VwGH 93/07/0104

VwGH93/07/010418.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des C in D, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des LAS beim Amt der Krnt LReg vom 19. April 1993, Zl. Agrar 11-117/6/93, betreffend Beschwerde gegen einen Vollversammlungsbeschluß (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft S, vertreten durch den Obmann W), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §901;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
FlVfGG §31;
FlVfGG §36;
FlVfLG Krnt 1979 §93 Abs2 litd;
VwRallg;
ABGB §901;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
FlVfGG §31;
FlVfGG §36;
FlVfLG Krnt 1979 §93 Abs2 litd;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Vollversammlung der mitbeteiligten Partei am 6. Juni 1985 wurde einstimmig - auch mit der Stimme des Beschwerdeführers - der Bau einer Forststraße und die Tragung der Kosten "je zu einem Drittel" beschlossen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor vom 27. November 1985 wurde der mitbeteiligten Partei die forstrechtliche Bewilligung zur Errichtung der Forststraße "S-Alpe" erteilt. Als Fertigstellungstermin wurde der 31. Dezember 1990 festgelegt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor vom 19. November 1990 wurde diese Frist bis 31. Dezember 1993 erstreckt.

Am 30. August 1991 fand eine außerordentliche Vollversammlung der mitbeteiligten Partei statt, an der nur der Obmann und der Beschwerdeführer teilnahmen. Auf der Tagesordnung dieser Vollversammlung stand unter anderem die Frage, ob die Forststraße weitergebaut werden solle. Im Protokoll heißt es dazu, der Beschwerdeführer sei gegen den Weiterbau, der Obmann für den Weiterbau der genehmigten Forststraße. Dem Obmann kamen mehr Stimmen zu als dem Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer legte bei der Agrarbezirksbehörde Villach (ABB) Minderheitenbeschwerde gegen den Beschluß über den Weiterbau der Forststraße ein. Er erklärte, der Weiterbau könne aus Mitteln der Agrargemeinschaft nicht bezahlt werden; er sehe sich aber außerstande, aus dem Talbetrieb die nötigen Mittel zuzuschießen, da er diesen damit in seiner Existenz gefährden würde. Schon für die bisherigen Maßnahmen hätten Fremdmittel in größerem Maß für die Agrargemeinschaft aufgenommen und auch Eigenmittel aufgebraucht werden müssen, denen keine Erlöse in vergleichbarem Maß aus der S-Alpe gegenüberstünden. Eine weitere Verschuldung könne der Beschwerdeführer jedenfalls nicht übernehmen. Für den Zweck der Agrargemeinschaft, die Almbewirtschaftung, sei die geplante Forststraße nicht unbedingt notwendig, da sie der Forstwirtschaft und nicht der Almwirtschaft diene. Für die Prüfung der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der Forststraße zur Waldbewirtschaftung erscheine die vorherige Wirtschaftlichkeitsprüfung im Zuge der beschlossenen Erstellung eines Waldwirtschaftsplanes erforderlich. Für die primäre Aufgabe der Agrargemeinschaft, die Almbewirtschaftung, seien dringende Arbeiten erforderlich, die aus Mitteln der Gemeinschaft derzeit ebenfalls nicht getragen werden könnten. Als solche seien Schwendarbeiten und die dringend erforderliche Sanierung des Almgebäudes zu nennen. Aus den genannten Gründen ersuche er, den Beschluß der Agrargemeinschaft auf Weiterbau der Forststraße aufzuheben und erkläre gleichzeitig seine Bereitschaft, einem Weiterbau bis zum Beginn der im Projekt vorgesehenen nächsten Wegkehre zuzustimmen.

