VwGH 94/04/0008

VwGH94/04/000822.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat über 1. die Beschwerde der H-Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. Juli 1993, Zl. 316.149/4-III/4/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung, 2. den Antrag derselben auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und 3. die Beschwerde derselben gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Februar 1993, Zl. MA 63-Sch 11/93, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung,

Normen

AVG §1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art103 Abs4;
GewO 1973 §361 Abs5 idF 1976/253;
GewO 1973 §361 idF 1993/029;
GewO 1973 §87;
GewRNov 1992;
JN §29;
VStG §1 Abs2;
VwRallg;
AVG §1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art103 Abs4;
GewO 1973 §361 Abs5 idF 1976/253;
GewO 1973 §361 idF 1993/029;
GewO 1973 §87;
GewRNov 1992;
JN §29;
VStG §1 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. Juli 1993 wird als unbegründet abgewiesen.

II. den Beschluß gefaßt:

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Februar 1993 wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. Dezember 1992 entzog der Magistrat Wien der Beschwerdeführerin gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 die Gewerbeberechtigung "Maler und Anstreicher im Standort J-Gasse 27/5", weil mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 11. November 1991, der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beschwerdeführerin mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens, sohin wegen eines im § 13 Abs. 4 GewO 1973 genannten Grundes, abgewiesen wurde. Auf Grund der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung bestätigte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 8. Februar 1993 den angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe, daß die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 iVm § 13 Abs. 3 und 4 leg. cit. verfügt wurde. In der Rechtsmittelbelehrung seines Bescheides führte der Landeshauptmann aus, daß gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen nach Zustellung beim Magistratischen Bezirksamt oder beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Berufung eingebracht werden könne.

Mit Bescheid vom 16. Juli 1993 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm Art. 103 Abs. 4 B-VG als unzulässig zurück. In der Begründung führte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten aus, durch die am 1. Juli 1993 in Kraft getretene Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, sei es zum Entfall der Bestimmung des § 361 Abs. 5 GewO 1973 ohne gesonderte Übergangsbestimmung gekommen, weshalb nunmehr der administrative Instanzenzug gemäß Art. 103 Abs. 4 B-VG in der Fassung der Bundesverfassungsgesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 444, beim Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde ende. Der Bundesminister habe zum Zeitpunkt seiner Entscheidung das geltende Verfahrensrecht anzuwenden und zufolge der neugeregelten Abkürzung des Instanzenzuges seine Unzuständigkeit im anhängigen Berufungsverfahren wahrzunehmen. Abschließend wies der Bundesminister darauf hin, daß der nunmehr rechtskräftig gewordene, namens des Landeshauptmannes erlassene Bescheid im Wege einer Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts angefochten werden könne.

I.

Gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. Juli 1993 richtet sich die nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 30. November 1993, B 1568/93-7, an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene, Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich "im Recht auf Sachentscheidung im Sinne des Absehens von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 361 Abs. 5 der GewO 1973 in der Fassung BGBl. 399/1988 iVm der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993", verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liege in der Annahme der belangten Behörde, durch die Novellierung der Gewerbeordnung nicht mehr zuständig zu sein, da weder die dafür angeführten Überlegungen noch die zitierten Entscheidungen eine ausreichende Begründung hiefür zu geben vermöchten. Es handle sich im konkreten Fall nicht um die Frage der Geltendmachung einer Unzuständigkeit der untergeordneten Behörden, welche auch im Instanzenzug von der übergeordneten Behörde wahrgenommen werden könne, sondern vielmehr um die Frage einer Sachentscheidung bei anhängigem Berufungsverfahren und Änderung der Gesetzeslage, welche den Instanzenzug beschränke. Da im vorliegenden Fall die Berufung an die belangte Behörde am 5. März 1993 erhoben worden sei und die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren aufgenommen habe, sei sie ab diesem Zeitpunkt sowohl sachlich als auch örtlich zuständig geworden. Trotz Änderung der Gesetzeslage wäre daher mit Sachentscheidung vorzugehen gewesen.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß Art. 103 Abs. 4 B-VG endet in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung der administrative Instanzenzug, sofern der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat und nicht durch Bundesgesetz ausnahmsweise aufgrund der Bedeutung der Angelegenheit ausdrücklich anderes bestimmt ist, beim Landeshauptmann. Als eine solche Ausnahmebestimmung normierte § 361 Abs. 5 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, u. a., daß der administrative Instanzenzug im Verfahren betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung aus den in den §§ 87, 88 Abs. 1 oder 89 Abs. 1 leg. cit. angeführten Gründen bis zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten geht. Mit der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, welche mit 1. Juli 1993 in Kraft trat, kam es zum Entfall des Absatz 5 des § 361 GewO 1973, sodaß - mangels gesonderter Übergangsvorschriften - seither auch im Entziehungsverfahren Art. 103 Abs. 4 B-VG bezüglich der Abkürzung des Instanzenzuges anzuwenden ist. Ohne Rechtsirrtum ging die belangte Behörde im bekämpften Bescheid davon aus, daß die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat; eine gesetzliche Änderung des Instanzenzuges während des Laufes eines anhängigen Verfahrens ist von der Verwaltungsbehörde zu beachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A). Es ist daher auch die Beurteilung, ob die belangte Behörde zu einer meritorischen Berufungsentscheidung zuständig ist, nach den im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung geltenden Verfahrensvorschriften zu treffen (vgl. die in Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 1. Band, E 165 ff zu § 66 (S.649 f) abgedruckte Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch im Lichte des Beschwerdevorbringens nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen, zumal eine dem § 1 Abs. 2 VStG vergleichbare Günstigkeitsregelung dem Verwaltungsverfahrensrecht ebenso fremd ist, wie eine eine perpetuatio fori normierende Zuständigkeitsvorschrift (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 93/04/0232).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Rechtsansicht der belangten Behörde, mit Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 sei die Zuständigkeit des Bundesministers zur meritorischen Erledigung der in Rede stehenden Berufung weggefallen, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

