VwGH 94/08/0077

VwGH94/08/007725.10.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Februar 1994, Zl. MA 12-14.759/91 P IV, betreffend Sozialhilfe, beschlossen und zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
SHG Wr 1973 §10;
AVG §37;
SHG Wr 1973 §10;

 

Spruch:

Die Anträge des Beschwerdeführers, der Verwaltungsgerichtshof möge 1) über seine Anträge auf Sozialhilfe vom 26. November 1991 "in Summe erkennen" und ihm Sozialhilfe in der gesetzlichen Höhe sowie die ihm gesetzlich zustehende Mietzinsbeihilfe und die "Heizkosten im angeführten Zeitraum im gesetzlichen Ausmaß" zuerkennen und 2) erkennen, daß die belangte Behörde schuldig sei, ihm für den durch die gesetzwidrige Vorgangsweise entstandenen Schaden der Verwahrlosung und Verweigerung medizinischer Betreuung und ärztlicher Hilfe im genannten Zeitraum eine Genugtuung "in Summe zu leisten", all dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, werden zurückgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Nichtgewährung von Sozialhilfe für die Zeit vom 26. November bis 19. Dezember 1991 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf die Erkenntnisse vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0235, und vom 30. September 1994, Zl. 94/08/0026, mit denen über Bescheide der belangten Behörde betreffend den Sozialhilfeantrag des Beschwerdeführers vom 10. Jänner 1991 abgesprochen wurde, und das Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 94/08/0076, mit dem über einen Bescheid der belangten Behörde betreffend den Antrag des Beschwerdeführers vom 4. November 1991 entschieden wurde, verwiesen.

Mit Bescheid vom 26. November 1991 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, Sozialreferat für den 1., 8. und 9. Bezirk (erstinstanzliche Behörde) den neurlichen Antrag des Beschwerdeführers von diesem Tag auf eine "Geldaushilfe für LB" bzw. "Notstandsunterstützung" gemäß den §§ 8, 12 und 13 WSHG in Verbindung mit der Richtsatzverordnung 1991 mit der Begründung ab, daß gemäß § 10 Abs. 1 WSHG Hilfe nur insoweit zu gewähren sei, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden nicht ausreichten, um den Lebensbedarf zu sichern. Die Kraftfahrzeuge des Beschwerdeführers (nach der Aktenlage: ein Kombinationskraftwagen VW 23, Baujahr 1965, ein PKW VW 11, Baujahr 1968, und ein PKW Audi 100, Baujahr 1978) stellten ein verwertbares Vermögen im Sinne des § 10 Abs. 1 WSHG dar, weil sie nicht zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit dienten.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 8. Februar 1992 bestritt der Beschwerdeführer einerseits seine Verfügungsberechtigung über diese Kraftfahrzeuge mit der Begründung, daß er den PKW VW 11 bereits im Jahre 1990 als "Materialträger" um S 1.000,-- verkauft und die beiden anderen Kraftfahrzeuge um ingesamt S 5.000,-- verpfändet habe. Er selbst habe den KKW VW 23 im Jahre 1986 um S 2.000,-- und den Audi 100 im Jahre 1988 um S 7.500,-- gekauft. Daraus lasse sich aber der heutige Schätzwert nicht ableiten. Ungeachtet der weiterhin auf seinen Namen lautenden Zulassung der genannten Fahrzeuge (unter einem Wechselkennzeichen) stellten sie aus den genannten Gründen kein verwertbares Vermögen dar. Zum Beweis seines Vorbringens bezog er sich auf sein bisheriges Vorbringen im Verfahren und die von ihm vorgelegten Kauf-, Darlehens- und Pfandverträge mit R (der unehelichen Mutter von zweien seiner Kinder). Andererseits habe es die erstinstanzliche Behörde unterlassen, den Wert der Kraftfahrzeuge ziffernmäßig zu bestimmen. Er beantrage daher die Abänderung des bekämpften Bescheides dahin, daß ihm Sozialhilfe in näher bezeichneter Höhe für die Zeit vom 8. Jänner 1991 bis 8. Februar 1992 gewährt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß der Antrag des Beschwerdeführers vom 26. November 1991 gemäß den §§ 8 und 10 WSHG abgewiesen werde. Nach der Bescheidbegründung habe der Beschwerdeführer hinsichtlich der in Rede stehenden Kraftfahrzeuge drei nach der Datierung aus dem Jahre 1989 bzw. 1990 stammende Vertragstexte vorgelegt. Daraus gehe hervor, daß der Audi 100 sowie der VW-Bus für die Gewährung eines Darlehens durch R an diese verpfändet und der VW-Käfer an die Genannte verkauft worden sei. Keiner der vorgelegten Verträge sei jedoch durch die angeblichen Vertragsparteien unterfertigt bzw. nach den Bestimmungen des Gebührengesetzes vergebührt worden. Aus dem bisherigen Vorbringen des Beschwerdeführers gehe schließlich hervor, daß hinsichtlich aller drei Fahrzeuge keine körperliche Übergabe an die andere Vertragspartei erfolgt sei. Eine wirksame Verpfändung hätte auch zur Folge, daß der Zulassungsbesitzer die Abmeldung des Kraftfahrzeuges vornehmen müßte, weil er nicht mehr als rechtmäßiger Besitzer des Fahrzeuges anzusehen wäre. Schon bei seinem ersten Antrag am 8. Jänner 1991 habe der Beschwerdeführer selbst angegeben, einen Audi 100 zu besitzen, jedoch die Sachlage bezüglich der beiden weiteren auf seinen Namen angemeldeten Kraftfahrzeuge der Behörde verschwiegen. In seinem Antrag vom 10. Jänner 1991 habe er angegeben, daß er den VW-Käfer bereits habe verschrotten lassen. Später habe er jedoch Unterlagen über einen angeblich schon vor diesem Datum erfolgten Verkauf des Fahrzeuges vorgelegt. Aus allen diesen Umständen seien die drei genannten Fahrzeuge nach wie vor dem Eigentum bzw. der Verfügungsgewalt des Beschwerdeführers zuzuordnen. Noch im Dezember 1993 habe der Zeitwert des Audi 100 (Baujahr 1978) S 5.000,-- betragen bzw. sei im Fall des Verkaufes eines VW 23 (Baujahr 1965) sowie eines VW 11 Käfer (Baujahr 1968) im günstigsten Fall ein Verkaufserlös von je S 5.000,-- anzunehmen gewesen. Da somit ein verwertbares Vermögen im Sinne des § 10 WSHG gegeben gewesen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der §§ 8 und 10 WSHG lauten:

"§ 8. Anspruch

(1) Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. ...

§ 10. Einsatz der eigenen Mittel

(1) Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.

(2) Als nicht verwertbar gelten Gegenstände, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung kultureller Bedürfnisse in angemessenem Ausmaß dienen.

(3) Die Verwertung des Einkommens oder Vermögens darf nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder von einer vorübergehenden zu einer dauernden würde.

(4) Hat ein Hilfesuchender Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können Hilfeleistungen von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden, wenn die Rückzahlung voraussichtlich ohne Härte möglich sein wird."

Angesichts der auch für das WSHG geltenden Zeitraumbezogenheit von Bescheiden über die Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 17. September 1991, Zlen. 91/08/0004, 0093, zum Kärnter Sozialhilfegesetz, vom 27. April 1993, Zl. 93/08/0019, zum Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz und vom 16. November 1993, Zl. 92/08/0261, sowie vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0036, zum Wiener Sozialhilfegesetz) hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Gänze abgewiesen wurde) - sachverhaltsbezogen (insbesondere unter Bedachtnahme auf den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Sozialhilfe vom 20. Dezember 1991) - ausschließlich davon ab, ob der Beschwerdeführer nach der Sach- und Rechtslage im relevanten Zeitraum vom 26. November 1991 bis 19. Dezember 1991 seinen Lebensbedarf zur Gänze aus eigenen Mitteln, nämlich durch eine ihm mögliche und zumutbare Verwertung der drei Kraftfahrzeuge, beschaffen konnte (vgl. dazu Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 403; Erkenntnisse vom 24. November 1992, Zl. 91/08/0027, vom 16. März 1993, Zl. 92/08/0117, und vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0036, jeweils zum WSHG).

