VwGH 93/08/0213

VwGH93/08/021331.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Dr. R in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30. Juli 1993, Zl. 120.950/4-7/93, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mP: 1. Marktgemeinde W, 2. Vlbg GKK, Dornbirn, 3. PVAdAng, Wien, 4. AUVA, Wien), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1165;
ASVG §4 Abs2;
ABGB §1165;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- und der mitbeteiligten Vorarlberger Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Mai 1992, Zl. 91/08/0026, verwiesen, mit dem der Bescheid der belangten Behörde vom 19. Dezember 1990 betreffend die Versicherungspflicht der beiden Gemeindeärzte der erstmitbeteiligten Gemeinde in näher bestimmten Zeiträumen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.

Mit dem angefochtenen Ersatzbescheid stellte die belangte Behörde in Abänderung des Einspruchsbescheides fest, daß die beiden Gemeindeärzte der erstmitbeteiligten Partei, nämlich Dr. Gerold S im Zeitraum vom 1. Jänner 1987 bis 31. März 1989 und der Beschwerdeführer im Zeitraum ab 1. Jänner 1987, nicht in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG zur erstmitbeteiligten Partei gestanden seien. In der Bescheidbegründung wurden zunächst der Gang des Verwaltungsverfahrens, die wesentlichen Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes, der Inhalt der zwischen den Gemeindeärzten und der erstmitbeteiligten Partei abgeschlossenen Verträge sowie die Aussagen des Bürgermeisters und des Gemeindesekretärs der erstmitbeteiligten Partei wiedergegeben und sodann festgestellt: Die beiden Ärzte seien mittels Vertrages mit der erstmitbeteiligten Partei mit Wirkung vom 1. Oktober 1987 zu Gemeindeärzten bestellt worden. Der Beschwerdeführer übe die Tätigkeit als Gemeindearzt nach wie vor aus, während Dr. S diese Tätigkeit am 31. März 1989 beendet habe. In Punkt I dieses Vertrages seien die einzelnen Aufgaben, die die Gemeindeärzte zu besorgen hätten, taxativ aufgezählt. Punkt II enthalte eine Aufteilung der Aufgaben zwischen den beiden Ärzten. Nach Punkt III erhielten die Ärzte ein Pauschalentgelt von S 435,-- pro angefangene 1000 Einwohner monatlich, incl. Vertretungskosten und Sonderzahlungen. Nach Punkt IV stehe beiden Ärzten ein Erholungsurlaub von vier Wochen und weitere zwei Wochen Urlaub für Fortbildung zu. Für die jeweilige Vertretung hätten sie gegenseitig einvernehmlich zu sorgen. Dasselbe gelte nach Punkt V für die Dauer einer Dienstverhinderung durch Unfall oder Krankheit. Für die beiden Gemeindeärzte hätte keine Bindung an einen Arbeitsort "in dem Sinn (bestanden), als die Gemeinde keine speziellen Räumlichkeiten zur Ausübung ihrer Tätigkeit zur Verfügung gestellt hat." Dennoch habe eine Bindung an bestimmte Arbeitsorte insofern bestanden, als die Gemeindeärzte Untersuchungen in Schulen, Kindergärten und im Seniorenheim vorzunehmen gehabt hätten. Eine fixe Arbeitszeit sei für sie vertraglich nicht vereinbart worden. Eine gewisse Bindung an eine Arbeitszeit habe lediglich darin bestanden, daß die Gemeindeärzte gewisse Tätigkeiten, wie etwa Schul- bzw. Kindergartenuntersuchungen nur während der Schul- bzw. Kindergartenzeit hätten ausüben können. Für die Prüfung der persönlichen Abhängigkeit der Gemeindeärzte bedürfe es insbesondere der Prüfung der Frage, ob sie an Ordnungsvorschriften über das arbeitsbezogene Verhalten gebunden, sowie den sich auf dieses Verhalten beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnissen der erstmitbeteiligten Partei unterworfen gewesen seien, ob also die beiden Gemeindeärzte hinsichtlich ihres arbeitsbezogenen Verhaltens unabhängig, d.h. berechtigt gewesen seien, den Ablauf der Arbeit selbst zu regeln und jederzeit zu ändern, ohne daß der erstmitbeteiligten Partei diesbezüglich Weisungs- und Kontrollbefugnisse zugekommen seien. Der zwischen der erstmitbeteiligten Partei und den Gemeindeärzten abgeschlossene Vertrag enthalte weder Bestimmungen über den Ablauf der Tätigkeit noch solche, die auf ein bestimmtes Verhalten bei Erfüllung der Aufgaben bezogen seien. In der