VwGH 94/02/0344

VwGH94/02/034425.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. Juni 1994, Zl. UVS-01/23/00113/94, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art18 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §41 Abs1;
PersFrSchG 1988 Art1 Abs3;
PersFrSchG 1988 Art5 Abs2;
B-VG Art18 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §41 Abs1;
PersFrSchG 1988 Art1 Abs3;
PersFrSchG 1988 Art5 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der im Jahr 1972 geborene Mitbeteiligte ist Staatsangehöriger des ehemaligen Jugoslawien. Er wurde in den Jahren 1991 und 1993 wegen Gewaltdelikten (vorsätzliche Körperverletzung und versuchte Nötigung; schwerer Raub und Bandenbildung) rechtskräftig strafgerichtlich zu Freiheitsstrafen verurteilt. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. April 1994 wurde gegen ihn im Instanzenzug ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Am 1. Juni 1994 brachte er dagegen eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein

(hg. Zlen. 94/18/0330 und AW 94/18/0199). Am 12. Juni 1994 wurde gegen ihn die Schubhaft verhängt (Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Juni 1994).

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde einer gemäß § 52 des Fremdengesetzes (FrG) erhobenen Schubhaftbeschwerde statt und stellte fest, daß die Festnahme des Mitbeteiligten in Schubhaft und die weitere Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig seien.

In seiner auf § 53 FrG gestützten Beschwerde macht der beschwerdeführende Bundesminister Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, mitgeteilt, daß von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen wird, und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, die Verhängung der Schubhaft sei nicht das gelindeste Mittel, um den Mitbeteiligten zur Beachtung des durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes zu verhalten. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die aufrechte polizeiliche Meldung des Mitbeteiligten und sein aufrechtes Arbeits-(Lehr-)verhältnis sowie darauf, daß er erklärt habe, im Falle der Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung in Ansehung seiner Beschwerde gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes einem behördlichen Ausreiseauftrag nachzukommen. Angesichts dessen hätten gelindere Mittel als die Verhängung der Schubhaft ausgereicht, um die Ausreise des Mitbeteiligten zu überwachen, wie etwa die Verpflichtung, sich regelmäßig "bei der Fremdenpolizei zu melden".

Der beschwerdeführende Bundesminister führt dagegen ins Treffen, daß der Mitbeteiligte vor der oben erwähnten Erklärung - ebenfalls bereits in Schubhaft befindlich - erklärt habe, nicht ausreisen, sondern in Österreich bleiben zu wollen. Es sei daher davon auszugehen, daß er nicht willens sei, seiner aus dem durchsetzbaren Aufenthaltsverbot entspringenden Verpflichtung nachzukommen. Das Gesetz sehe auch, bezogen auf den konkreten Fall, kein gelinderes Mittel als die Schubhaft vor. Insbesondere gebe es keine gesetzliche Grundlage dafür, den Fremden zur regelmäßigen Meldung bei der Fremdenpolizei zu verhalten. Dieses Mittel wäre auch zur Herbeiführung der Ausreise völlig untauglich.

Der Mitbeteiligte war zum Zeitpunkt seiner Festnahme zur Ausreise verpflichtet, sein Aufenthalt im Bundesgebiet war rechtswidrig. Über seinen Antrag, seiner Beschwerde gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war noch nicht entschieden (über diesen Antrag wurde erst mit hg. Beschluß vom 23. Juni 1994 in stattgebendem Sinn abgesprochen). Die aufrechte Beschäftigung und die familiären Bindungen des Mitbeteiligten im Inland sprechen für sein Bestreben, in Österreich zu bleiben. Damit steht auch die gegenüber der Erstbehörde zunächst abgegebene Erklärung, trotz des Aufenthaltsverbotes in Österreich bleiben zu wollen, im Einklang. Es entsprach daher dem Gesetz, beim Mitbeteiligten keine Ausreisewilligkeit anzunehmen und durch die Verhängung der Schubhaft die rechtlich gebotene Ausreise zu sichern. Daran vermag auch die in der Folge bekundete Bereitschaft zur Befolgung der Ausreiseverpflichtung nichts zu ändern, befand sich der Mitbeteiligte zu diesem Zeitpunkt doch bereits in Schubhaft und war dieser Erklärung angesichts seiner vorangegangenen Äußerungen kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Der beschwerdeführende Bundesminister ist auch damit im Recht, daß das von der belangten Behörde angesprochene "gelindere Mittel" der regelmäßigen Meldung bei der Fremdenpolizei im Gesetz nicht vorgesehen ist und daß eine solche Vorgangsweise die Ausreise eines ausreiseunwilligen Fremden auch nicht zu sichern vermöchte.

Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1994, Zl. 94/02/0170, 0171, ausgesprochen, daß den Grundsätzen der Art. 1 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 2 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit durch die Normierung der Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft im FrG entsprochen wurde; ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage kann von einem ausreichenden gelinderen Mittel zur Sicherung der mit der Schubhaft verfolgten Zwecke keine Rede sein.

Aus den genannten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

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