Mit Bescheid der ABB vom 11. März 1992 wurde die Minderheitenbeschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 51 Abs. 2 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 (FLG 1979) in Verbindung mit dem geltenden Verwaltungsstatut der mitbeteiligten Partei als unbegründet abgewiesen. In der Begründung heißt es, eine Überprüfung habe ergeben, daß die Beschlußfassung anläßlich der Vollversammlung vom 30. August 1991 keine Erweiterung des inzwischen in Bau befindlichen Forststraßenprojektes darstelle, sondern lediglich eine Bekräftigung des Beschlusses vom 6. Juni 1985 erfolgen sollte. Aus diesem Blickwinkel betrachtet scheine der beschwerdegegenständliche Beschluß keinerlei nicht schon bekannte und überdies einvernehmlich festgelegte finanzielle Belastungen für die anteilsberechtigten Liegenschaften mit sich zu bringen, sodaß auch den Beschwerdeführer keine über den Beschluß vom 6. Juni 1985 hinausgehende Belastung treffe. Aus allgemein-wirtschaftlicher und insbesondere aus forstwirtschaftlicher Sicht erscheine es für die Behörde auch nicht zielführend zu sein, eine einmal erhaltene Baugenehmigung, welche mit einer Fertigstellungsfrist beschränkt sei, verfallen zu lassen und für den Fall des Weiterbaues der Forststraße neuerlich alle behördlichen Genehmigungen einzuholen.

Der Beschwerdeführer berief und machte geltend, der Bescheid der ABB stütze sich auf den Vollversammlungsbeschluß vom 6. Juni 1985, obwohl in der Zwischenzeit grundlegende Veränderungen in wirtschaftlicher Hinsicht eingetreten seien. Die zum Zeitpunkt der ersten Beschlußfassung angenommenen Baukosten je Laufmeter Weg seien auf der bisher erbauten Teilstrecke wesentlich überschritten worden. Es sei anzunehmen, daß in dem in Frage stehenden letzten Teilstück, welches geländemäßig bei weitem das schwierigste sei, weitere Kostenüberschreitungen stattfänden, die durch den anfallenden Holzerlös keinesfalls mehr abgedeckt werden könnten. Damit würde der Wegbau zum Selbstzweck und stehe im Widerspruch zum Wirtschaftsplan des Generalaktes der Agrargemeinschaft, in welchem das auf der Alpe stockende Holz in erster Linie dem Alpsbedarf zu dienen habe. Der Alpsverbesserung diene der Weg aber keinesfalls. Durch den geplanten Wegbau müßten dringend notwendige Almsanierungsarbeiten wie Hütten- und Käsereirenovierung, die ebenfalls schon beschlossen seien, hintangestellt werden bzw. könnten gar nicht realisiert werden. Seit dem ersten Beschluß zum Forststraßenbau habe es eine Weiterentwicklung am forsttechnischen Sektor gegeben. Es wäre zu prüfen, ob der geplante Forststraßenbau noch dem Stand der Technik entspreche und wirtschaftlich sei. Nach Überzeugung des Beschwerdeführers wäre die heute mögliche Bringung mittels Seilkranes wesentlich wirtschaftlicher und almschonender. Nach Meinung des Beschwerdeführers könne es nicht so sein, daß auf einem vor Jahren gefaßten Beschluß unter Außerachtlassung wesentlicher Veränderungen in der Zwischenzeit beharrt werde.

Die belangte Behörde ließ durch die Landesforstdirektion ein Gutachten erstellen, welches sich mit der Frage beschäftigte, wie die bisherige Holzbringung aus den zum Forstaufschließungsweg gravitierenden Waldflächen der mitbeteiligten Partei erfolgte, ob diese Bringungsart noch wirtschaftlich und zeitgemäß sei, ob dem Forstaufschließungsweg gegenüber der vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Seilbringung der Vorzug zu geben sei, welche Waldfläche durch den Forstaufschließungsweg aufgeschlossen werden könne, wie hoch die Baukosten seien und welche Förderung bewilligt worden sei und ob die auf die mitbeteiligte Partei entfallenden Baukosten durch Holzverkäufe aus den ihr gehörenden Waldflächen abgedeckt werden könnten.