Die belangte Behörde hat diese Frage in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Behörde mit der Begründung bejaht, dem Beschwerdeführer sei jedenfalls ab seiner ersten Antragstellung am 8. Jänner 1991 und daher auch ab der beschwerdegegenständlichen Antragstellung am 26. November 1991 eine Veräußerung der drei Kraftfahrzeuge um einen solchen Preis möglich und zumutbar gewesen, der ihm die Bestreitung seines Lebensbedarfes ermöglicht hätte.

Soweit sich der Beschwerdeführer in der von ihm selbst verfaßten Beschwerde (die von dem zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt nicht ergänzt wurde) mit dem bloßen Hinweis auf die von ihm vorgelegten, von den angeblichen Vertragspartnern nicht unterfertigten Verträge gegen die Feststellung der belangten Behörde wendet, es sei ihm im relevanten Zeitraum weiterhin das Eigentums- bzw. das Verfügungsrecht über die drei Kraftfahrzeuge zugestanden, ist die Beschwerde unbegründet. Denn es ist nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde angesichts des ursprünglichen Vorbringens des Beschwerdeführers, in dem von einem Verkauf bzw. von Verpfändungen der Kraftfahrzeuge nicht die Rede war (nach der Aktenlage sprach der Beschwerdeführer davon erstmals am 20. Dezember 1991), der später widerrufenen Behauptung des Beschwerdeführers über die angebliche Verschrottung des VW-Käfer sowie der Vorlage nicht unterfertigter Verträge mit der unehelichen Mutter von zweien seiner Kinder zum Beweis seines neuen Vorbringens, er habe die drei Kraftfahrzeuge verkauft bzw. verpfändet, dieses Vorbringen ungeachtet der zumindest teilweisen Bestätigung durch R in der niederschriftlichen Vernehmung vom 11. März 1992, für unglaubwürdig erachtet hat.

Berechtigt ist die Beschwerde aber insoweit, als sie sich gegen die von der belangten Behörde auf die obgenannten Feststellungen zum Zeitwert bzw. zum günstigsten Verkaufspreis gestützte Annahme einer den Sozialhilfeanspruch des Beschwerdeführers im relevanten Zeitraum ausschließenden Verwertbarkeit dieser drei Kraftfahrzeuge wendet und ihr entgegenhält, die drei Kraftfahrzeuge hätten nur mehr "Schrottwert", (womit er erkennbar meint, daß ein die Entsorgungskosten übersteigender Nettoerlös nicht mehr erzielbar sei). Das hätte die belangte Behörde, wenn sie die Autos jemals besichtigt hätte, unschwer feststellen können. Denn einerseits hat die belangte Behörde die Feststellung, auf die sie ihre Annahme stützte, offensichtlich auf eine Auskunft des ARBÖ vom 22. Dezember 1993 gestützt, die sie dem Beschwerdeführer aber nach der Aktenlage vor der Bescheiderlassung nicht zur Kenntnis gebracht hat. Unabhängig von dieser Verletzung des Parteiengehörs reicht aber andererseits für die Beurteilung der konkreten Verwertbarkeit der drei Kraftfahrzeuge im Sinne des § 10 WSHG weder die Feststellung des Zeitwertes von Autos dieser Type und dieses Baujahres noch jene aus, es sei "im günstigsten Fall" ein Verkaufserlös von S 5.000,-- je Auto zu erzielen. Es wäre vielmehr erforderlich gewesen, zu ermitteln, welchen Erlös der Beschwerdeführer aus dem Verkauf der konkreten verfahrensgegenständlichen KFZ im relevanten Zeitraum hätte erzielen können.

Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im übrigen (d.h. insoweit, als die belangte Behörde dem darüber hinausgehenden Berufungsantrag nicht stattgegeben hat) war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die weiteren im Spruch wiedergegebenen Anträge des Beschwerdeführers waren mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zu derartigen Entscheidungen gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in Verbindung mit § 12 Abs. 3 leg. cit. zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

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