II.

Hilfsweise und für den Fall, daß die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. Juli 1993 keinen Erfolg haben sollte, beantragt die Beschwerdeführerin gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Februar 1993 und holt gleichzeitig die versäumte Bescheidbeschwerde nach. Der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführerin und Wiedereinsetzungswerberin am 20. Juli 1993 zugestellt. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde gleichzeitig mit der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. Juli 1993 - gemäß Art. 144 B-VG gerichtet an den Verfassungsgerichtshof - am 30. August 1993 zur Post gegeben und langte am 24. Jänner 1994 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages führt die Beschwerdeführerin aus, der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Februar 1993 weise in der Rechtsmittelbelehrung den Passus auf, daß gegen diesen Bescheid die Berufung an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zulässig sei. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten habe in seinem Bescheid auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist verwiesen. Erst bei der am 24. August 1993 durchgeführten Vorsprache des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin beim Vertreter und Verfasser der gegenständlichen Beschwerden sei dieser über die für Rechtsunkundige praktisch nicht "durchschaubare" Rechtslage aufgeklärt worden und habe davon Kenntnis erlangt, daß - formal - die Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde wider den zweitinstanzlichen Bescheid bereits abgelaufen sei. Im vorliegenden Fall erweise sich sohin, daß eine - ursprünglich richtige - Rechtsmittelbelehrung durch nachfolgende Gesetzesänderung unrichtig geworden sei, was sich für die Beschwerdeführerin als unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, das außerhalb ihrer Sphäre und damit außerhalb ihres Verschuldens liege, darstelle.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist eine Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat -, eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen zu bewilligen. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat. Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen (§ 46 Abs. 3 VwGG). Gemäß Abs. 6 findet gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages keine Wiedereinsetzung statt.

Es erübrigt sich im vorliegenden Fall näher darauf einzugehen, ob die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Februar 1993 infolge Änderung der Gesetzeslage durch die Gewerberechtsnovelle 1992 und der damit verbundenen Verkürzung des Instanzenzuges ein Ereignis im Sinne des § 46 VwGG darstellt, welches der Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich ist, weil der vorliegende Antrag der Beschwerdeführerin verspätet ist.

Spätestens mit Zustellung des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten am 20. Juli 1993 begann die Frist des § 46 Abs. 3 VwGG zu laufen.

Der am 30. August 1993 zur Post gegebene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher jedenfalls verspätet. Insoweit sich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf die Versäumung der spätestens mit Zustellung des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten am 20. Juli 1993 in Gang gesetzten Wiedereinsetzungsfrist beziehen sollte, ist der Antrag gemäß § 46 Abs. 6 VwGG unzulässig.

Aus diesen Gründen war daher der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

Mit Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, am 1. Juli 1993 ist - mangels gegenteiliger Übergangsbestimmungen - durch die Neufassung des § 361 GewO 1973, insbesonders den Entfall des Abs. 5 dieser Gesetzesstelle, der administrative Instanzenzug im Verfahren betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung verkürzt worden und endet dieser gemäß Art. 103 Abs. 4 B-VG gleichfalls beim Landeshauptmann. Mit Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 ist daher der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Februar 1993 in Rechtskraft erwachsen und es begann die Frist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG dagegen zu laufen. Die sechswöchige Frist zur Erhebung der Beschwerde war bereits zum Zeitpunkt sowohl der Postaufgabe der gegenständlichen Beschwerde am 30. August 1993 als auch zum Zeitpunkt des Einlangens beim Verwaltungsgerichtshof am 24. Jänner 1994 abgelaufen. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen.

Mit ihren Aufschiebungsanträgen wird die Beschwerdeführerin auf die Entscheidung über die jeweiligen Beschwerden verwiesen.

Von einer Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

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