Der Amtssachverständige für Forsttechnik führte in seinem Gutachten vom 7. Jänner 1993 aus, laut Auskunft ortsansässiger Grundeigentümer sei das Holz in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg durch Pferde gerückt worden. Im Jahre 1953 sei es in den zu erschließenden Bereichen zur vorerst letzten Nutzung gekommen. Damals sei eine ca. 4 km lange Langstreckenseilbahn dem Graben entlang bis N errichtet worden. Im Hinblick auf die Entwicklung der Lohn- und Materialkosten im Verhältnis zu den erzielbaren Holzerlösen und der Entwicklung der Technik müßten die genannten Bringungsvarianten als unwirtschaftlich und unzeitgemäß beurteilt werden.

Zur Frage, ob dem Forstaufschließungsweg gegenüber der vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Seilbringung der Vorzug zu geben sei, führte der Sachverständige aus, aus forstfachlicher Sicht sei ein Wegebau als Grunderschließung mit der Möglichkeit für die Eigentümer, die in Wegnähe liegenden Flächen selbständig mittels Traktoranbauwinde zu nutzen, die ideale Lösung. Bei einer Seilbringung (mittels Seilkran) ohne Wegebau würde sich die Bringungsentfernung auf 370 bis 750 m verlängern, im Mittel auf 560 m. Hier müßten größere Seilkräne in der Kategorie bis 500 m bzw. bis 800 m Reichweite eingesetzt werden. Grundsätzlich müsse gesagt werden, daß sich die Kosten der Seilbringung mit zunehmender Bringungsentfernung erhöhten. Dies bedeute, daß sich jede wirtschaftliche Seilbringung an der zu erwartenden Holzmenge und der Bringungsdistanz orientiere. Da die zukunftsweisenden, naturnahen Nutzungsmethoden verstärkt auf kleinflächige und einzelstammweise Nutzungen abzielten, sei die Grunderschließung in Verbindung mit der Reduktion der Bringungsentfernung die Voraussetzung einer rentablen Seilbringung.

Durch die Weganlage werde eine Waldfläche von 45 ha einer zeitgemäßen Erschließung zugeführt.

Die Gesamtkosten für den Wegebau betrügen S 1,085.000,--; bei einer zugesicherten Förderungshöhe von 40 % der Baukosten seien Förderungsmittel des Bundes und des Landes Kärnten in Höhe bis zu ca. S 400.000,--, je nach tatsächlich abgerechneten Baukosten, zu erwarten.

Um die Frage beantworten zu können, ob die auf die Agrargemeinschaft entfallenden Baukosten durch Holzverkäufe aus dem ihr gehörenden Wald abgedeckt werden könnten, sei es nötig, die Bestockungsverhältnisse in den zu erschließenden Waldflächen zu beurteilen. Dies sei durch stichprobenartige Baumhöhenmessung und Altersfeststellung mittels Zuwachsbohrer erfolgt. Über die Hilfstafeln für die Forsteinrichtung sei für Fichte die 7., für Buche die 5. Ertragsklasse ermittelt worden. Der am Ort stockende Holzvorrat je Hektar sei mit 250 bis 300 Vfm/ha erhoben worden. Dieser durchschnittliche Vorrat ergebe multipliziert mit der Fläche rund 10.000 Erntefestmeter an Forstprodukten. Bei einem Eigenleistungsanteil der Agrargemeinschaft von 60 % an den Gesamtbaukosten (maximal ca. S 600.000,--) und einem zu erwartenden durchschnittlichen Holzerlös von S 500,--/fm frei Straße sei davon auszugehen, daß sämtliche Baukosten durch Holzverkäufe aus den Waldflächen der Agrargemeinschaft abgedeckt werden könnten.

