VwGH 94/14/0024

VwGH94/14/002410.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des A in M, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 7. Dezember 1993, Zl. 1/64/3-BK/F-1993, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1983 bis 1985, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs3;
BAO §115 Abs1;
BAO §115;
BAO §147 Abs1;
BAO §20;
BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §23 Abs1;
BAO §25;
BAO §303 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
EStG 1972 §4 Abs1;
VwRallg;
AVG §69 Abs3;
BAO §115 Abs1;
BAO §115;
BAO §147 Abs1;
BAO §20;
BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §23 Abs1;
BAO §25;
BAO §303 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
EStG 1972 §4 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt nahm das Verfahren von Amts wegen auf Grund von Feststellungen im abgabenbehördlichen Prüfungsbericht wieder auf. Danach sei die 1983 vereinbarte stille Beteiligung einer GmbH, an der wieder der Beschwerdeführer, seine Ehegattin und deren beiden Söhne zu je einem Viertel beteiligt waren, am Einzelunternehmen des Beschwerdeführers steuerlich einerseits wegen der ungewöhnlich hohen Gewinnbeteiligung nicht anzuerkennen (Fremdvergleich), andererseits deshalb, weil dem wesentlichen Merkmal einer stillen Gesellschaft, nämlich dem Zufluß von Kapital nicht Rechnung getragen worden sei, da die Einbringung der Kapitaleinlage ausschließlich durch Stehenlassen von Gewinnanteilen erfolgt sei und nicht wie im Gesellschaftsvertrag vereinbart, durch Aufrechnung von Forderungen der stillen Gesellschafterin, obwohl solche in ausreichender Höhe bestanden hätten. Für 1985 wurde die Wiederaufnahme auf die Erhöhung des Gewinns durch Umschichtung des Umsatzsteuersatzes für Gebrauchtfahrzeuge auf den Normalsteuersatz gegründet. Zur Ermessensübung wurde ausgeführt, daß das Interesse an der Rechtsrichtigkeit über jenes an der Rechtsbeständigkeit zu stellen sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er geltend machte, der Vertrag über die stille Gesellschaft sei vom Steuerberater mit dem damaligen Vorstand des Finanzamtes, der mittlerweile verstorben sei, hinsichtlich der abgabenrechtlichen Anerkennung erörtert worden. Der Vertragsentwurf sei dem Finanzamt zur Einsichtnahme vorgelegt und ohne Vorbehalt von dort wieder retourniert worden. Inwieweit diesbezüglich nun tatsächlich neue Tatsachen aufgetaucht seien, sei nicht ersichtlich. Der Steuerberater habe hierauf die GmbH verständigt, daß er den Vertragsentwurf zurückerhalten habe, ohne daß das Finanzamt Einwände erhoben hätte. In der Berufungsverhandlung trug der Beschwerdeführer vor, die mit ihm als Kfz-Händler zusammenarbeitende GmbH (Kfz-Werkstätte) habe das fremdfinanzierte Werkstättengebäude über Verlangen des Generalimporteurs errichten müssen, weil sonst eine zeitgemäße Wartung und Überprüfung der Fahrzeuge nicht möglich gewesen wäre. Die finanzierende Bank hätte verlangt, daß die Erträge des Einzelunternehmens des Beschwerdeführers zur Kapitaltilgung herangezogen werden können. Deshalb sei die Vertragskonstruktion gewählt worden. Die Urkunde über den hierauf abgeschlossenen Vertrag über die stille Gesellschaft wurde dem Finanzamt erst 1986 vorgelegt.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Für 1985 ergäbe sich die Berechtigung zur amtswegigen Wiederaufnahme schon aus der Gewinnänderung infolge Änderung der Erlösaufteilung nach Steuersätzen. Daß ein Vertrag über eine stille Gesellschaft abgeschlossen worden sei und welchen Inhaltes, sei dem Finanzamt erst 1986 durch Übersendung der Vertragsurkunde bekannt geworden. Da erst die Kenntnis des Vertrages und nicht bloß des Vertragsentwurfes zur Wiederaufnahme geführt habe, seien auch insofern neue Tatsachen für das Finanzamt hervorgekommen. Die Art der tatsächlichen, dem Vertrag widersprechenden Erbringung der Einlage "ausschließlich durch stehengelassene Gewinnanteile" sei ein weiterer Hinweis dafür, daß in wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine stille Gesellschaft nie bestanden habe und die ganze Vertragskonstruktion lediglich der Kreditsicherung bei der GmbH gedient habe. Der Beschwerdeführer hätte auch seine erklärten Gewinne zur Kapitalstärkung der GmbH verwenden können.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Unterbleiben der Wiederaufnahme verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß jene Tatsachen für das Finanzamt neu hervorgekommen sind, die für 1985 zu einer Gewinnerhöhung von S 30.365,23 infolge Änderung der Erlösaufteilung führten. Er meint jedoch, die Ermessensübung hätte gegen die Wiederaufnahme ausfallen müssen, weil sich aus dem gleichen Grund ein Umsatzsteuerguthaben von etwas über S 48.000,-- ergeben habe. Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden. Bei der Beurteilung, ob ein in der Ermessensentscheidung gemäß § 303 Abs. 4 BAO zu berücksichtigendes Mißverhältnis zwischen Bedeutung des Wiederaufnahmegrundes und den zu erwartenden tatsächlichen Bescheidänderungen vorliegt, hat schon aus finanzausgleichsrechtlichen Gründen (unterschiedliche Ertragsanteile der Gebietskörperschaften) keine Saldierung von Einkommen- und Umsatzsteuer zu erfolgen. Die bereits erwähnte Gewinnerhöhung hat aber ein Ausmaß, das die belangte Behörde hinsichtlich Einkommensteuer bei Ausübung des Ermessens nicht zu einer Unterlassung der Wiederaufnahme führen mußte. Nur im Falle der Geringfügigkeit neu hervorgekommener Tatsachen hat die Behörde Verhältnismäßigkeitsüberlegungen in ihre Ermessensentscheidung einzubeziehen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1986, 86/13/0091, ÖStZB 1987, 259, vom 21. Dezember 1989, 86/14/0180, ÖStZB 1990, 281, vom 25. März 1992, 90/13/0238, ÖStZB 1992, 786).

