VwGH 93/10/0117

VwGH93/10/011718.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der X, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. April 1993, Zl. 6-54/2 Ki 1/17-1993, betreffend Abweisung des Antrages auf Verlängerung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG Stmk 1976 §12 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §12 Abs2;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs5;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs6;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs7;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs8;
VwRallg;
NatSchG Stmk 1976 §12 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §12 Abs2;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs5;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs6;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs7;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. April 1989 wurde der beschwerdeführenden Partei unter Berufung auf § 6 Abs. 3 lit. c, Abs. 4 lit. a und Abs. 7 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. Nr. 65/1976 idF LGBl. Nr. 79/1985 (Stmk NSchG), die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung der Wasserkraftanlagen M und G-Bach erteilt. Als Frist für die Fertigstellung des Vorhabens wurde der 31. Dezember 1991 festgelegt.

Die beschwerdeführende Partei begann am 22. März 1991 mit dem Bau beider Wasserkraftanlagen, konnte in der Folge aber den Bau nicht weiterführen, weil durch baubehördliche Bescheide die Baueinstellung verfügt wurde. Die Rechtsmittel dagegen hatten erst nach dem 31. Dezember 1991 Erfolg. Die Wasserkraftanlagen konnten bis 31. Dezember 1991 nicht fertiggestellt werden.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 7. Dezember 1989 wurden zwei Teilstrecken des G-Baches, die innerhalb der Ausleitungsstrecken der beiden Wasserkraftanlagen liegen, gemäß § 10 Abs. 1 lit. b Stmk NSchG zu Naturdenkmalen erklärt. Einer dagegen von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Berufung gab die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 23. April 1993 teilweise Folge und behob die Naturdenkmalerklärung für jene Teilstrecke des G-Baches, die innerhalb der Ausleitungsstrecke der geplanten Wasserkraftanlage "G-Bach" liegt, bestätigte aber die Naturdenkmalerklärung hinsichtlich jener Teilstrecke des G-Baches, die innerhalb der Ausleitungsstrecke des geplanten Kraftwerkes "M" liegt. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 14. März 1994, Zl. 93/10/0116, als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom 23. Dezember 1991 hat die beschwerdeführende Partei bei der belangten Behörde den Antrag gestellt, die naturschutzrechtliche Bewilligung vom 17. April 1989 zu verlängern.

Mit Bescheid vom 29. April 1993 wies die belangte Behörde den Antrag auf Verlängerung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für das Kraftwerk "M" ab. In der Begründung wird ausgeführt, nach § 21 Abs. 3 Stmk NSchG sei die Rechtswirksamkeit einer Bewilligung auf Antrag um höchstens zwei Jahre zu verlängern, wenn ihr Inhaber glaubhaft mache, daß er an der rechtzeitigen Vollendung des Vorhabens oder am Gebrauch der Bewilligung ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei und wenn in der Zwischenzeit die Erteilung einer Bewilligung nicht unzulässig geworden sei. Zur Frage der Unzulässigkeit werde die Auffassung vertreten, daß diesbezüglich eine generelle oder individuelle Norm vorliegen müsse, welche die Zulässigkeit der Erteilung einer Bewilligung verbiete. Eine nach dem Stmk NSchG ausgesprochene Naturdenkmalerklärung stelle eine solche "einschränkende" Norm dar. Die Erklärung nach § 10 Stmk NSchG sei als eine absolut verbotähnliche Norm zu werten, weil gemäß § 12 Abs. 1 leg. cit Naturdenkmale durch menschliche Einwirkungen nicht zerstört, verändert oder in ihrem Bestand gefährdet werden dürften. Durch die Erklärung zum Naturdenkmal sei neben dem öffentlichen Gewässerbett auch die Wasserwelle miterfaßt. Diese Wasserwelle dürfe somit weder verändert noch in ihrem Bestand gefährdet werden. Diesbezüglich spiele es keine Rolle, ob die diesbezügliche Veränderung innerhalb des Naturdenkmalbereiches erfolge oder außerhalb desselben (Verwaltungsgerichtshof vom 25. Mai 1983, Zl. 83/10/0092). Die Entnahme von Wasser im und oberhalb des Naturdenkmalbereiches "A" dürfe somit nicht mehr erfolgen, weswegen die Errichtung einer Ausleitungswasserkraftanlage unzulässig sei.

