VwGH 94/06/0010

VwGH94/06/00105.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der H KG in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des UVS Stmk vom 22. 10.1993, Zl. UVS 20.7-3/93-4, betreffend die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme (weitere im Verfahren beteiligte Partei: Gemeinderat der Stadtgemeinde X), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67a Abs1 Z2;
BauO Stmk 1968 §56 Abs6 idF 1989/014;
BauO Stmk 1968 §70 idF 1989/014;
BauONov Stmk 1988 Art2 Abs5;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
B-VG Art131 idF 1975/302;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §67a Abs1 Z2;
BauO Stmk 1968 §56 Abs6 idF 1989/014;
BauO Stmk 1968 §70 idF 1989/014;
BauONov Stmk 1988 Art2 Abs5;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
B-VG Art131 idF 1975/302;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin von 5 Werbetafeln, die in X, F-Straße 99, auf einem dort befindlichen Supermarktparkplatz aufgestellt wurden. Am 18. Februar 1993 erhielt sie ein Schreiben des Stadtamtes der Stadtgemeinde X (das schon vorher an die Betreiberin des Supermarktes gerichtet worden war), in dem darauf hingewiesen wurde, daß die Aufstellung von Werbetafeln gemäß § 56 der Steiermärkischen Bauordnung bewilligungspflichtig sei und die Beschwerdeführerin aufgefordert werde, die Werbetafeln zu beseitigen, da weder ein Ansuchen, noch eine Bewilligung für die Aufstellung dieser Tafeln auflägen. Mit Schreiben vom 16. Februar 1993, eingelangt beim Stadtamt X am 19. Februar 1993, zeigte die Beschwerdeführerin die Errichtung einer Werbe- und Ankündigungseinrichtung X, F-Straße 99, unter Beifügung einer technichen Beschreibung an. Nach Einholung eines Gutachtens betreffend die Wirkung auf das Ortsbild untersagte der Bürgermeister der Stadtgemeinde X mit Bescheid vom 24. März 1993 die Errichtung der 5 Werbetafeln und forderte die Beschwerdeführerin gleichzeitig auf, diese Tafeln binnen einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Bescheides zu entfernen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Bauamtssachverständige habe festgestellt, daß drei Tafeln mit einer Größe von (je) 5,10 x 2,52 m entlang der der Ostgrundgrenze und zwei Tafeln in gleicher Größe entlang der Westgrundgrenze aufgestellt worden seien. Von der Bundesstraße B 76 her kommend, bildeten die 3 östlichen Tafeln quasi als Ortsbeginn das erste Bauwerk, das damit die Sicht auf das Stadtbild beeinträchtige. Verstärkt werde dieser Eindruck durch die beiden an der Westgrundgrenze befindlichen Tafeln. Aus diesem Grund liege eine Beeinträchtigung des Straßen- und Ortsbildes vor und sei eine Enfernung der Tafeln unumgänglich. Auch die Orts- und Raumplanerin spreche sich gegen die Errichtung der Werbetafeln aus, da diese das Straßenbild beeinträchtigten. Im Bereich der Einfahrt nach X sollte nach ihrem Gutachten die freie Durchsichtmöglichkeit erhalten bleiben.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. Oktober 1993 abgewiesen wurde. Mit einem Schreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X vom 19. Mai 1993, das am 21. Mai 1993 bei der Beschwerdeführerin einlangte, wurde mitgeteilt, daß die Tafeln gemäß § 56 Abs. 6 der Steiermärkischen Bauordnung von der Baubehörde entfernt worden seien, da die Beschwerdeführerin die Tafeln trotz Aufforderung nicht entfernt habe. Die aufgelaufenen Kosten würden der Beschwerdeführerin vorgeschrieben und seien der Baubehörde zu ersetzen.

