VwGH 93/18/0340

VwGH93/18/03403.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des ID in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 17. Mai 1993, Zl. Fr 936/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §15 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
VwRallg;
AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §15 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 17. Mai 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 6 FrG ein mit 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 10. September 1990 zu Fuß neben einem "ordentlichen" Grenzübergang in das Bundesgebiet eingereist sei. Er sei im Besitz eines türkischen Reisepasses, nicht jedoch eines österreichischen Sichtvermerkes gewesen. Als türkischer Staatsangehöriger im Besitz eines gewöhnlichen türkischen Reisepasses sei er ab dem 17. Jänner 1990 der Sichtvermerkspflicht unterlegen. Er habe noch am Tag der Einreise einen Asylantrag eingebracht. Eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz sei ihm nicht erteilt worden. Er habe von Anfang an die Absicht gehabt, in Österreich zu bleiben und hier zu arbeiten und zu leben. Durch die Stellung des Asylantrages habe er gehofft, eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zu erhalten und dadurch seine illegale Einreise zu legalisieren. Dem Beschwerdeführer sei bekannt gewesen, daß durch das Eingehen einer Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen automatisch die weitreichendste Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, nämlich ein Befreiungsschein gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 des AuslBG, verbunden sei. Seine vor dem Standesamt X am 23. Oktober 1990 geschlossene Ehe mit HD, geborene E, geschiedene S, sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Y vom 13. Mai 1992 für nichtig erklärt worden. Bei der am 13. Mai 1992 beim Bezirksgericht Y durchgeführten mündlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer folgendes angegeben:

"Ich habe meine Frau durch Zufall kennengelernt und war das im Geschäft namens K. Ich war damals Asylwerber und wollte in Österreich bleiben. Ich möchte auch die österreichische Staatsbürgerschaft zum gegebenen Zeitpunkt erwerben, dies ist derzeit noch nicht möglich. Ich habe dies mit meiner Frau besprochen, wir haben daher beschlossen zu heiraten, damit ich in Österreich bleiben und die entsprechende Bewilligung erwerben kann. Ich habe zu diesem Zweck meiner Frau den Betrag von S 30.000,-- bezahlt. Ich unterstütze sie auch jetzt noch finanziell. Ich habe insgesamt vier Kinder in der Türkei. Ich bin dort geschieden. An und für sich habe ich vor, die Kinder nach Österreich zu holen. Es ist richtig, daß wir am 23. Oktober 1990 vor dem Standesamt X die Ehe geschlossen haben, dies einzig und allein zu dem Zweck, daß ich in Österreich bleiben und die entsprechenden Papiere erwerben kann. Die Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft hatten wir nie vor. Wir hatten auch tatsächlich nie zusammengelebt und die Ehe auch nie vollzogen. Ich hatte aber nach der Eheschließung immer wieder Kontakt mit meiner Frau. Wir haben uns etwa einmal in der Woche gesehen."

Die Einvernahme des Beschwerdeführers sei im Beisein eines Dolmetschers durchgeführt worden. Am 15. November 1990 sei dem Beschwerdeführer vom Arbeitsamt Melk ein Befreiungsschein mit einer Gültigkeitsdauer bis 14. November 1995 ausgestellt worden. Am 21. Jänner 1991 habe er bei einer Firma in Ybbs zu arbeiten begonnen. Mit Hilfe dieser Unterlagen habe der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Melk einen Wiedereinreisesichtvermerk bis zum 5. Februar 1994 erlangt. Anläßlich der Beantragung einer Sicherungsbescheinigung vom 26. November 1992 für seine türkische Gattin und seine vier türkischen Kinder sei dieser Sachverhalt bekannt geworden.

Die durch die eingegangene Ehe erlangten Unterlagen, welche der Beschwerdeführer bei der Sichtvermerksantragstellung bei der Bezirkshauptmannschaft Melk vorgelegt habe, seien als falsche Angaben gegenüber der Behörde im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG zu werten. Das vorgeworfene Verhalten rechtfertige die Annahme, daß der Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde.

