Normen
GewO 1973 §252 idF 1993/029;
GewO 1973 §323b;
GewO 1973 §376 Z36;
GewRNov 1992;
VwRallg;
GewO 1973 §252 idF 1993/029;
GewO 1973 §323b;
GewO 1973 §376 Z36;
GewRNov 1992;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 12. Jänner 1994 verweigerte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales der Beschwerdeführerin die Bewilligung für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften in einem näher bezeichneten Standort gemäß den §§ 189 Abs. 2, 376 Z. 36 Abs. 1 und 252 Abs. 1 und 3 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, sowie die Genehmigung der Bestellung der von dieser genannten Person zum Geschäftsführer für die Ausübung dieses Gewerbes gemäß § 190 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 leg. cit. Zur Begründung führte der Bundesminister im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei Inhaberin eines am 17. Oktober 1979 ausgestellten Gewerbescheines für das Gewerbe "Zurverfügungstellung von Arbeitskräften durch Dienstverschaffungsverträge unter Übernahme des wirtschaftlichen Wagnisses und unabhängig vom Nachweis einer Beschäftigung sowie unter Ausschluß jeder den staatlichen Arbeitsämtern vorbehaltenen Tätigkeit" in einem Standort in Wien. Das Gewerbe sei seither nicht ruhend gemeldet gewesen. Handelsrechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin seien zwei namentlich genannte britische Staatsangehörige, die in England wohnhaft seien. Auch unter sinngemäßer Anwendung der Übergangsvorschrift des § 376 Z. 36 Abs. 1 GewO 1973 sei Voraussetzung für die Erteilung der Bewilligung zur Gewerbeausübung, daß der Gewerbetreibende die in § 252 Abs. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erfülle, weil nach dem Abs. 3 der zuletzt genannten Gesetzesstelle das Fehlen dieser Voraussetzungen einen Grund zur Entziehung der Bewilligung darstelle und nach § 376 Z. 36 die Bewilligung auch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Übergangsvorschrift nur zu erteilen sei, wenn nicht die Voraussetzungen für eine Entziehung der Konzession vorlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Erlangung der Bewilligung zur Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes führt sie aus, die belangte Behörde verkenne den normativen Gehalt der Bestimmung des § 376 Z. 36 Abs. 1 GewO 1973. Richtigerweise hätten nach dieser Norm Personen, die am 30. Juni 1988 zur Ausübung des Gewerbes der Arbeitskräfteüberlassung berechtigt waren, zur Erlangung der Bewilligung zur Gewerbeausübung nur die in Abs. 2 lit. a bis d dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen zu erfüllen. Diese Bestimmung sei lex specialis gegenüber § 252 Abs. 3 GewO 1973. Jede andere Interpretation sei in gerade absurder Weise nicht vom Gesetz und dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers gedeckt.
Mit Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 196/1988 wurden die §§ 323a bis 323d in die GewO 1973 eingefügt und damit das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften in ein konzessioniertes Gewerbe übergeführt. Gleichzeitig wurde die Übergangsbestimmung des § 376 Z. 36 leg. cit. geschaffen. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 323a Abs. 1, des § 323b Abs. 1 und 3 und des § 376 Z. 36 Abs. 1 haben folgenden Wortlaut:
"§ 323a. (1) Der Konzessionspflicht unterliegt die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte (Überlassung von Arbeitskräften).
§ 323b. (1) Die Erteilung der Konzession für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften erfordert neben der Erfüllung der im § 25 Abs. 1 Z. 1 angeführten Voraussetzungen:
- 1. die Erbringung des Befähigungsnachweises,
- 2. bei natürlichen Personen die österreichische Staatsbürgerschaft und ihren Wohnsitz im Inland,
3. bei juristischen Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes
- a) ihren Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Inland und
- b) wenn die Überlassung von Arbeitskräften im Verhältnis zu den anderen wirtschaftlichen Betätigungen des betreffenden Rechtsträgers keine nur untergeordnete Bedeutung hat, die österreichische Staatsbürgerschaft der Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter und deren Wohnsitz im Inland. ...
