegrenzt werden.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. September 1993, 91/13/0237, das Fehlen einer Begründung dafür, weshalb den damals vom Streit betroffenen Einkünften eine zwingend als einheitlich zu beurteilende Betätigung mit der Konsequenz eines einheitlichen Betriebes zugrunde gelegt wurde, bemängelt hat. Was den vorliegenden Fall anlangt, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, daß die belangte Behörde zu Unrecht eine Trennung vorgenommen hätte. Der Beschwerdeführer behauptete im Berufungsverfahren nicht, daß seiner Ansicht nach Gründe vorlägen, die zur Annahme einer einheitlichen Betätigung zwängen, obwohl schon im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung von trennbaren Betätigungen ausgegangen worden war. Die belangte Behörde durfte daher von einer abgrenzbaren Tätigkeit ausgehen, ohne den angefochtenen Bescheid mit einem Begründungsmangel zu belasten.

Zur strittigen Tätigkeit des Beschwerdeführers als Brillendesigner ist folgendes zu sagen: Nach der vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Rechtsprechung ist für die Beurteilung, ob die in der Herstellung eines Gegenstandes bestehende Tätigkeit eine künstlerische ist, ausschließlich die Art und Weise der Gestaltung des Gegenstandes maßgebend. Erfolgt diese nach Gestaltungsprinzipien, die für ein umfassendes Kunstfach wie beispielsweise Malerei, Bildhauerei oder Architektur charakteristisch sind, dann ist eine derartige Tätigkeit als die eines Künstlers anzusehen. Gleiches gilt für eine Tätigkeit, die in der Gestaltung des hergestellten Gegenstandes den Gestaltungsprinzipien im umfassenden Kunstfach deswegen gleichzustellen ist, weil sie eine vergleichbar weitreichende künstlerische Ausbildung und Begabung erfordert. Das Vorliegen dieser Sachverhaltselemente hat die Behörde in einem Akt der Beweiswürdigung zu beurteilen. Diese Beweiswürdigung hat in der Beurteilung der Werkgestaltung einen repräsentativen Querschnitt der Arbeiten zu betrachten, welche die steuerlich relevante Tätigkeit bildeten; in Grenzfällen bedarf es zur Beurteilung der Werkgestaltung der Einholung sachverständiger Äußerungen (vgl das hg Erkenntnis vom 15. September 1993, 91/13/0112, und die darin zitierte Vorjudikatur).

Der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt die Beweiswürdigung der belangten Behörde nur dahin, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde, und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 15. September 1993, 91/13/0237).

Nach Ansicht des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde auch im Fall einer gesonderten Beurteilung seiner Brillendesignertätigkeit von einer künstlerischen Tätigkeit ausgehen müssen, weil seine von der belangten Behörde als künstlerisch anerkannte Tätigkeit den Bereich der Mal- und Zeichenkunst zuzuordnen sei. Da der Beschwerdeführer als Brillendesigner auch die Brillenmodelle durch eine zeichnerische Tätigkeit entwerfe, wende der Beschwerdeführer somit Techniken an, die er auch innerhalb seiner übrigen als Kunst anerkannten Tätigkeit verwende. Nun übersieht der Beschwerdeführer aber, daß nicht jede zeichnerische Tätigkeit notwendigerweise auch eine künstlerische darstellt. Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer grundsätzlich die Techniken und Gestaltungsprinzipien im Bereich der Zeichenkunst beherrscht, bedeutet noch nicht, daß er diese im strittigen Bereich des Entwerfens von Brillenfassungen auch angewandt hat. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde nachvollziehbar dargetan, aus welchen Gründen sie zur Ansicht gelangt ist, daß die im Beschwerdefall strittige Tätigkeit keine künstlerische ist. Wiewohl einzuräumen ist, daß eine künstlerische Schöpfung ihren Charakter als Kunstwerk nicht deswegen verliert, weil sie auch wirtschaftlichen Gebrauchszwecken dienen soll (vgl etwa das oben zitierte Erkenntnis vom 15. September 1993), ist der belangten Behörde zuzustimmen, wenn sie die Ansicht vertreten hat, daß der Beschwerdeführer nach den von ihm vorgelegten und auch dem Gerichtshof im Rahmen der Verwaltungsakten zur Verfügung gestellten Entwürfen geschmackvolle und modische Brillenfassungen entworfen hat, die aber künstlerische Höhe und Gestaltungskraft nicht erreichen. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß das Entwerfen von Brillenfassungen - insbesondere solche für eine Brillenherstellerin - sehr bald an Grenzen stößt, die eine Beurteilung der Tätigkeit als künstlerische nahezu ausschließt. Darf doch nicht übersehen werden, daß gerade eine Brille - soll sie auch als solche verwendbar sein, wovon bei von einer Brillenerherstellerin verwendeten Entwürfen auszugehen ist - notwendigerweise an eine bestimmte, vorgegebene Form gebunden ist, für deren Erzielung letztlich verschiedene Kombinationen von geschwungenen oder geraden Linien ausreichen. Den Arbeitsproben ist nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer bei seinen Entwürfen von der vorgegebenen Form abgewichen ist. Daß eine der Brillenfassungen, wie sie der Beschwerdeführer für das im Rahmen seiner Arbeitsproben vorgelegte Blatt "SPECTOCULAR FRAMES IN ART HISTORY" entworfen hat, Gegenstand der strittigen Tätigkeit für die Brillenherstellerin gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht.