Gegen den abweislichen Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 21 Abs. 2 Stmk NSchG erlischt eine Bewilligung nach (u.a.) § 6 Abs. 7, wenn binnen zwei Jahren nach Eintritt ihrer Rechtskraft hievon kein Gebrauch gemacht oder das Vorhaben binnen drei Jahren nach Beginn der Ausführung nicht vollendet wurde, soweit nicht im Bewilligungsbescheid selbst Fristen für den Beginn oder die Beendigung des Vorhabens festgesetzt sind.

Nach § 21 Abs. 3 leg. cit. ist die Rechtswirksamkeit einer Bewilligung auf Antrag um höchstens zwei Jahre zu verlängern, wenn ihr Inhaber glaubhaft macht, daß er an der rechtzeitigen Vollendung des Vorhabens oder am Gebrauch der Bewilligung ohne sein Verschulden verhindert war und wenn in der Zwischenzeit die Erteilung einer Bewilligung nicht unzulässig geworden ist.

Die belangte Behörde meint, die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung von der Art, wie sie der beschwerdeführenden Partei im Bescheid vom 17. April 1989 erteilt wurde, sei in der Zwischenzeit aufgrund der Naturdenkmalerklärung eines Teiles des G-Baches unzulässig geworden.

Die beschwerdeführende Partei hält dem entgegen, sie habe in der Beschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Naturdenkmalbescheid der belangten Behörde vom 23. April 1993 dargelegt, daß die Erklärung des Teilbereiches "A" des G-Baches, innerhalb dessen die Kraftwerkstufe M liege, rechtswidrig sei. Sofern der Verwaltungsgerichtshof diese Auffassung teile und aufgrund der Beschwerde die Naturdenkmalerklärung aufhebe, sei jedenfalls auch der angefochtene Bescheid vom 29. April 1993, mit dem der Fristverlängerungsantrag unter Hinweis auf die Naturdenkmalerklärung abgewiesen worden sei, rechtswidrig.

Mit hg. Erkenntnis vom 14. März 1994, Zl. 93/10/0116, wurde die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei gegen den Naturdenkmalbescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. April 1993 als unbegründet abgewiesen. Auf eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides kann sich die vorliegende Beschwerde daher nicht stützen.

Die beschwerdeführende Partei bringt weiters vor, der angefochtene Bescheid sei auch deswegen rechtswidrig, weil die belangte Behörde wegen der Naturdenkmalerklärung von vornherein verneine, daß eine Fristverlängerung möglich sei. Sie setze sich dabei überhaupt nicht näher mit der Frage auseinander, ob trotz der Erklärung des Teilbereiches "A" des G-Baches zum Naturdenkmal die naturschutzrechtliche Bewilligung zum Bau des Kraftwerkes verlängert werden könnte. Hätte die belangte Behörde diese Frage näher geprüft, so wäre sie zu der Auffassung gekommen, daß trotz der Naturdenkmalerklärung jenes Teilbereiches des G-Bachs, in dem das geplante Kraftwerk liege, eine Verlängerung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zu genehmigen sei. Der G-Bach sei zur Zeit durch das Kraftwerk P (und die damit verbundene künstliche Beileitung des L-Baches) im Bereich der zur Diskussion stehenden Strecke im Jahresdurchschnitt um mehr als 30 % künstlich überdotiert. Wenn man einen künstlich um mehr als 30 % überdotierten Bach zum Naturdenkmal erkläre, so müßte dies auch für den Fall eines Nettoeinzugs der Gesamtfracht von 16 % bei Errichtung des geplanten Kleinwasserkraftwerkes gelten. Es werde in diesem Zusammenhang auf Gutachten verwiesen, die die beschwerdeführende Partei eingeholt habe und die der belangten Behörde bekannt seien. Das Kraftwerksprojekt und eine Naturdenkmalerklärung seien somit selbst für den Fall miteinander verträglich, daß die Naturdenkmalerklärung rechtmäßig wäre.

§ 21 Abs. 3 Stmk NSchG verwehrt der Behörde die Verlängerung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, wenn in der Zwischenzeit die Erteilung einer Bewilligung unzulässig geworden ist. Ob eine solche Unzulässigkeit im Beschwerdefall vorliegt, hängt von den Auswirkungen der Naturdenkmalerklärung ab.

Nach § 12 Abs. 1 Stmk NSchG dürfen Naturdenkmale und geschützte Landschaftsteile durch menschliche Einwirkungen nicht zerstört, verändert oder in ihrem Bestand gefährdet werden; im übrigen gilt § 5 Abs. 5 bis 8 sinngemäß.

Nach § 12 Abs. 2 leg. cit. kann aus unabwendbaren Erfordernissen eine Veränderung, durch die ein Naturdenkmal oder ein geschützter Landschaftsteil nur eine geringfügige Einbuße erleidet, von der Bezirksverwaltungsbehörde bewilligt werden.

Die durch § 12 Abs. 1 letzter Halbsatz auf Naturdenkmale und geschützte Landschaftsteile für sinngemäß anwendbar erklärten Abs. 5 bis 8 des mit "Naturschutzgebiete" überschriebenen § 5 haben folgenden Wortlaut:

"(5) In einem Naturschutzgebiet dürfen keine die Natur schädigende, das Landschaftsbild verunstaltende oder den Naturgenuß beeinträchtigende Eingriffe vorgenommen werden; ausgenommen sind solche Eingriffe, die für den Schutzzweck erforderlich sind oder die ohne Verzug zur Beseitigung von das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftliche Schäden notwendig sind. Solche Eingriffe sind von dem, der sie vornimmt, der Bezirksverwaltungsbehörde binnen drei Tagen anzuzeigen.

(6) Die Behörde hat Ausnahmen vom Verbot des Abs. 5 zu bewilligen, wenn der Eingriff dem Zweck des Schutzes nicht widerspricht.

(7) In einer Ausnahmebewilligung sind Auflagen zur weitestgehenden Vermeidung der mit dem Eingriff verbundenen nachteiligen Folgen (§ 2 Abs. 1) vorzuschreiben.

(8) Die zeitgemäße, auf die naturräumlichen Voraussetzungen abgestimmte land-, forst-, jagd- und fischereiwirtschaftliche Nutzung wird durch eine Verordnung nach Abs. 1 nicht berührt, sofern nicht Beschränkungen nach Abs. 4 erlassen wurden."

Sowohl § 12 Abs. 2 Stmk NSchG als auch der durch § 12 Abs. 1 letzter Halbsatz für Naturdenkmale als sinngemäß anwendbar erklärte § 5 Abs. 6 leg. cit. scheinen eine an eine Bewilligung geknüpfte Zulässigkeit menschlicher Einwirkungen auf Naturdenkmale vorzusehen. Dies wirft die Frage auf, ob die genannten Bestimmungen auch im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangen und ob sie allenfalls eine menschliche Einwirkung der Art, wie sie vom geplanten Kraftwerk ausginge, zuließen. Wäre dies der Fall, könnte nicht mehr davon die Rede sein, daß durch die Naturdenkmalerklärung die Verlängerung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zum Kraftwerksbau unzulässig geworden sei.

