VwGH 94/10/0119

VwGH94/10/011919.12.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, in der Beschwerdesache der Mag. E in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §38;
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;
AVG §38;
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 6.490,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erhob am 16. August 1994 Säumnisbeschwerde gegen den Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz. Sie brachte vor, der Landeshauptmann von Tirol habe ihr mit Bescheid vom 6. Oktober 1993 "in Nachfolge des Konzessionsinhabers Mag. G."

die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in W. erteilt. Gegen diesen Bescheid habe Dr. U. am 2. November 1993 Berufung an die belangte Behörde erhoben; diese habe bisher über die Berufung nicht entschieden.

Innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 7. September 1994 gesetzten Frist erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 25. November 1994, mit dem sie unter anderem der Berufung des Dr. U. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 6. Oktober 1993 Folge gab, den Bescheid behob und das Ansuchen der Beschwerdeführerin "um Konzessionserteilung für die bestehende Apotheke in W." abwies.

Anläßlich der Vorlage dieses Bescheides an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die belangte Behörde, der Verwaltungsgerichtshof möge die Säumnisbeschwerde kostenpflichtig als unzulässig zurückweisen. Sie vertritt dazu den Standpunkt, es liege keine Säumnis vor. Diese Auffassung begründet sie im Rahmen einer umfangreichen Darstellung des Verwaltungsgeschehens (auf das Wesentlichste zusammengefaßt) damit, daß sie erst nach Erlassung eines Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 15. November 1994 über die Berufung habe entscheiden können; erst mit diesem Bescheid sei über die Entziehung der Konzession des Mag. G., von deren Übertragung bzw. Zurücklegung sowohl die Beschwerdeführerin als auch Dr. U. Rechte ableiteten, entschieden worden.

Die Auffassung der belangten Behörde, es liege keine Säumnis vor, kann auf der Grundlage des von ihr vorgetragenen Sachverhaltes nicht geteilt werden. Es ist nicht strittig, daß die belangte Behörde über die Berufung des Dr. U. bis zur Einbringung der (nach Ablauf der in § 73 Abs. 1 AVG normierten Frist erhobenen) Säumnisbeschwerde nicht entschieden hatte. Eine Hemmung der Entscheidungspflicht durch ein gesetzliches Hindernis ist nicht ersichtlich. Der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, daß die belangte Behörde, sollte ihre Entscheidung von der Lösung von Vorfragen abhängig gewesen sein, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden gewesen wären (was im vorliegenden Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen ist), im Sinne des § 38 AVG - jeweils unter den dort genannten Voraussetzungen - berechtigt gewesen wäre, diese selbst zu beurteilen oder das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen. Eine Behörde, die von ihrem durch § 38 AVG eingeräumten Recht auf Aussetzung des Verfahrens Gebrauch macht, kann - solange die Aussetzung berechtigt andauert - nicht gegen die Bestimmungen des § 73 AVG über die Entscheidungspflicht verstoßen (vgl. z.B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 201 Abs. 4 zitierte hg. Rechtsprechung). Ein Aussetzungsbescheid wurde im Beschwerdefall jedoch nicht erlassen.

Im vorliegenden Fall ist auch nicht zu prüfen, ob die Behörde berechtigt gewesen wäre, das Verfahren im Sinne des § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage auszusetzen (vgl. hiezu Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, § 38 E 37, 38); denn auf ein Verschulden der Behörde an der Säumnis kommt es im vorliegenden Zusammenhang - in der Frage der Zulässigkeit der Beschwerde - nicht an. Auch im Falle fehlenden Verschuldens der Behörde ist die Säumnisbeschwerde zulässig (vgl. die bei Dolp, aaO 198, zitierte Rechtsprechung).

Ein Grund zur Zurückweisung der Beschwerde nach § 34 Abs. 1 VwGG ist somit nicht ersichtlich. Vielmehr liegt - im Hinblick auf die fristgerechte Nachholung des versäumten Bescheides - ein Fall der Einstellung des Verfahrens nach § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG vor.

Im Hinblick auf das im Antrag der belangten Behörde, die Säumnisbeschwerde KOSTENPFLICHTIG zurückzuweisen, enthaltene Begehren, der belangten Behörde keinen Kostenersatz aufzuerlegen, war weiters zu prüfen, ob ein Fall des § 55 Abs. 2 und 3 VwGG vorliegt.

Nach § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist im Fall einer Säumnisbeschwerde, in dem das Verfahren wegen Nachholung des versäumten Bescheides eingestellt wurde, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, wie wenn der Beschwerdeführer obsiegende Partei im Sinne des § 47 Abs. 1 VwGG wäre; der Pauschbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes richtet sich diesfalls nach § 55 Abs. 1 letzter Satz VwGG. Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die belangte Behörde Gründe nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht haben, und diese Gründe von ihr dem Beschwerdeführer vor der Einbringung der Säumnisbeschwerde bekanntgegeben worden sind (Abs. 2); weiters, wenn die Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden der Partei zurückzuführen war (Abs. 3).

Nach der Aktenlage ist der Tatbestand des § 55 Abs. 2 VwGG im Beschwerdefall schon deshalb nicht verwirklicht, weil nicht ersichtlich ist, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin Gründe im Sinne der zitierten Vorschrift bekanntgegeben hätte. Ebensowenig kann dem vorgetragenen Sachverhalt entnommen werden, daß die Verzögerung der behördlichen Entscheidung im Sinne des § 55 Abs. 3 VwGG ausschließlich auf das Verschulden der Beschwerdeführerin zurückzuführen gewesen wäre. Bei der Kostenentscheidung war daher nach § 55 Abs. 1 zweiter Fall VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 zweiter Fall der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 vorzugehen.

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