Es war somit nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde die über Ergänzungsersuchen der belangten Behörde erstattete Aussage des Professor G, es handle sich bei den Entwürfen nicht um Formgebungen, die sich an kurzfristigen modischen Trends ausrichten, sondern um individuelle und eigenständige Entwürfe, die "weit über den allgemein bekannten Entwurfsfundus hinausgehen", nicht geteilt hat. Einer Ergänzung der Stellungnahme bedurfte es aus den oben angeführten Erwägungen nicht.

Die Beschwerdeausführungen zur Bestätigung des Präsidenten der Berufsvereinigung der bildenden Künstler sind deswegen nicht zielführend, weil sich diese in keiner Weise erkennbar mit der strittigen Tätigkeit des Beschwerdeführers auseinandersetzt.

Zum Beschwerdevorbringen hinsichtlich des "Gutachtens" der Sachverständigenkommission zur Beurteilung der künstlerischen Tätigkeit von Gebrauchsgrafikern ist zu sagen, daß dem Beschwerdeführer deren Resümee vorgehalten wurde, er hiezu aber selbst die Ansicht vertrat, daß diese Kommission für seine Werke nicht zuständig sei, und er in der Folge nicht beantragt hat, dieser Kommission weitere von ihm zur Verfügung gestelle Arbeitsproben zu übermitteln.

Der unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes angeführten Beschwerderüge, die belangte Behörde hätte die Ansicht vertreten, eine eigenschöpferische Tätigkeit sei bei Produktdesign auszuschließen, ist zu erwidern, daß die belangte Behörde derartiges nicht ausgesprochen hat. Zu allenfalls künstlerischer Tätigkeit eines Produkt- bzw Industriedesigners hat die belangte Behörde vielmehr im Einklang mit der hg Rechtsprechung die Ansicht vertreten, daß maßgebend für jegliche Betätigung in welcher Gattung immer die Art der Gestaltung des Gegenstandes und der Umstand seien, daß diese Gestaltung nach den für ein umfassendes Kunstfach charakteristischen oder solchen gleichzustellenden Gestaltungsprinzipien erfolge.

Auch mit den an sich berechtigten Einwänden des Beschwerdeführers, daß die Leistungshonorierung keinen begründeten Schluß auf die künstlerische Tätigkeit zulasse, und der Gebrauchswert einem Objekt die Eigenschaft eines Kunstwerkes nicht zu nehmen vermöge, zeigt der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Die belangte Behörde hat nämlich weder einen direkten Zusammenhang zwischen Leistungshonorierung und der Qualifikation als nicht künstlerische Tätigkeit hergestellt, noch hat sie der zu den Entwürfen führenden Tätigkeit als solche künstlerischer Art deswegen abgesprochen, weil die Entwürfe bzw. die in der Folge danach produzierten Brillen einen Gebrauchswert haben. Daß der Beschwerdeführer an gewisse Vorgaben bei den zu entwerfenden Brillen zumindest insoweit gebunden war, daß verkaufbare bzw marktgängige Brillen in der prinzipiell vorgegeben Form entstehen, bestreitet der Beschwerdeführer substantiiert nicht. Daß für eine Brillenherstellerin bzw für den teilweise an deren Brillenumsatz in bestimmter Weise beteiligten Beschwerdeführer selbst eine Benützbarkeit der nach seinen Entwürfen hergestellten Brillenfassungen eine gewisse Bedeutung nicht abzusprechen ist, woraus sich zwangsläufig eine beträchtliche Einengung des Gestaltungsspielraumes ergibt, ist nicht unschlüssig.

Zur Frage der Verjährung der Gewerbesteuer 1985 kann aber der Ansicht der belangten Behörde, daß eine Unterbrechung der Bemessungsverjährung hinsichtlich der Einkommensteuer für 1985 auch eine Unterbrechung der Bemessungsverjährung für die Gewerbesteuer 1985 nach sich zieht, nicht gefolgt werden. Gemäß § 209 Abs. 1 BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Die Erlassung eines Einkommensteuerbescheides, in welchem überdies ausschließlich Einkünfte aus selbständiger Arbeit erfaßt werden, stellt aber zweifellos nur eine Geltendmachung des Abgabenanspruches hinsichtlich der Einkommensteuer, nicht aber hinsichtlich der Gewerbesteuer dar. Daran vermag der Umstand, daß der Einkommensteuerbescheid im Hinblick auf § 295 BAO eine einem Grundlagenbescheid ähnliche Wirkung für die Gewerbesteuer hat, nichts zu ändern.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Gewerbesteuer 1985 gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im übrigen war die Beschwerde aber gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

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