Nach Zitierung des § 20 FrG, des Art. 8 Abs. 2 MRK und des § 19 FrG führt die belangte Behörde weiters aus, daß der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers kein erhebliches Gewicht beizumessen sei, zumal diese zum Teil durch widerrechtlich erlangte Sichtvermerke erwirkt worden sei. Der Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin sei aus dem obgenannten Gründen keine Bedeutung beizumessen. Die nunmehrige Gattin und die Kinder des Beschwerdeführers lebten ebenso wie seine Eltern in der Türkei. Weitere familiäre Bindungen zu Österreich bestünden nicht. Im Rahmen der ihr obliegenden Verpflichtung zur Abwägung der für und gegen ein Aufenthaltsverbot sprechenden öffentlichen und privaten Interessen sei die Behörde zur Ansicht gelangt, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" und Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 sowie der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG lauten:

"§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

  1. 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
  2. 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 zu verschaffen.

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Erwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

  1. 1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
  2. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen."

Zur Verfahrensrüge führt der Beschwerdeführer aus, die Behörde hätte sich ein Bild über die Richtigkeit der Aussagen von HS machen müssen. Es hätte insbesondere näher geprüft werden müssen, ob er mit HS zusammengelebt habe und ob der an sie bezahlte Betrag von S 30.000,-- auch eine Unterhaltsleistung gewesen sein könnte.

Dem ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde ihren Feststellungen die Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vor dem Bezirksgericht Y zugrunde legte. Diese Angaben des Beschwerdeführers wurden von ihm bei seiner Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Melk am 5. März 1993 als richtig bezeichnet. Der Beschwerdeführer vermag nicht aufzuzeigen, warum die belangte Behörde diesen Angaben nicht hätte folgen und welche anderen Tatsachen sie hätte feststellen sollen.

Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß das Eingehen einer Scheinehe grundsätzlich keinen strafbaren Tatbestand in Österreich darstelle. Sollte es sich tatsächlich um eine Scheinehe gehandelt haben, so sei dies kein Grund zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Es sei auch keinesfalls die öffentliche Ordnung gestört worden, weil einerseits ein Ehenichtigkeitserklärungsverfahren in einer nichtöffentlichen Verhandlung entschieden und andererseits ein Durchschnittsbürger in Österreich von einem derartigen Urteil bzw. einer solchen Ehe nicht berührt werde.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag der rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde, wonach der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht sei, nicht beizupflichten, weil die Vorlage einer Heiratsurkunde keine unrichtige Angabe im Sinne des Gesetzes darstellen kann.

Dies führt jedoch zu keiner Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, weil die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, das Verhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, im Ergebnis zutrifft. Ein Aufenthaltsverbot kann nämlich rechtens ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 leg. cit) gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1993, Z. 93/18/0301, mit Hinweis auf die Vorjudikatur).

Bei der Beurteilung des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers im Sinn des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG fällt nicht nur ins Gewicht, daß die Einreise ohne österreichischen Sichtvermerk unter Umgehung der Grenzkontrolle die öffentliche Ordnung gefährdet; maßgebend ist auch, daß die Eingehung einer Ehe zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen einen Rechtsmißbrauch darstellt, der gleichfalls als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten ist (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0301). Wenn die belangte Behörde aufgrund dieses Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt angesehen hat, begegnet dies keinen Bedenken. Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Unbescholtenheit kommt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu.

Selbst wenn man dem Beschwerdeführer zugute hielte, daß durch das Aufenthaltsverbot mit Rücksicht darauf, daß er fast drei Jahre in Österreich gelebt und in dieser Zeit "in keiner Weise bei einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht auffällig geworden ist", in gemäß § 19 FrG relevanter Weise in sein Privatleben eingegriffen würde, wäre für ihn nichts gewonnen, weil die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die sich aus seinem Gesamt(fehl)verhalten abzuleitende erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen zum Schutz der öffentlichen Ordnung dringend geboten ist.

Auch aus dem Blickwinkel des § 20 Abs. 1 FrG ist eine Unzulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nicht zu erkennen, zumal die - relativ kurze - Dauer seines Aufenthaltes in Österreich noch kein besonderes Maß an Integration zu begründen vermag (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0524).

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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