Gegen diese Entfernung der Plakattafeln erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gemäß Art. 129a B-VG an den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark, die dieser mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 22. Oktober 1993 abgewiesen hat. Die Abweisung wurde - zusammengefaßt - damit begründet, daß gemäß § 56 Abs. 6 der Steiermärkischen Bauordnung von der Baubehörde Werbe- und Ankündigungseinrichtungen, die ohne Bewilligung errichtet wurden, sofort entfernt werden können. Der auf § 56 Abs. 6 BO gestützte Verwaltungsakt sei entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin keine Vollstreckung der im Bescheid vom 24. März 1993 spruchgemäß ausgeführten Aufforderung, diese Tafen binnen einer Frist von einer Woche ab Zustellung zu entfernen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Durchführung eines gesetzmäßigen Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat sowie darauf, daß der bekämpfte Verwaltungsakt zu Unrecht nicht für rechtswidrig erklärt wurde, verletzt. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In ihrer Verfahrensrüge führt die Beschwerdeführerin aus, es sei erst in der schriftlichen Ausfertigung des nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides dargetan worden, daß die mit der Maßnahmenbeschwerde belangte Behörde von der Gelegenheit zur Erstellung einer Gegenschrift Gebrauch gemacht habe. Der Beschwerdeführerin sei das Parteiengehör zur Gegenschrift nicht eingeräumt worden. Weil die Beschwerdeführerin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung schon zu einem Zeitpunkt verzichtet habe, in dem ihr der Inhalt der von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift nicht bekannt gewesen sei, sei ihr die Möglichkeit genommen worden, im Rahmen einer derartigen Verhandlung ihr rechtliches Interesse geltend zu machen, indem sie der entscheidenden Behörde ihre Rechtsansicht und ihr Tatsachenvorbringen in Erwiderung zu diesen Ausführungen entgegenhalten hätte können.

Diese Verfahrensrüge geht schon deshalb ins Leere, weil die Beschwerdeführerin nicht dartut, aufgrund welcher Umstände die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheidergebnis hätte gelangen können. Insbesondere behauptet die Beschwerdeführerin nicht, daß die belangte Behörde von einem unrichtigen oder ergänzungsbedürftigen Sachverhalt betreffend die Umstände der Enfernung der Plakattafeln in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ausgegangen sei.

Damit legt aber die Beschwerde die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.

Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt die Beschwerdeführerin in dem Umstand, daß die Baubehörde die Entfernung der Werbeanlagen mit Bescheid (vom 24. März 1993) angeordnet habe, also durch einen Akt in einem förmlichen Verfahren, sie habe damit den Weg über das AVG und sodann das VVG gewählt und könne von diesem hernach nicht mehr abweichen. Die Behörde sei an den Inhalt dieses Bescheides selbst gebunden; die (nachträgliche) Wahl des Weges eines verfahrensfreien Verwaltungsaktes bedeute die Verletzung der Bindungswirkung des von der Behörde zuvor erlassenen Bescheides, die sie nach § 68 AVG (auch) gegen sich gelten lassen müsse.

Die Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt setzt begriffsnotwendig ein positives Tun der die Zwangsgewalt gebrauchenden Behörde einer bestimmten Person gegenüber voraus und liegt nur vor, wenn es keines dazwischengeschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen (vgl. dazu etwa die hg Erkenntnisse vom 24. November 1977, Slg. Nr. 9439/A und vom 28. Juni 1990, Zl. 90/06/0018).

Der Verwaltungsgerichtshof hegt keinen Zweifel, daß es sich bei der beschwerdegegenständlichen Maßnahme des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X, die gegen die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Werbetafeln gerichtet war, um eine Maßnahme in diesem Sinne gehandelt hat, durch welche unmittelbar der behördlich angestrebte Zustand hergestellt worden ist (vgl. dazu auch das zuletzt angeführte Erkenntnis vom 28. Juni 1990).

Mit der Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 14/1989, wurde

§ 56 der Steiermärkischen Bauordnung neu gefaßt. Der Geltungsbereich wurde auf alle (d.h. nicht nur für Dauer bestimmte) Werbe- und Ankündigungseinrichtungen ausgedehnt;

§ 56 Abs. 2 nF enthält eine (im Beschwerdefall nicht maßgebende) Sonderregelung für die Wahlwerbung; § 56 Abs. 3 idF der Novelle lautet:

"(3) Wer beabsichtigt, eine Werbe- oder Anküngigungseinrichtung neu zu schaffen oder eine bestehende Einrichtung erheblich zu ändern, hat dies der Baubehörde anzuzeigen. Der Anzeige ist in zweifacher Ausfertigung eine planliche Darstellung sowie eine Beschreibung der Einrichtung anzuschließen. Die Darstellung und die Beschreibung müssen Angaben über die im Abs. 1 genannten Voraussetzungen der Zulässigkeit enthalten. Der Anzeige ist weiters ein Nachweis über die Zustimmung des Grundeigentümers anzuschließen".

Daran knüpft sich ein in § 56 Abs. 4 und 5 geregeltes, dem Untersagungsprinzip verpflichtetes Verfahren. Die Absätze 6 und 7 des § 56 idF der Bauordnungsnovelle 1988 lauten:

"(6) Werbe- und Ankündigungseinrichtungen ohne Bewilligung können von der Baubehörde sofort entfernt werden. Die Baubehörde hat den Eigentümer des entfernten Gegenstandes unverzüglich aufzufordern, diesen zu übernehmen.

