VwGH 94/12/0197

VwGH94/12/019716.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Unterer, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 22. Juni 1994, Zl. 111839/III-32/94, betreffend Feststellung einer ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §56;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Oberoffizialin im Rechenzentrum der Post- und Telegraphenverwaltung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Bescheid vom 25. April 1994 sprach die belangte Behörde aus, daß die Bezüge der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 13. April 1994 bis einschließlich 20. April 1994 wegen ungerechtfertigten Verbleibens vom Dienst gemäß § 13 Abs. 3 Z. 2 GG 1956 iVm § 1 DVG 1984 entfielen.

In der Folge hielt die belangte Behörde in einem Aktenvermerk fest, daß die Beschwerdeführerin in der Zeit vom

15. bis einschließlich 16. Juni 1991 vom Dienst abwesend gewesen sei. Sie habe ursprünglich gegenüber dem Leiter der Dateneingabe erklärt, daß sie für den genannten Zeitraum einen Erholungsurlaub in Anspruch nehmen wolle, der ihr aus dienstlichen Gründen nicht genehmigt worden sei. Am 5. Juni 1994 sei nicht zum Dienst erschienen und habe sich krank gemeldet. In der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung der Hausärztin seien Kniegelenksbeschwerden als Diagnose angegeben. Die Beschwerdeführerin sei bereits mehrmals, zuletzt am 30. April 1994, von einem namentlich genannten Facharzt untersucht worden (es folgt ein Auszug aus dem Gutachten dieses Arztes - das in der Folge in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlicher wiedergegeben wird). Da für den Krankenstand vom 15. bis 16. Juni 1994 kein ausreichender Entschuldigungsgrund vorliege, sei dieser Zeitraum als ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst anzusehen.

Hierauf erließ die belangte Behörde - nach der Aktenlage ohne vorhergehende Anhörung der Beschwerdeführerin - den nun angefochtenen Bescheid.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, daß die Dienstabwesenheit der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 15. Juni 1994 bis einschließlich 16. Juni 1994 im Sinne der §§ 48 Abs. 1 und 51 Abs. 1 BDG 1979 nicht als gerechtfertigt anerkannt werde. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei in dieser Zeit vom Dienst abwesend gewesen. Diese Dienstabwesenheit sei von ihr mit Krankheit begründet worden; sie habe eine ärztliche Bestätigung ihres Hausarztes mit der Diagnose "Gonatritis mit Meniskuslaesion" übermittelt. Da die Beschwerdeführerin sich in der Vergangenheit bereits des öfteren mit der Begründung "Schmerzen in den Kniegelenken" im Krankenstand befunden habe, sei sie am 30. April 1994 von einem (namentlich genannten) Facharzt untersucht worden. Dieser Sachverständige komme in seinem Gutachten zum Ergebnis, daß sich an den Kniegelenken der Beschwerdeführerin röntgenologisch und klinisch nur minimale degenerative Aufbrauchserscheinungen fänden, die aber die behaupteten Schmerzzustände in den Kniegelenken nicht erklären könnten; falls trotzdem gelegentlich geringe Beschwerden auftreten sollten, so könnten diese gut behandelt werden, beispielsweise mit einer physikalischen Therapie. Dabei sei aber "die Inanspruchnahme eines Krankenstandes" nicht erforderlich. Derartige Behandlungen könnten auch außerhalb der Dienstzeit durchgeführt werden. Der Sachverständige komme abschließend zur Beurteilung, daß die Beschwerdeführerin für alle Arbeiten wie bisher "vollschichtig" geeignet sei und ein weiterer mit "Schmerzen in den Kniegelenken" begründeter Krankenstand nicht gerechtfertigt sei. Die fragliche Dienstabwesenheit werde daher trotz Vorliegens einer privatärztlichen Bescheinigung als nicht gerechtfertigt angesehen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat unaufgefordert eine Stellungnahme zur Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 48 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist.

§ 51 BDG 1979 hat folgenden Wortlaut:

"§ 51. (1) Der Beamte, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, hat den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen.

(2) Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder Gebrechen an der Ausübung seines Dienstes verhindert, so hat er seinem Vorgesetzten eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Möglichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen, wenn er dem Dienst länger als drei Arbeitstage fernbleibt oder der Vorgesetzte oder der Leiter der Dienststelle es verlangt. Kommt der Beamte dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt."

Keiner der hier von der Behörde angewendeten Normen ist zu entnehmen, daß eine gesonderte Feststellung der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst jedenfalls zulässig wäre (hiezu und zu den folgenden Ausführungen siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/12/0206).

Mangels einer dem § 228 ZPO vergleichbaren Norm ist es strittig, ob im Verwaltungsrecht Feststellungsbescheide zulässig sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide erlassen, wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1987, 86/12/0147, Slg. NF Nr. 12586/A). Für einen Feststellungsbescheid ist jedoch dort kein Raum, wo ein Leistungsbescheid möglich ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1986, 86/01/0175, Slg. NF Nr. 12354/A, und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung). Kann die Frage, die im Verwaltungsverfahren strittig ist, im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden, dann ist, im Sinne dieser Rechtsprechung, die Erlassung eines Feststellungsbescheides unzulässig (vgl. auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1987, Zl. 87/12/0095, vom 30. April 1984, Zl. 83/12/0093, vom 13. Oktober 1986, Zl. 85/12/0122 und Zl. 85/12/0106, vom 6. Februar 1989, Zl. 87/12/0112, vom 19. März 1990, Zl. 88/12/0103 und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1977, Slg. 8.047).

Die bescheidmäßige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen ist nach der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unzulässig, wenn nicht eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dafür vorliegt (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1958, Zl. 57/58, Slg. NF Nr. 4822/A und vom 12. Februar 1985, Zl. 84/04/0072 sowie Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1969, Slg. 6050).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht ausgeführt, weshalb im vorliegenden Fall die Erlassung eines Feststellungsbescheides zulässig sein sollte. Auf dem Boden der dargestellten Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes vermag der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall nicht zu erkennen, daß die Frage der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst in der fraglichen Zeitspanne zulässigerweise Gegenstand einer gesonderten Feststellung sein dürfte. Dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin, mit denen sie aufzuzeigen versucht, daß der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Sachverhalt (auch wegen Verletzung des Parteiengehörs) unzutreffend und ihre Abwesenheit vom Dienst gerechtfertigt gewesen sei.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des Kostenbegehrens für den Schriftsatzaufwand. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft irrig überhöht verzeichnete Stempelgebühren.

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