VwGH 93/07/0137

VwGH93/07/013719.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde 1.) des G in F und 2.) des P in F, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 10. August 1993, Zl. 411.067/02-I4/93, betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 2. September 1992 wurde u.a. ein Antrag der Beschwerdeführer um Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung abgewiesen und den Beschwerdeführern ein wasserpolizeilicher Auftrag erteilt. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 3. September 1992 zugestellt.

Mit Eingabe vom 16. Dezember 1992 beantragten die Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und legten eine entsprechende Berufung vor.

Mit Bescheid vom 15. Februar 1993 wies der Landeshauptmann von Kärnten den Wiedereinsetzungsantrag ab. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen damit, die Beschwerdeführer hätten im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt, daß ihre Rechtsvertreter ihre Überwachungspflicht (gegenüber seinen Kanzleiangestellten) tatsächlich gehandhabt hätten.

Die Beschwerdeführer beriefen.

Mit Bescheid vom 10. August 1993 wies die belangte Behörde die Berufung ab. In der Begründung heißt es, die Tatsache, daß die Kanzleileiterin schon viele Jahre fehlerlos gearbeitet habe, befreie den Rechtsanwalt nicht von der Verpflichtung, trotzdem einer entsprechenden ausreichenden Überwachung der wichtigsten Kanzleiarbeiten, wie der Eintragung der Fristen, nachzukommen. Da der Vertreter der Beschwerdeführer es versäumt habe, das Vorliegen dieser notwendigen Maßnahmen nachzuweisen, habe der Berufung mangels Vorliegens der Voraussetzungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Erfolg beschieden sein können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführer bringen vor, die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten nicht dargetan, daß sie ihrer Überwachungspflicht nachgekommen seien, sei unrichtig. Aus dem Wiedereinsetzungsantrag ergebe sich implizit, daß der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer sehr wohl nicht nur seiner Überwachungspflicht nachgekommen sei und diese gehandhabt habe, sondern daß er seine Kanzleileiterin offensichtlich so gut geschult habe, daß es innerhalb von 27 Jahren niemals zu einer Fehlleistung gekommen sei. Ein diesbezügliches Vorbringen "expressis verbis" sei für die Stattgebung eines Wiedereinsetzungsantrages nicht unumgänglich notwendig, wenn jene Person, deren Fehlleistung zur Versäumung der Frist geführt habe, durch 27 Jahre hindurch fehlerlos gearbeitet habe. Allein aus der langen Dauer von fehlerfreien Arbeiten der Kanzleileiterin in einer Kanzlei ergebe sich schon die hohe Qualifikation der Arbeitskraft und damit die vollkommene Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit des Ereignisses (Versäumung der Fristeintragung), wobei eine solche lange Dauer ohne irgendeine Fehlleistung wohl nur durch besondere Qualifikation, Schulung und Überwachung zustandekommen könne.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 71 Abs. 1 lit. a AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Die Beschwerdeführer machen geltend, die Versäumung der Berufungsfrist gehe auf einen Fehler der Kanzleileiterin ihrer Rechtsvertreter zurück.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. den Beschluß vom 7. April 1992, Zl. 92/08/0059) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.

Der Rechtsanwalt muß gegenüber seiner Kanzlei als seinem Hilfsapparat, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und in dem Ausmaß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumnis in Betracht. Insbesondere muß der betroffene Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Zl. 86/16/0194 u.a.).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig einer Kanzleikraft überlassen. Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich, denn er selbst hat die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen, und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks, betraut worden ist und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein soll (vgl. den hg. Beschluß vom 21. Oktober 1992, Zlen. 92/02/0247, 0248, 0249 u.a.).

Das, was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Pflicht zur Überwachung seines Kanzleipersonals hinsichtlich der richtigen Vormerkung von Terminen vorgekehrt hat, hat er im Wiedereinsetzungseintrag substantiiert zu behaupten (vgl. neuerlich den hg. Beschluß vom 21. Oktober 1992, Zlen. 92/02/0247 u.a.).

Die Beschwerdeführer brachten im Wiedereinsetzungsantrag - und auch in der Beschwerde - lediglich vor, die Berufungsfrist sei deswegen versäumt worden, weil die Kanzleileiterin der Vertreter der Beschwerdeführer einen Fehler gemacht habe. Dies sei unvorhersehbar bzw. unabwendbar gewesen, weil es sich um eine Bedienstete handle, die seit 27 Jahren fehlerfrei ihren Dienst versehe.

Mit diesem Vorbringen wird nicht dokumentiert, daß die Vertreter der Beschwerdeführer ihrer Überwachungspflicht, die auch gegenüber verläßlichen Bediensteten besteht, nachgekommen sind. Ihr Vorbringen konnte daher nicht zur Stattgebung ihres Wiedereinsetzungsantrages führen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

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