Was den Vertrag über die stille Gesellschaft anlangt, ist der belangten Behörde beizupflichten, daß die Kenntnis des ehemaligen Vorstandes des Finanzamtes vom Vertragsentwurf schon deshalb nicht entscheidend ist, weil es für die Beurteilung der Sache lediglich auf die Tatsache ankam, ob ein und welcher Vertrag schließlich abgeschlossen wurde. Daß dieser Vertrag dem Finanzamt vor 1986 und damit vor Erlassung der Veranlagungsbescheide für 1983 und 1984 bekannt war, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Die belangte Behörde durfte daher davon ausgehen, daß das Finanzamt vom Vertrag über die stille Gesellschaft erstmals 1986 erfahren hat. Damit hat die belangte Behörde aber zu Recht das Hervorkommen neuer Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO angenommen.

Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, daß schließlich nicht einmal im Sinne des Vertrages über die stille Gesellschaft vorgegangen wurde, weil die Gesellschaftereinlage ausschließlich durch Stehenlassen von Gewinnanteilen erfolgte und nicht - wie im Vertrag vereinbart - durch Aufrechnung von Forderungen des stillen Teilhabers gegen den Beschwerdeführer. Daß eine solche - vereinbarungswidrige - Vorgangsweise ebenfalls bereits seinerzeit dem Vorstand des Finanzamtes vom Steuerberater mitgeteilt worden sei, hat der Beschwerdeführer nie behauptet und läßt sich auch nicht dem erstmals mit der Beschwerde vorgelegten Aktenvermerk des Steuerberaters vom 23. September 1982 entnehmen, dem im übrigen auch jeder Hinweis darauf fehlt, daß bei der Information des seinerzeitigen Amtsvorstandes nicht nur über Mißbrauchsgesichtspunkte, sondern auch über die nahen Angehörigenverhältnisse des Beschwerdeführers und der Gesellschafter der GmbH sowie einen Fremdvergleich gesprochen worden sei. Beim Fremdvergleich wegen Angehörigeneigenschaft handelt es sich um eine von Tatsachen abhängige Prüfung und nicht allein um rechtliche Beurteilung.

Auf den Vertrauensschutz beruft sich der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde. Tatsachen, die eine Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch die belangte Behörde notwendig gemacht hätten, hat der Beschwerdeführer auch nach seiner Darstellung in der Beschwerde der belangten Behörde nicht vorgetragen. Das Vorbringen, die stille Gesellschaft sei "auf die Auskunft (des Finanzamtsvorstandes) unmittelbar vertrauend" errichtet worden, ist daher eine gemäß § 41 VwGG unzulässige und somit unbeachtliche Neuerung. Abgesehen davon läßt selbst das Vorbringen in der Beschwerde eine Erklärung dafür vermissen, welches andere, zu gleichen steuerlichen Vorteilen führende Verhalten der Beschwerdeführer zur Erzielung des als unausweichlich von ihm geschilderten wirtschaftlichen Vorganges (Errichtung des Werkstättengebäudes durch die GmbH mit Fremdgeld, Rückzahlung desselben aus Einkünften des Beschwerdeführers als Einzelunternehmer) gewählt hätte, hätte er nicht auf die angebliche Auskunft des Vorstandes des Finanzamtes vertraut. Der Grundsatz von Treu und Glauben erlaubt es daher nicht, dem Beschwerdeführer den unberechtigt erworbenen Steuervorteil zu erhalten, weshalb auch der Vertrauensschutz der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen kann.

Ihrer Pflicht zur Begründung der Ermessensübung ist die belangte Behörde schon durch die Bestätigung des Bescheides des Finanzamtes nachgekommen, das sich diesbezüglich auf die Begründung im Prüfungsbericht gestützt hat.

Da die Ermessensübung durch das Finanzamt vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nicht gerügt wurde und der Beschwerdeführer in diesem auch keine Tatsachen, die für die Ermessensübung Bedeutung haben könnten, vorgetragen hat, traf die belangte Behörde schon deshalb keine Pflicht, sich mit Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers nach dessen Pensionierung, die er erstmals in der Beschwerde vorträgt, auseinanderzusetzen. Ob diese Umstände dem abgabenbehördlichen Prüfer bekannt waren, ist deshalb bedeutungslos, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht das Verhalten des Prüfers, sondern den angefochtenen Bescheid zu kontrollieren hat. Das Wissen des Prüfers ist der belangten Behörde nicht zuzurechnen.

Somit wird der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten nicht verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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