In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten brachte der Beschwerdeführer vor, der Gutachter habe nicht berücksichtigt, daß durch den Bau eines Almaufschließungsweges eine Grunderschließung für die Parzelle 3029/1 bereits gegeben sei, die einen Seilkraneinsatz ohne Wegebau ermögliche. Bei der Berechnung der Baukosten sei dem forsttechnischen Amtssachverständigen ein Rechenfehler unterlaufen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf S 1,295.000,-- statt S 1,085.000,--. Bei der Beurteilung des Erlöses aus den Holzverkäufen werde von 10.000 Erntefestmetern als Grundlage ausgegangen. Im Jahre 1953 seien aber 4.000 fm, das gesamte schlagbare Holz, entnommen worden. Der Holzerlös frei Straße von S 500,-- sei derzeit in dieser Lage bestimmt nicht erzielbar. Nach Abzug der Schlägerungs- und Lieferungskosten (Seilkran S 300,--/fm; Schlägerung S 250,--/fm) ergebe sich auch bei der angenommenen Rechnung kein gewinnbringender Holzerlös, sondern ein Defizitgeschäft. Zum Beleg dafür werde auf den erzielten Holzerlös der K.-Alpe im Dezember 1992 hingewiesen.

Bei der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 19. April 1993 gab der Beschwerdeführer an, der im Jahr 1985 beschlossene Forstwegebau sei deshalb nicht weitergeführt worden, weil die Alm durch einen anderen Weg erschlossen worden sei. Im Jahre 1988 sei eines der drei Agrargemeinschaftsmitglieder in finanzielle Schwierigkeiten geraten und deshalb gezwungen gewesen, seinen Anteil im Jahr 1989 zu verkaufen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. April 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der ABB vom 11. März 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Agrarverfahrensgesetz (AgrVG 1950) als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung heißt es, der Beschwerdeführer stelle nicht das formelle Zustandekommen des Vollversammlungsbeschlusses vom 30. August 1991 in Frage, sondern vielmehr dessen materiellen Gehalt. Bei einer Überprüfung des Berufungsaktes trete als Ergebnis des vor der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens jedoch zweifelsfrei zutage, daß für den Beschwerdeführer durch den Beschluß vom 30. August 1991 keinerlei Beschwer zu erblicken sei. So sei zunächst die Rechtsansicht der ABB zu teilen, derzufolge bereits mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Beschluß vom 6. Juni 1985 die Realisierung des vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogenen Forststraßenprojektes beschlossen worden sei. Eine Erweiterung oder Abänderung des inzwischen in Bau befindlichen Projektes sei nicht erfolgt. In diesem Lichte betrachtet, komme auch dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers nur untergeordnete Bedeutung zu, demzufolge er befürchte, daß als Folge der derzeitigen Holzpreissituation die Realisierung des am 6. Juni 1985 rechtskräftig beschlossenen Forststraßenprojektes unwirtschaftlich sei. Diesem Argument sei aber auch entgegenzuhalten, daß nach dem Ergebnis des vor der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Errichtung der Weganlage zwar eine vorübergehende Schmälerung des agrargemeinschaftlichen Vermögens bedeute, aber keine nachhaltige Gefährdung des Gemeinschaftsbesitzes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren sowie in seinem aus seiner Mitgliedschaft bei der mitbeteiligten Partei erfließenden Recht auf aufsichtsbehördliche Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsrechte sowie auf Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Satzungskonformität von Mehrheitsentscheidungen gemäß § 51 FLG 1979 in Verbindung mit dem geltenden Verwaltungsstatut als verletzt.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe bereits in seiner Minderheitenbeschwerde vom 6. September 1991 darauf aufmerksam gemacht, daß auf Grund der Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage der Ausbau der Forststraße nicht aus Mitteln der Agrargemeinschaft bezahlt werden könne. Eine Abdeckung des Fehlbetrages aus dem Talbetrieb würde auch diesen in seinem Bestand gefährden. Die logische Folge wäre der finanzielle Ruin nicht nur der Agrargemeinschaft, sondern auch des Beschwerdeführers. Auf diese Argumente sei die belangte Behörde ebensowenig eingegangen wie auf die Vereinbarkeit des Forststraßenausbaues mit dem eigentlichen Zweck der Agrargemeinschaft, der Almbewirtschaftung. Tatsächlich seien während der vergangenen Jahre dringende Sanierungsarbeiten am Almgebäude sowie Schwendarbeiten notwendig geworden, ohne die ein weiterer ungestörter Ablauf des Almbetriebes nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. Der Plan zum Bau der Forststraße resultiere aus einer Zeit, in der diese Schäden nicht absehbar gewesen seien. Die nunmehrigen geänderten Verhältnisse ließen die Beibehaltung dieses Planes nicht mehr zu, ohne die Almbewirtschaftung und damit den Zweck der Gemeinschaft in Frage zu stellen.