(3) Den im Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen haben die Gewerbetreibenden auch während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung zu entsprechen. Die Konzession ist von der Behörde (§ 361 Abs. 1) zu entziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr zur Gänze erfüllt werden.
§ 376. ...
36. (Zu § 323a:)
(1) Personen, die zu einer Tätigkeit, die durch § 323a an eine Konzession gebunden wurde (Überlassung von Arbeitskräften), am 30. Juni 1988 berechtigt sind, bedürfen zur weiteren Ausübung ihrer Tätigkeit nach diesem Zeitpunkt einer Konzession gemäß § 323a in einem ihrer bisherigen Tätigkeit sachlich entsprechenden Umfang. Diese Konzession ist zu erteilen, es sei denn, daß die Voraussetzungen für eine Entziehung der Konzession (§§ 87 bis 89 und 91 Abs. 2) vorliegen, wenn sie
a) nachweisen, daß sie ihre nunmehr an eine Konzession gebundene Tätigkeit während der Zeit vom 1. Juli 1987 bis 30. Juni 1988 befugt ausgeübt haben,
b) selbst oder durch einen Geschäftsführer (§ 39) oder Pächter (§ 40) den Befähigungsnachweis (§ 323b Abs. 1 Z. 1) erbringen,
c) im Falle, daß sie juristische Personen oder Personengesellschaften des Handelsrechtes sind, ihren Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Inland haben,
d) um die Konzessionserteilung spätestens am 30. September 1988 ansuchen."
Mit der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, wurden die §§ 323a und 323b GewO 1973 durch die §§ 251 und 252 leg. cit. ersetzt. § 252 Abs. 1 und 3 GewO 1973 hat nunmehr folgenden Wortlaut:
"§ 252. (1) Die Erteilung der Bewilligung für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften erfordert neben der Erfüllung der im § 189 Abs. 1 Z. 1 angeführten Voraussetzungen:
- 1. die Erbringung des Befähigungsnachweises,
- 2. bei natürlichen Personen die österreichische Staatsbürgerschaft und ihren Wohnsitz im Inland,
3. bei juristischen Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes
- a) ihren Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Inland und
- b) wenn die Überlassung von Arbeitskräften im Verhältnis zu den anderen wirtschaftlichen Betätigungen des betreffenden Rechtsträgers keine nur untergeordnete Bedeutung hat, die österreichische Staatbürgerschaft der Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder der Geschäftsführer zum vertretungsbefugten Gesellschafter und deren Wohnsitz im Inland.
...
(3) Den in Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen haben die Gewerbetreibenden auch während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung zu entsprechen. Die Bewilligung ist von der Behörde (§ 361 Abs. 1) zu entziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr zur Gänze erfüllt werden."
§ 376 Z. 36 blieb von der Gewerberechtsnovelle 1992 unberührt.
Die inhaltlichen Regelungen des § 323b bzw. des § 252 GewO 1973 und die des § 376 Z. 36 leg. cit. stehen im zeitlichen Geltungsbereich letzterer Norm insofern in einem Widerspruch zueinander, als diese unter den dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen gegenüber den ersteren Bestimmungen erleichterte Anforderungen für die Erlangung der Konzession und damit auch für die weitere Ausübung des Gewerbes der Überlassung von Arbeitskräften vorsieht. Ein derartiger Widerspruch ist nach der Auslegungsregel lex specialis derogat legi generali zu lösen.
Die belangte Behörde, die - ohne sich tatbestandsbezogen mit dem zeitlichen Geltungsbereich des § 376 Z. 36 GewO 1973 auseinanderzusetzen - von der "sinngemäßen" Geltung dieser Norm neben § 252 leg. cit. ausging, handelte daher jedenfalls rechtsirrig, wenn sie dennoch den vorliegenden Fall im dargestellten Umfang auch dem § 252 Abs. 3 GewO 1973 unterstellte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I und Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Mit Rücksicht auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den (nachträglich) gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
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