§ 12 Abs. 2 Stmk NSchG sieht eine Bewilligung von Veränderungen "aus unabwendbaren Erfordernissen" vor. Hiezu führen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Stmk NSchG (Blg. 30 zu den stenografischen Berichten, Steiermärkischer Landtag, VIII. Periode, 1975, S. 40) aus:

"... neu ist im Abs. 2 die Zulassung geringfügiger

Änderungen, was jedoch als logische Folgerung der Praxis anzuerkennen ist. Unter diesen ist zu verstehen, daß einzelne dürre Äste oder solche, die ein Haus oder den Straßenverkehr gefährden, entfernt werden. Sonstige Schäden oder Gefährdungen, die durch das Gewicht weit ausladender Äste entstehen können, sind durch Pflegemaßnahmen (Zusammenspannen mit Ketten und Ringen) zu beheben."

Aus diesen Ausführungen in den Erläuterungen erhellt, daß unter "unabwendbaren Erfordernissen" nur Gefahren für Menschen oder Sachen oder ähnliche von einem Naturdenkmal ausgehende Wirkungen zu verstehen sind; nicht hingegen ist darunter die Errichtung eines Kraftwerkes zu verstehen. Schon aus diesem Grund kann § 12 Abs. 2 Stmk NSchG im Beschwerdefall nicht zur Anwendung kommen.

§ 12 Abs. 1 letzter Halbsatz Stmk NSchG ordnet die sinngemäße Geltung der Abs. 5 bis 8 des § 5 für Naturdenkmale und geschützte Landschaftsteile an. Die genannten Bestimmungen sollen aber nur "im übrigen" sinngemäß gelten. Aus der Stellung dieses Halbsatzes im unmittelbaren Anschluß an die Bestimmungen über das Verbot einer Zerstörung, Veränderung oder Bestandsgefährdung ergibt sich, daß § 5 Abs. 5 bis 8 nur dann zur Anwendung kommen soll, wenn nicht eine menschliche Einwirkung vorliegt, die als Zerstörung, Veränderung oder Bestandsgefährdung zu qualifizieren ist. Dies gilt auch für die Bewilligung von Veränderungen, da diese im § 12 Abs. 2 abschließend geregelt ist. § 5 Abs. 5 bis 8 Stmk NSchG könnte also bei menschlichen Einwirkungen auf Naturdenkmale oder geschützte Landschaftsteile nur dann zur Anwendung gelangen, wenn es sich um solche Einwirkungen handelt, die nicht als Zerstörung, Veränderung oder Bestandsgefährdung anzusehen sind. Menschliche Eingriffe von der Intensität der im § 5 Abs. 5 genannten, die nicht gleichzeitig dem Begriff der "Veränderung" zu unterstellen sind, sind begrifflich nicht möglich. Für die vom Gesetzgeber angeordnete sinngemäße Anwendung der Abs. 5 bis 8 des § 5 auf Naturdenkmale bleibt daher im Beschwerdefall kein Raum.

Durch die Verwirklichung des Kraftwerksprojektes der beschwerdeführenden Partei würde in der Naturdenkmalstrecke des G-Baches ein Nettoeinzug der Gesamtwasserfracht von 16 % eintreten. Dies stellt eine Veränderung des Naturdenkmales dar. Da die Voraussetzungen für die Genehmigung einer solchen Veränderung nach § 12 Abs. 2 Stmk NSchG nicht vorliegen und § 5 Abs. 6 leg. cit. - abgesehen davon, daß ein solcher Eingriff, wie sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten Universitätsgutachten ergibt, dem Zweck der Naturdenkmalerklärung zuwiderlaufen würde - auf Eingriffe, die als Veränderungen anzusehen sind, nicht anwendbar ist, ist die Realisierung des Kraftwerksprojektes aufgrund der Naturdenkmalerklärung unzulässig geworden. Daraus folgt, daß die belangte Behörde zu Recht die naturschutzrechtliche Bewilligung nicht verlängert hat.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 102/1991.

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