Niederschrift vom 16. Mai 1990 hätten die beiden Ärzte sowie der Gemeindesekretär der erstmitbeteiligten Partei übereinstimmend angegeben, daß es den Gemeindeärzten selbst überlassen gewesen sei zu entscheiden, wann sie welche Maßnahmen in welchem Ausmaß zur Erfüllung der im Vertrag festgesetzten Aufgaben setzten. Diese Aussagen seien durch jene des Bürgermeisters und des Gemeindesekretärs der erstmitbeteiligten Partei im fortgesetzten Verfahren am 14. Jänner 1993 nochmals ausdrücklich bestätigt worden. Nach Wiedergabe der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur "stillen Autorität" führt die belangte Behörde aus, es könne im Beschwerdefall auch nicht von einer stillen Autorität der erstmitbeteiligten Partei gesprochen werden, weil nach den Ermittlungsergebnissen eine Weisungs- und Kontrollunterworfenheit (bezüglich des arbeitsbezogenen Verhaltens) nicht gegeben gewesen sei. Zwar habe kein generelles Vertretungsrecht der Gemeindeärzte bestanden, wohl aber hätten sie einzelne Tätigkeiten (z.B. die Beiziehung im Bauverfahren) gänzlich ablehnen können, ohne daß sich daraus für sie irgendwelche Konsequenzen ergeben hätten. Aufgrund all dieser Umstände hätten im Rechtsverhältnis zwischen den Gemeindärzten und der erstmitbeteiligten Partei die Merkmale persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG nicht überwogen. Da auch keine wirtschaftliche Abhängigkeit vorgelegen sei, seien versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse der Gemeindeärzte zur erstmitbeteiligten Partei in den relevanten Zeiträumen zu verneinen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber ebenso wie die mitbeteiligten Parteien (mit Ausnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß sich die Feststellung der belangten Behörde, es hätte keine Weisungs- und Kontrollunterworfenheit der Gemeindeärzte gegeben, nahezu ausschließlich auf die Aussagen des Bürgermeisters und des Gemeindesekretärs der mitbeteiligten Gemeinde im fortgesetzten Verfahren stütze. Auf die Aussage des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom 16. Mai 1990, aus der hervorgehe, daß er selbst sehr wohl aus dem Gemeindevertrag eine Weisungs- und Kontrollberechtigung des Bürgermeisters und der Gemeinde ihm gegenüber herauslese und sich auch tatsächlich an Weisungen des Bürgermeisters gebunden erachte, sei die belangte Behörde ebenso wenig eingegangen wie auf den genauen Wortlaut des Vertrages. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hätte die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren auch den Beschwerdeführer vernehmen müssen, um sich über die tatsächliche Vertragserfüllung durch ihn ein Bild zu verschaffen.

Diese Einwände sind unbegründet. Zunächst ergibt sich weder aus dem Bestellungsvertrag noch aus der niederschriftlichen Vernehmung des Beschwerdeführers vom 16. Mai 1990 das Bestehen einer Weisungs- und Kontrollberechtigung der erstmitbeteiligten Partei hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens des Beschwerdeführers; es ist aus der genannten Niederschrift aber auch nicht abzuleiten, daß der Beschwerdeführer selbst davon ausgegangen sei. Denn er hat darin außer den in der Bescheidbegründung wiedergegebenen Passagen der Niederschrift ausgeführt, er sei grundsätzlich in seiner Tätigkeit als Gemeindearzt weisungsfrei, es komme allerdings in Einzelfällen schon hin und wieder vor, daß er an Weisungen des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei gebunden sei, und zwar insbesondere in Angelegenheiten, die mit finanziellem Aufwand verbunden seien. Hiebei handle es sich z.B. um schulische Hygieneangelegenheiten. Spezielle arbeitsbezogene (fachbezogene) Weisungen habe es nicht gegeben und gebe es nicht. In heiklen Angelegenheiten, durch die der erstmitbeteiligten Gemeinde zusätzliche Kosten entstehen könnten, befrage er den Bürgermeister. Eine Arbeitszeitbindung bestehe nirgends. Diese Teile seiner Aussage können im Zusammenhang mit den anderen wohl nur so verstanden werden, daß sich der Beschwerdeführer verpflichtet erachtete (oder auch verpflichtet war), vor der Durchführung bestimmter