Normen
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1 idF 1985/564;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1 idF 1985/564;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1993 wurde zur Zl. 93/18/0258 folgender Mängelbehebungsauftrag erteilt:
"Es ist der Sachverhalt in einer zeitlich geordneten Darstellung des Verwaltungsgeschehens wiederzugeben (§ 28 Abs. 1 Z. 3 VwGG).
Zur Behebung dieses Mangels wird eine Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zustellung dieses Antrages an gerechnet, bestimmt.
Ein ergänzender Schriftsatz ist in dreifacher Ausfertigung vorzulegen.
Die zurückgestellte Beschwerde (einschließlich die angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) ist auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird.
Die Versäumung der Frist gilt als Zurückziehung der Beschwerde."
Innerhalb der gesetzten Frist langte beim Verwaltungsgerichtshof in dreifacher Ausfertigung unter Anschluß einer Halbschrift ein ausdrücklich als "Mängelbehebung" bezeichneter Schriftsatz ein. Dieser Schriftsatz enthielt eine Darstellung des Sachverhaltes und des Ganges des Verwaltungsverfahrens. Im Schriftsatz fehlt jede Angabe, daß eine Beilage und/oder die zurückgestellte Beschwerde samt den Beilagen wiedervorzulegen ist. Die zurückgestellte Beschwerde wurde nicht vorgelegt.
Wegen dieser Unterlassung der auftragsgemäßen Mängelverbesserung wurde die Beschwerde mit Beschluß vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0258, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt. Dieser Beschluß wurde dem Vertreter des Antragstellers am 7. Dezember 1993 zugestellt.
Mit dem vorliegenden, am 16. Dezember 1993 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Antrag begehrte der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Vornahme der Mängelbehebung. Begründend wird ausgeführt, daß das Versehen der Unterlassung der neuerlichen Vorlage der Beschwerde in der Kanzlei seines ausgewiesenen Vertreters der mit Beschwerden an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes langjährig vertrauten Kanzleiangestellten unterlaufen sei. Entgegen der ausdrücklichen Anweisung und eingehenden Aufklärung seines Vertreters über die vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur geübte Praxis der Einstellung von Verfahren bei Nichtanschluß sämtlicher Beilagen zu einer aufgetragenen Mängelbehebung sei der ursprüngliche Beschwerdeschriftsatz durch die ansonsten äußerst verläßlich und sorgfältig arbeitende Kanzleiangestellte nicht miteinkuvertiert worden. Dieser sei bislang noch nie ein Versehen im Kanzleibetrieb unterlaufen. Soweit seinem Vertreter erinnerlich sei, habe sie die Mängelbehebung samt dem ursprünglichen Beschwerdeschriftsatz und sämtlichen Beilagen zur Durchsicht seinem Vertreter vorgelegt. Dieser habe neben den dargestellten Sicherheitsvorkehrungen zum ordnungsgemäßen Kanzleiablauf sämtliche Schriftsätze samt Beilagen sorgfältiger Kontrolle unterzogen. Die Unterlassung der neuerlichen Vorlage der ursprünglichen Beschwerde sei nur dadurch erklärlich, daß diese durch ein Versehen der Kanzleiangestellten nach Unterfertigung durch seinen Vertreter aus den beizulegenden Urkunden in den Handakt rückeingeordnet und damit bei der Kuvertierung übersehen worden sei. Dies sei erst nach Zustellung des Beschlußes über die Einstellung des Verfahrens vom 29. Juli 1993 am 7. Dezember 1993 festgestellt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht jenen Bediensteten gegenüber unterlassen hat (vgl. den hg. Beschluß vom 29. Juni 1993, Zl. 93/08/0140, mit weiteren Nachweisen).
Grundsätzlich muß in diesem Zusammenhang davon ausgegangen werden, daß die Organisation des Kanzleibetriebes eines Rechtsanwaltes so einzurichten ist, daß u.a. auch die vollständige und fristgerechte Erfüllung von Mängelbehebungsaufträgen, die ja bereits das Vorliegen einer zumindest zum Teil nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Eingabe zur Grundlage haben, gesichert erscheint. Die anwaltliche Sorgfaltspflicht umfaßt in einem solchen Fall auch die geeignete Überwachung des Fertigmachens der Postsendung zur Abgabe und die Überprüfung der Vollständigkeit der an den Verwaltungsgerichtshof in Befolgung des Verbesserungsauftrages übermittelten Aktenstücke. Unterläuft jedoch dem (sonst verläßlichen) Kanzleibediensteten erst nach der Unterfertigung und Kontrolle eines fristgebundenen Schriftsatzes durch den Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so ist dieser, sofern nicht nach der konkreten Fallgestaltung ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzutritt, nicht dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) als Verschulden anzurechnen. Die regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflichten überspannen. Anders kann es sich verhalten, wenn schon aus dem vom Parteienvertreter unterfertigten Schriftsatz hervorgeht, daß damit dem Mängelbehebungsauftrag nur unvollständig entsprochen wurde (vgl. auch hiezu den vorzitierten Beschluß vom 29. Juni 1993 mit weiteren Nachweisen).
Der Begriff des minderen Grades des Versehens in § 46 Abs. 1 VwGG ist grundsätzlich der leichten Fahrlässigkeit gleichzustellen.
Macht der Antragsteller als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleibediensteten des bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, daß es zur Fehlleistung des Kanzleibediensteten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt im Sinne der obigen Ausführungen obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden.
Im vorliegenden Fall ist ausgehend vom Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag dem Rechtsvertreter des Antragstellers eine nicht nur einen minderen Grad des Versehens bildende Verletzung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht anzulasten. Hätte er nämlich "sämtliche Schriftsätze samt Beilagen sorgfältiger Kontrolle" unterzogen, so hätte er bereits aufgrund eines einfachen Vergleiches des Inhaltes des Schriftsatzes an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Mängelbehebungsauftrag feststellen müssen, daß mit diesem Schriftsatz der Auftrag nicht zur Gänze erfüllt wird. Dem Mängelbehebungsschriftsatz fehlt jeder Hinweis darauf, daß eine Beilage, im besonderen die zurückgestellte Beschwerde samt dem angefochtenen Bescheid, anzuschließen ist. Dem Rechtsvertreter des Antragstellers fällt daher in bezug auf die ihm nach den obigen rechtlichen Darlegungen obliegende Pflicht zur Überprüfung der Vollständigkeit der an den Verwaltungsgerichtshof in Befolgung des erteilten Verbesserungsauftrages übermittelten Aktenstücke ein Verschulden zur Last, das einen minderen Grad des Versehens übersteigt (vgl. nochmals den vorerwähnten hg. Beschluß mit weiteren Nachweisen).
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.
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