Das Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen sei unschlüssig und unvollständig. Der Beschwerdeführer habe dagegen eine Reihe von Einwänden erhoben, mit denen sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt habe.

Dem von der Agrargemeinschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts zu beachtenden Sachlichkeitsgebot widerspreche es, wenn die aus einem Beschluß resultierenden Verpflichtungen zu einer ungleichen Belastung der Mitglieder der Gemeinschaft führen würden. Eine solche Ungleichheit werde jedoch bei der Umsetzung des Beschlusses vom 30. August 1991 bewirkt, da lediglich der Mehrheitsanteilseigner der Agrargemeinschaft in der Lage sei, den Wegbau aus der Stammsitzliegenschaft zu finanzieren. Der Beschwerdeführer selbst sei hingegen beim bestehenden Almaufschließungsweg "S-Alpe" mit Rückzahlungsverpflichtungen in der Höhe von S 100.000,-- belastet. Die nunmehr in Aussicht gestellte zusätzliche finanzielle Verpflichtung könnte in voller Höhe weder aus seinem Anteil an der Agrargemeinschaft noch aus der Stammsitzliegenschaft beglichen werden.

Nach dem Wirtschaftsplan der mitbeteiligten Partei handle es sich bei der S-Alpe vorwiegend um eine Rinderalpe. Die Holznutzung habe nur ergänzende Funktion. Das auf der Alpe stockende Holz solle in erster Linie dem Alpbedarf dienen. Nun möge es zwar durchaus zutreffen, daß vor nahezu 10 Jahren, als der ursprüngliche Beschluß zur Errichtung der Forststraße gefaßt worden sei, dieser durchaus auch von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet vernünftig und dem Gesamtwohl der Alpe zuträglich gewesen sei. Auf Grund der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse könne davon aber keine Rede mehr sein. Vielmehr müsse jetzt an die Sanierung der Alm, namentlich die Hütten- und Käsereienrenovierung, gegangen werden. Diese bereits beschlossenen Renovierungsarbeiten würden auf Grund der langfristigen Verschuldung durch den Bau der Forststraße nicht nur hintangestellt, sondern überhaupt ernstlich gefährdet. Hiezu trete der Umstand, daß der Bringungsweg der Alpbewirtschaftung in keiner Weise dienlich sei. Die belangte Behörde hätte im Rahmen der ihr zukommenden Aufsichtspflicht zunächst die allgemeine finanzielle Lage der mitbeteiligten Partei zu prüfen gehabt. Dabei hätte festgestellt werden müssen, daß die mitbeteiligte Partei bereits derzeit Schulden aus den bisherigen Wegbauten in der Höhe von mehreren hunderttausend Schilling habe, die nicht abgedeckt werden könnten.

Da der beschlossene Weg nicht der Erfüllung der mit der Verwaltung der Agrargemeinschaft primär verbundenen Zielvorstellungen diene und den durch den Wirtschaftsplan gezogenen Rahmen verlasse, stelle sich überhaupt die Frage, ob die Errichtung des Weges zum Gegenstand eines Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung habe gemacht werden können oder ob es sich nicht vielmehr um eine privatrechtliche Willensübereinkunft handle. Als solche habe der Beschluß aber nur unter den 1985 geltenden Bedingungen Gültigkeit; diese seien aber nicht mehr gegeben, weil die forstbehördlich gesetzte Bauvollendungsfrist 1990 erloschen sei.

