VwGH 94/06/0004

VwGH94/06/000417.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. G (u.a.), Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 25. August 1993, Zl. Ve1-550-1933/8, betreffend die Aufhebung eines Baueinstellungsbescheides, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 1989 §30;
BauO Tir 1989 §40 Abs2;
BauO Tir 1989 §30;
BauO Tir 1989 §40 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Lienz vom 29. August 1983 wurde dem Nachbarn des Beschwerdeführers die baubehördliche Genehmigung zur Errichtung eines landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäudes auf dem Grundstück X1, EZ X2 der KG Y erteilt.

Mit Bescheid vom 6. November 1992 sprach der Bürgermeister der genannten Stadtgemeinde aus, daß die Bauarbeiten für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäudes auf dem genannten Grundstück sofort einzustellen seien. Über Berufung des Bauwerbers behob der Stadtrat der Stadtgemeinde mit Bescheid vom 28. April 1993 den erstinstanzlichen Baueinstellungsbescheid ersatzlos.

Dieser Bescheid wurde auch dem Beschwerdeführer - nach seinem Vorbringen: über seine Aufforderung - zugestellt.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung. Die Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führt die belangte Behörde - unter Hinweis auf § 40 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989 - aus, daß der Beschwerdeführer als Nachbar im Verfahren betreffend eine Baueinstellung im Sinne des § 40 Abs. 2 keine Parteistellung habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorausgeschickt sei, daß die vorliegende Beschwerde rechtzeitig ist: Der (rechtzeitig) gestellte Antrag des Beschwerdeführers, ihm zur Einbringung einer Beschwerde gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wurde mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1993, Zlen. VH 93/06/0011, 0012, abgewiesen. Aus der dem Beschwerdeführer am 25. Oktober 1993 zugestellten Ausfertigung dieses Beschlusses war - infolge eines Ausfertigungsfehlers - nicht erkennbar, daß sich dieser Beschluß auch auf den Antrag zur Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid bezog. Der Verwaltungsgerichtshof erließ daher am 23. November 1993 einen (dem Beschwerdeführer am 25. November 1993 zugestellten) Berichtigungsbeschluß gemäß § 62 Abs. 4 AVG, mit welchem dem Beschwerdeführer daher erstmals in einer den Verfahrensgesetzen entsprechenden Weise die Abweisung seines Antrages auf Verfahrenshilfe mitgeteilt wurde. Die Beschwerdefrist hat daher erst mit der Zustellung seines Beschlusses am 25. November 1993 zu laufen begonnen, sodaß die am 5. Jänner 1994 zur Post gegebene Beschwerde rechtzeitig ist.

Sie ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 30 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, kommt zwar Nachbarn (als Eigentümern von Grundstücken in einem bestimmten Naheverhältnis zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück) Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zu, nicht jedoch in anderen Verfahren.

Gemäß § 40 Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde die Fortsetzung der Arbeiten an einem Bauvorhaben zu untersagen, wenn es ausgeführt wird, ohne daß eine rechtskräftige Baubewilligung hiefür vorliegt.

Zu der im wesentlichen gleichartigen Rechtslage nach der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 43/1978, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß dem Nachbarn nur im Baubewilligungsverfahren ein Mitspracherecht zukommt. Der Tiroler Landesgesetzgeber hat dem Nachbarn hingegen keinen Rechtsanspruch auf Durchsetzung der ihm im Baubewilligungsverfahren eingeräumten Rechte auch in einem baubehördlichen Auftragsverfahren (wie in jenem nach § 40 Abs. 2 TBO) eingeräumt (vgl. die bei Hauer, Tiroler Baurecht, 1985, zu § 30 TBO unter Punkt 1. zitierte Rechtsprechung).

Die vorliegenden Beschwerdeausführungen veranlassen den Verwaltungsgerichtshof nicht, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Selbst wenn man den Beschwerdeausführungen dahin folgen wollte, daß dem Beschwerdeführer in der Frage, ob die Baubewilligung des Nachbarn noch gültig oder bereits abgelaufen ist, ein subjektiv-öffentliches Recht zukommt, so kann dies der vorliegenden Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, ist doch diese Frage - wie der Beschwerdeführer selbst erkennt - (vorliegendenfalls) im Baueinstellungsverfahren nach § 40 Abs. 2 TBO nicht Hauptfrage, weshalb sie von der Behörde auch nur zu beurteilen, nicht aber mit Rechtskraftwirkung zu entscheiden ist. Der Berufungsbescheid - gegen den sich die Vorstellung des Beschwerdeführers wendete - konnte daher in das vom Beschwerdeführer behauptete subjektiv-öffentliche Recht gar nicht eingreifen.

Auch die vom Beschwerdeführer zur Stützung seiner Beschwerde behauptete "Zweifelsregel", wonach "im Zweifel die Vermutung für eine Parteistellung von Personen ... (streitet ...) deren Rechtssphäre durch einen in einem Verwaltungsverfahren ergehenden Verwaltungsakt zumindest berührt wird", ist in dieser Allgemeinheit der österreichischen Rechtsordnung fremd.

Gegen dieses Ergebnis bestehen auch deshalb keine sachlichen Bedenken, weil es dem Beschwerdeführer - bei Vorliegen entsprechender Einwirkungen auf sein Grundstück - unbenommen bleibt, gegen eine - allenfalls - konsenslose Bauführung im Sinne des § 364 Abs. 2 ABGB geeignete Schritte vor den Zivilgerichten zu unternehmen.

Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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