(7) Die Kosten der Entfernung und Aufbewahrung eines Gegenstandes nach Abs. 5 sind von dessen Eigentümer der Baubehörde zu ersetzen. Die Nichtübernahme von entfernten Gegenständen innerhalb eines Monats nach der Aufforderung gilt als Verzicht auf das Eigentum zugunsten der Gemeinde. Für Schäden, die bei der Entfernung von Gegenständen unvermeidbar eintreten, besteht kein Anspruch auf Entschädigung."

Art. II Abs. 4 und 5 der Bauordnungsnovelle 1988 enthält dazu folgende Übergangsbestimmungen:

"(4) Die Bestimmung des § 56 Abs. 6 tritt sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in Kraft.

(5) Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits bestehende Werbe- und Ankündigungseinrichtungen (§ 56), die das Straßen- und Ortsbild erheblich stören oder verwahrlost sind, sind vom Eigentümer in einen entsprechenden Zustand zu versetzen oder zu entfernen. Der Auftrag hiezu hat mit schriftlichem Bescheid unter Setzung einer angemessenen Frist zu erfolgen. Kann der Eigentümer nicht herangezogen werden, hat die Baubehörde die Entfernung ohne weiteres Verfahren durchzuführen."

Die Beschwerdeführerin hat nicht behauptet, daß ihre Werbeanlagen schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bauordnungsnovelle 1988 aufgestellt gewesen seien, vielmehr ist davon auszugehen, daß die Aufstellung der Werbeeinrichtungen kurz vor dem 10. Februar 1993 erfolgte. § 56 Abs. 6 der Steiermärkischen Bauordnung idF der Novelle LBGl. Nr. 14/1989, ist im Zusammenhang mit dem Art. II Abs. 5 der genannten Novelle auf alle nach dem 1. März 1989 errichtete Werbeeinrichtungen anzuwenden. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde X war daher nicht verpflichtet, gemäß § 70a Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung oder gemäß Art. II Abs. 5 der Bauordnungsnovelle 1988 bescheidmäßig einen Entfernungsauftrag zu erlassen und aufgrunddessen die Vollstreckung zu veranlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1992, Zl. 91/06/0201), vielmehr konnte er die Entfernung der ohne Bewilligung errichteten Plakattafeln gemäß § 56 Abs. 6 BO sofort veranlassen. An dieser Rechtslage ändert auch der Umstand nichts, daß der Bürgermeister der Stadtgemeinde X aufgrund eines auf die Bewilligung der Aufstellung der 5 Werbetafeln gerichteten Antrages der Beschwerdeführerin die beantragte Aufstellung wegen Beeinträchtigung des Straßen- und Ortsbildes untersagt hat und die Beschwerdeführerin aufforderte, diese Tafeln binnen einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Bescheides zu entfernen, weil die aus § 56 Abs. 6 BO in der hier anzuwendenden Fassung erfließende Befugnis der Baubehörde, Werbe- und Ankündigungseinrichtungen ohne Bewilligung sofort zu entfernen, unabhängig davon gegeben ist, ob die Behörde - überdies - den Eigentümer der Werbetafeln durch Bescheid zu deren Entfernung aufgefordert hat. Die Rechtmäßigkeit dieser Aufforderung ist im vorliegenden Verfahren ebensowenig zu beurteilen, wie die Frage, ob - angesichts der der Behörde in § 56 Abs. 6 BO eingeräumten Möglichkeit - eine Vollstreckung dieses Bescheides zulässig gewesen wäre. Die belangte Behörde hat die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auch nicht etwa in der Existenz des erwähnten Bescheides erblickt, sondern auf das Vorliegen der im § 56 Abs. 6 BO genannten Voraussetzungen (nämlich: Fehlen einer Baubewilligung) gestützt und damit den Verwaltungsakt auch nicht als Vollstreckungsmaßnahme (einer diesfalls unzuständigen Behörde) mißdeutet.

Die in § 56 Abs. 6 BO eingeräumte Möglichkeit zur Durchführung von Sofortmaßnahmen ist verfassungsrechtlich als notstandspolizeiliche Maßnahme zu qualifizieren, die, wenn die Voraussetzungen für unmittelbares behördliches Handeln gegeben sind, auch dann ergriffen werden kann, wenn gleichzeitig aufgrund eines Ansuchens um Bewilligung der Belassung von Einrichtungen ein behördliches Verfahren unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften durchgeführt wird.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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