Selbst wenn man nicht der Meinung sei, daß der Beschluß aus dem Jahr 1985 eine privatrechtliche Übereinkunft sei, dürfe nicht übersehen werden, daß die von der Forstbehörde gesetzte Ausführungsfrist für den Forstwegebau erloschen sei. Der Mangel einer Verlängerung dieser Frist könne auch nicht durch einen Bescheid der Agrarbehörde ersetzt werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Bau der Forststraße, um deren Weiterbau es im Beschwerdefall geht, wurde 1985 von der Vollversammlung der mitbeteiligten Partei einstimmig, d.h. auch mit der Stimme des Beschwerdeführers, beschlossen. Nach § 7 Pkt. 5 der Satzung der mitbeteiligten Partei können gegen Mehrheitsbeschlüsse die überstimmten Mitglieder aus triftigen Gründen binnen acht Tagen bei der Agrarbezirksbehörde Beschwerde führen, müssen sich aber dem instanzenmäßigen Ausspruche der Behörde fügen.

Nach § 3 Pkt. 2 dieser Satzung sind die Gemeinschaftsmitglieder verpflichtet, die Satzungen, die von der Vollversammlung und vom Vorstand gefaßten Beschlüsse sowie die Bestimmungen des Wirtschaftsplanes genau zu beachten, die Interessen der Gemeinschaft in jeder Beziehung zu wahren und die aus ihrer Mitgliedschaft entspringenden Leistungen zu erbringen.

Aus diesen Bestimmungen geht hervor, daß Beschlüsse der Vollversammlung der mitbeteiligten Partei zwar unter gewissen Voraussetzungen bekämpft werden können; sind diese Voraussetzungen aber nicht gegeben, wie dies im Beschwerdefall in bezug auf den Beschluß aus dem Jahr 1985 der Fall war, weil er einstimmig gefaßt wurde, oder wurden die in der Satzung vorgesehenen Möglichkeiten zur Bekämpfung eines Beschlusses nicht genutzt, dann entfaltet dieser grundsätzlich gegenüber den Mitgliedern Bindungswirkung und kann nicht mehr bekämpft werden.

Das wirft die Frage auf, ob die mitbeteiligte Partei überhaupt verpflichtet war, sich in einer neuerlichen Vollversammlung mit der Frage des Weiterbaues zu beschäftigen bzw. die Durchführung des seinerzeitigen Baubeschlusses auszusetzen oder zu beenden. War dies nämlich nicht der Fall, dann wurde der Beschwerdeführer auch nicht dadurch in einem Recht verletzt, daß die mitbeteiligte Partei im Jahr 1991 den Weiterbau des Forstweges beschloß.

Der Beschwerdeführer meint, der Beschluß aus dem Jahr 1985 sei nicht mehr maßgeblich, weil sich in der Zwischenzeit die Verhältnisse entscheidend geändert hätten. Er geht demnach davon aus, daß die Bindungswirkung von Vollversammlungsbeschlüssen der mitbeteiligten Partei davon abhängt, daß sich seit der Beschlußfassung der maßgebliche Sachverhalt nicht geändert hat.

Weder das FLG 1979 noch die Satzung der mitbeteiligten Partei enthalten eine ausdrückliche Regelung darüber, welche Auswirkungen eine Änderung des zum Zeitpunkt der Beschlußfassung gegebenen Sachverhaltes auf die Bindungswirkung eines Beschlusses hat.

Sowohl im öffentlichen Recht als auch im Privatrecht ist - mit jeweils unterschiedlicher Ausprägung - der Grundsatz zu finden, daß Änderungen maßgeblicher Umstände zu einem Wegfall der Bindung an einmal getroffene Entscheidungen bzw. abgeschlossene Rechtsgeschäfte führen können. Im Bereich des Privatrechts ist hier insbesondere das Institut des Wegfalles der Geschäftsgrundlage zu nennen (vgl. die bei Rummel in Rummel2, Rz 5 zu § 901 angeführte Rechtsprechung).

Es läßt sich kein Anhaltspunkt und keine sachliche Rechtfertigung für die Annahme finden, daß Beschlüssen von Organen einer Agrargemeinschaft im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Erscheinungen des Rechtslebens eine absolute, durch keinerlei Änderungen im Tatsächlichen beeinflußbare Bindungswirkung zukommen solle. Ausgehend von dem Gedanken, daß die Bestimmungen des FLG 1979 und der Satzung der mitbeteiligten Partei insbesondere einem Interessenausgleich zwischen den Mitgliedern der Agrargemeinschaft dienen, ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Änderung des Sachverhaltes gegenüber dem zum Zeitpunkt der Beschlußfassung bestehenden ein Mitglied der Agrargemeinschaft berechtigt, eine neue Entscheidung zu verlangen, im Wege einer Interessenabwägung zu lösen. Eine Sachverhaltsänderung bzw. der Eintritt geänderter Verhältnisse verpflichtet die Agrargemeinschaft dann zu einer neuen Beschlußfassung, wenn es sich um gravierende Änderungen handelt, die nicht absehbar waren und die dazu führen, daß die weitere Durchführung des Beschlusses nicht mehr mit den für die Agrargemeinschaft geltenden Bestimmungen übereinstimmen, wobei zu berücksichtigen ist, welche Folgen das Unterbleiben der Ausführung des zunächst gefaßten Beschlusses für die Agrargemeinschaft oder deren Mitglieder auf der einen und für das antragstellende Mitglied auf der anderen Seite hat.

Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Belastung seines Stammsitzbetriebes mit aus einer Verteuerung des Wegebaues resultierenden Kosten für sich allein keinen Grund für die Beendigung des beschlossenen Wegebaues darstellte, wenn diese Kostensteigerungen nicht ein Ausmaß erreichen, das als völlig unüblich und unvorhersehbar anzusehen ist, weil der Beschwerdeführer der Kostenübernahme im Beschluß aus dem Jahre 1985 zugestimmt hat und mit Kostensteigerungen bei solchen Bauvorhaben in einem gewissen Rahmen gerechnet werden muß. Über das Ausmaß der KostenSTEIGERUNGEN hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen.

Der vom Beschwerdeführer behauptete Umstand, daß durch den Wegbau die Finanzierung von unerläßlichen, nicht vorhergesehenen Ausbesserungsarbeiten unmöglich gemacht wird, könnte dann zu einer Verpflichtung der mitbeteiligten Partei führen, den Wegebau zu beenden oder auszusetzen, wenn eine Interessenabwägung ergibt, daß die aus dem Unterbleiben der Ausbesserungsarbeiten entstehenden Nachteile wesentlich gravierender sind als die allenfalls mit einer Beendigung oder einer Aussetzung des Weiterbaues der Forststraße verbundenen. Ob dies der Fall ist kann auf Grund des von der belangten Behörde ermittelten Sachverhaltes nicht beurteilt werden.

Die belangte Behörde ist auf die Behauptung des Beschwerdeführers, es habe sich seit dem Beschluß aus dem Jahre 1985 die damals nicht absehbare Notwendigkeit von Ausbesserungsarbeiten ergeben, die für die Funktionsfähigkeit des Almbetriebes unerläßlich seien, nicht eingegangen. Sie hat lediglich zu einem Teil des Vorbringens des Beschwerdeführers Sachverhaltsermittlungen durch Einholung eines forsttechnischen Amtssachverständigengutachtens angestellt. Der Beschwerdeführer hat hiezu eine Reihe von Einwänden vorgebracht und diese auch in einer Weise begründet, die nicht von vornherein als unschlüssig oder unrichtig zu erkennen ist. Ob die vom Beschwerdeführer gegen das Gutachten vorgebrachten Einwände zutreffen oder nicht, könnte nur durch eine Stellungnahme des Verfassers des Gutachtens oder eines anderen Gutachters geklärt werden. Eine solche Stellungnahme hat die belangte Behörde nicht eingeholt, weshalb die Sachverhaltsermittlung auch aus diesem Grund mangelhaft geblieben ist.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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