beabsichtigter Maßnahmen Rücksprache mit dem Bürgermeister der erstmitbeteiligten Gemeinde, vor allem wegen der finanziellen Auswirkungen, zu halten. Eine solche Verpflichtung und die ihr korrespondierende Berechtigung des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Gemeinde bezog sich aber nicht auf das arbeitsbezogene Verhalten, sondern diente nur der Bestimmung des sachlichen Umfangs bzw. der näheren Umschreibung eines herzustellenden Arbeitserfolges, und dies auch nur in Teilbereichen der Tätigkeit des Beschwerdeführers. Ein solches ziel- oder ergebnisorientiertes (sachliches) Weisungsrecht ist sogar Werksvertragsverhältnissen eigen, insoweit der Werkbesteller im allgemeinen das Recht besitzt, während des Entstehens des bedungenen Werkes spezielle Wünsche zu äußern oder seine Zielvorstellungen zu konkretisieren (vgl. dazu Löschnigg, in der Entscheidungsanmerkung DRdA 1992, 296). Zu der ihm übermittelten Niederschrift über die Vernehmung des Bürgermeisters und des Gemeindesekretärs der erstmitbeteiligten Partei im fortgesetzten Verfahren hat sich der Beschwerdeführer aber trotz gebotener Gelegenheit nicht geäußert. Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf die eben genannten Umstände eine neuerliche Vernehmung des Beschwerdeführers nicht für erforderlich erachtete, sondern ihre Feststellungen vor allem auf die Aussagen der beiden im fortgesetzten Verfahren vernommenen Personen stützte, von denen sie - nach den obigen Darlegungen berechtigterweise - ausführte, sie stünden im Einklang mit der Aussage des Beschwerdeführers selbst, so ist dies weder unschlüssig noch mit Verfahrensmängeln behaftet.

Ausgehend von diesen Feststellungen und unter Bedachtnahme auf die sowohl im Vorerkenntnis als auch in der Bescheidbegründung wiedergegebenen Rechtsätze des Verwaltungsgerichtshofes zum Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG ist der angefochtene Bescheid aber auch nicht mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet. Die belangte Behörde hat vielmehr mit Recht eine Bindung des Beschwerdeführers an Ordnungsvorschriften über Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten verneint. Der Beschwerdeführer verkennt in seinen Beschwerdeausführungen über bestehende örtliche und zeitliche Bindungen sowie seine grundsätzlich persönliche Arbeitspflicht, daß weder die (selbst auf längere Zeit übernommene) Verpflichtung, die vereinbarten Dienstleistungen persönlich zu erbringen, noch längerfristige Bindungen einer Person an Arbeitsort und Arbeitszeit notwendigerweise ihre persönliche Abhängigkeit vom Empfänger der Arbeitsleistung indiziieren, weil und insofern die zuletzt genannten Bindungen - so wie nach zutreffender Annahme der belangten Behörde im Beschwerdefall - in sachlichen Erfordernissen ihren Grund haben (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis vom 19. März 1984, Slg. Nr. 11361/A). Unzutreffend ist schließlich das Vorbringen in der Beschwerde, es könne aus der im Vertrag enthaltenen genauen, aber nicht taxativen, sondern nur demonstrativen Aufzählung der einzelnen Aufgabenbereiche, die der Beschwerdeführer wahrzunehmen habe, nichts anderes als eine Bindung an Weisungen betreffend das arbeitsbezogene Verhalten abgeleitet werden. Denn bei der im Vertrag enthaltenen Aufzählung der Aufgabenbereiche handelt es sich lediglich um die Festlegung des Gegenstandes der Tätigkeiten des Beschwerdeführers, die von der im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Modalität ihrer Ausführung zu unterscheiden ist. Selbst wenn man aber - entgegen den Feststellungen der belangten Behörde - davon ausginge, es seien die Aufgabenbereiche nicht taxativ, sondern nur demonstrativ im Vertrag aufgezählt, und es sei demgemäß die mitbeteiligte Gemeinde berechtigt, den sachlichen Umfang der Tätigkeit des Beschwerdeführers über den im Vertrag genannten hinaus zu erweitern, wäre damit, wie bereits oben ausgeführt wurde, nur ein sachliches, nicht aber ein auf das arbeitsbezogene Verhalten gerichtetes persönliches Weisungsrecht statuiert.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte