VwGH 93/05/0061

VwGH93/05/006128.6.1994

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Steiner, Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Kail, Dr. Bernegger, Dr. Stöberl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, in der Beschwerdesache der Stadt Wien, Wiener Stadtwerke, in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 8. 2. 1993, Zlen. I/5-EK-1/100 und I/5-A-621/16, betreffend eine Angelegenheit des Elektrizitätswesens (mP: EVN Energie-Versorgung NÖ AG), den Beschluß gefaßt:

Normen

B-VG Art12 Abs3;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art144 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §16 Abs1 Z3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §16 Abs2 Z5;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §16 Abs3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §19;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §20;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §22 Abs1;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §25 Abs5;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §25 Abs7;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §25 Abs8;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §53 Abs5;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §8 Abs3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §8 Abs4;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art12 Abs3;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art144 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §16 Abs1 Z3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §16 Abs2 Z5;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §16 Abs3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §19;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §20;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §22 Abs1;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §25 Abs5;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §25 Abs7;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §25 Abs8;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §53 Abs5;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §8 Abs3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §8 Abs4;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die NÖ Landesregierung hat unter dem Datum 8. Februar 1993 einen Bescheid erlassen, dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hat:

"Spruch I.:

Die NÖ Landesregierung entzieht der Stadt Wien (Wiener Stadtwerke - Elektrizitätswerke) die Konzession zur unmittelbaren Versorgung mit elektrischer Energie in Niederösterreich, wobei sich der bestehende Versorgungsumfang aus der Umschreibung des Gebietes im Plankonvolut (Beilagen ./A1 bis ./A9) (orange gebändert) ergibt.

Die Entziehung wird nach Ablauf von 3 Jahren nach Rechtskraft dieses Bescheides hinsichtlich

  1. a) der Umspannwerksbereiche Baden, Ebenfurth, Enzesfeld, Klosterneuburg, Moosbrunn, Traiskirchen und Wiener Neudorf sowie des Umspannwerksbereiches Brunn (in Niederösterreich gelegener Bereich des UW Liesing), wie sie in den angeschlossenen Plandarstellungen (Beilagen ./B1 bis ./B9 des Gutachtens Boeck/Loew als Stufe 1 umschrieben sind, frühestens jedoch mit Ablauf des 31.5.1996;
  2. b) der Umspannwerksbereich Groß-Enzersdorf (in Niederösterreich gelegene Bereiche der UW Stadlau und Kagran (Teil)), wie er in den angeschlossenen Plandarstellungen Beilagen ./B1 bis ./B9 des Gutachtens Boeck/Loew als Stufe 2 umschrieben sind, frühestens jedoch mit Ablauf des 31.12.1999;
  3. c) der in Niederösterreich gelegenen Umspannwerksbereiche Kaiserebersdorf und Südost sowie der Petrochemie Danubia (ÖMV), wie sie in den angeschlossenen Plandarstellungen Beilagen ./B1 bis ./B9 des Gutachtens Boeck/Loew als Stufe 3 umschrieben sind, frühestens mit Ablauf des 31.12.2004; und
  4. d) der in Niederösterreich gelegenen Umspannwerksbereiche UW-Wien West, Leopoldau und Kagran (Teil), wie sie in den angeschlossenen Plandarstellungen Beilagen ./B1 bis ./B9 des Gutachtens Boeck/Loew als Stufe 4 umschrieben sind, frühestens mit Ablauf des 31.12.2009;

    wirksam.

    Rechtsgrundlage: § 16 Abs. 1 Z. 3, § 16 Abs. 2 Z. 5 lit. a) und

    c), 16 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 4 des NÖ Elektrizitätswesengesetzes, LGBl. 7800-0.

    Spruch II.:

Die NÖ Landesregierung verpflichtet die EVN Energie-Versorgung Niederösterreich Aktiengesellschaft zur dauernden Übernahme der Versorgung derjenigen Gebiete, die von der Entziehung der Konzession gem. Spruch I. erfaßt sind. Die Verpflichtung zur dauernden Übernahme dieser Versorgung wird nach Maßgabe des Stufenplanes gemäß Spruch I. hinsichtlich der

  1. a) Stufe 1 frühestens mit 1.6.1996,
  2. b) Stufe 2 frühestens mit 1.1.2000,
  3. c) Stufe 3 frühestens mit 1.1.2005 und
  4. d) Stufe 4 frühestens mit 1.1.2010

    wirksam.

Der EVN Energie-Versorgung Niederösterreich Aktiengesellschaft wird in diesem Umfang sohin die elektrizitätswirtschaftliche Konzession zur unmittelbaren Versorgung eines örtlich umschriebenen bestimmten Gebietes (Gebietskonzession) übertragen.

Auflagen:

  1. 1. Die EVN Energie-Versorgung Niederösterreich Aktiengesellschaft hat umgehend nach jeweiliger Wirksamkeit der Verpflichtung gem. Spruch II. die Genehmigung ihrer behördlich genehmigten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinsichtlich der übernommenen Gebiete zu beantragen.
  2. 2. Die EVN Energie-Versorgung Niederösterreich AG hat mit der Stadt Wien (Wiener Stadtwerke - Elektrizitätswerke) bei der tatsächlichen Übernahme der Versorgung in den einzelnen Bereichen sowie bei der Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie zu kooperieren.

    Rechtsgrundlage: § 25 Abs. 8 und § 8 Abs. 3 des NÖ Elektrizitätswesengesetzes, LGBl. 7800-0.

    Spruch III.:

Die NÖ Landesregierung gestattet ab dem Wirksamwerden der Verpflichtung gem. Spruch II. der EVN Energie-Versorgung Niederösterreich Aktiengesellschaft gegen angemessene Entschädigung den (Mit-)Gebrauch der in dem durch Spruch I. umschriebenen Gebiet in Niederösterreich gelegenen Stromverteilungsanlagen der Stadt Wien (Wiener Stadtwerke - Elektrizitätswerke) soweit, als dies zur Erfüllung der der EVN Energie-Versorgung Niederösterreich AG durch Spruch II. übertragenen Versorgungsaufgaben notwendig ist; ausgenommen von dieser Gestattung sind nachfolgende Leitungen:

- 110 kV-Leitung UW Bisamberg - UW Nord System-Nr.100/1,2;

100/3,4

- 110 kV-Leitung UW Bisamberg - UW Leopoldau System-Nr.100/5,6

- 110 kV-Leitung UW Südost - UW Liesing System-Nr.104/1,2

- 380 kV-Leitung UW Südost - UW Süd System-Nr.501,503

Die Festlegung der Entschädigung wird einem gesonderten Bescheid vorbehalten. Zur vorläufigen Sicherstellung dieser Entschädigung wird ein Betrag von S 126,200.000,-- festgelegt, den die EVN Energie-Versorgung Niederösterreich Aktiengesellschaft der Stadt Wien (Wiener Stadtwerke - Elektrizitätswerke) bis längstens 3 Monate vor Eintritt des Wirksamkeitszeitpunktes lt. Spruch I. lit. a) zu bezahlen hat.

Rechtsgrundlage: § 25 Abs. 8 iVm § 25 Abs. 5 und 7 des NÖ Elektrizitätswesengesetzes, LGBl. 7800-0.

Spruch IV.:

Die NÖ Landesregierung weist die Anträge der Stadt Wien (Wiener Stadtwerke - Elektrizitätswerke) auf Genehmigung der "Allgemeinen Bedingungen" und der "Bedingungen für besondere Abnahmeverhältnisse" vom 2.8.1991 sowie jenen auf Genehmigung der Tarifstrukturen und der Umschreibungen der Nebenleistungen vom 8.10.1992 ab.

Rechtsgrundlage: § 53 Abs. 5 iVm §§ 19, 20 und 22 Abs. 1 des NÖ Elektrizitätswesengesetzes, LGBl. 7800-0.

Spruch V.:

Die NÖ Landesregierung weist die Anträge der Stadt Wien (Wiener Stadtwerke - Elektrizitätswerke) vom 10.3.1992, 31.3.1992 und 1.9.1992 auf Feststellung, daß diese nicht verpflichtet ist,

  1. a) planliche Darstellungen aller in NÖ gelegenen Umspannwerke sowie 110 kV-, 20 kV-, 10 kV- und 5 kV-Leitungen sowie noch geringere Hochspannung im Lageplan 1:50.000 mit namentlicher Darstellung aller Umspannwerke, Schaltstationen, Schaltstellen und Trafostationen der NÖ Landesregierung vorzulegen;
  2. b) planliche Darstellungen aller 110 kV-, 20 kV-, 10 kV- und 5 kV-Leitungen sowie noch geringere Hochspannung im Lageplan 1:50.000, welche sich zwar auf Wiener Gebiet befinden, aber auch für die Versorgung von Anlagen in NÖ herangezogen werden, jeweils ausgehend vom Umspannwerk, der NÖ LReg vorzulegen;
  3. c) Auskünfte über Leitungen und sonstige Anlagen der Elektrizitätsversorgung, die sich auf Wiener Gebiet befinden, aber auch die Versorgung von Anlagen in NÖ herangezogen werden, nach dem Gesetz LGBl. 7800 zu erteilen;
  4. d) die mit Schreiben vom 12.2.1992, GZ I/5-EK-1/20 gestellten, bis 31. März 1992 zu beantwortenden Fragen, soweit sie nicht unter Pkt. II des Briefes vom 31.3.1992 beantwortet wurden, zu beantworten;
  5. e) die nach dem Schreiben vom 12.2.1992, GZ I/5-EK-1/20 bis 31. März 1992 vorzulegenden Urkunden vorzulegen, und
  6. f) im Verfahren 1/5-EK-1/38 die Gesamtakten mit allen Rechnungen und nachgewiesenen Aufwendungen für die Bauführungen sowie für die Kostenermittlungen zu den Geschäftszahlen Stefan Karacsony, Baden,

    Albrechtgasse 59/12 für Siedlung Traiskirchen, Hausfeld/Bauzone I Parz 3206/3 - Amselgasse - Vereinbarung vom 31.7.1987, Rechnung Nr. IX-4239 BV-NR 36459; Lichtgemeinschaft Alter Sportplatz in Bad Vöslau, Wr. Neustädter Straße 17/5, GZ Nö 1916 vom 19.4.1989, Sachbearbeiter C/2, Ad/May K.A. Nr. 304/6129/89, 130/226/Bd-S/89; Lichtgemeinschaft Münchendorf-Trumauer Straße, GZ Nö 1940, Sachbearbeiter C/2 Ad/May, K.A.

Nr. 4/208/Mö bzw. 4007P/89 vom 27.9.1989 zu übermitteln, ab.

Rechtsgrundlage: § 56 iVm § 63 Abs. 2 AVG 1991."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Antrag gestellt wird, den angefochtenen Bescheid "wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften" aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG geht, wenn und insoweit in den Angelegenheiten des Elektrizitätswesens die Bescheide der Landesinstanzen voneinander abweichen oder die Landesregierung als einzige Landesinstanz zuständig war, die Zuständigkeit in einer solchen Angelegenheit, wenn es eine Partei innerhalb der bundesgesetzlich festzusetzenden Frist verlangt, an das sachlich zuständige Bundesministerium über. Sobald dieses entschieden hat, treten die bisher gefällten Bescheide der Landesbehörden außer Kraft.

Da im Beschwerdefall die belangte NÖ Landesregierung als einzige Landesinstanz (siehe dazu § 49 des Gesetzes über Angelegenheiten des Elektrizitätswesens in Niederösterreich, LGBl. 7800-0) in einer Angelegenheit des Elektrizitätswesens im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Z. 5 B-VG bescheidmäßig entschieden hat, liegen die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 3 leg. cit. vor.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (beginnend mit dem Beschluß vom 17. März 1964, Slg. 4671; vgl. weiters u.a. den Beschluß vom 19. März 1980, Zl. B 38/80, sowie den Beschluß VfSlg. 8798) die Auffassung, daß die durch Art. 12 Abs. 3 B-VG geschaffene Einrichtung als Instanzenzug im Sinne des Art. 144 B-VG anzusehen ist. Bei der Regelung des Art. 12 Abs. 3 B-VG handle es sich zwar nicht um einen Instanzenzug in dem Sinne, daß Verwaltungsbehörden in Form von Über- und Unterordnungsverhältnissen miteinander verbunden sind und daß mit einem Rechtsmittel an die obere Instanz die Abänderung (Aufhebung) eines von einer Unterbehörde erlassenen Bescheides begehrt werden kann. Ein Devolutionsantrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG, der eine Devolvierungskompetenz des Bundes gegenüber dem höchsten Gliedstaatsorgan im System des Bundesstaates darstellt, unterscheide sich "nach Zweck und Ergebnis nicht von einem ordentlichen Rechtsmittel".

Der Verfassungsgerichtshof führt dazu in dem zitierten Erkenntnis Slg. 4671 weiter aus:

"Die Entscheidung des zuständigen Bundesministers wird eine Partei nur dann begehren, wenn sie eine Änderung der Entscheidung der Landesregierung anstrebt. Dies ist auch der Zweck eines ordentlichen Rechtsmittels. Ein Devolutionsantrag, der in gleicher Weise befristet ist wie eine Berufung, hat ebenso wie diese eine aufschiebende Wirkung, die nur aus den Gründen, wie sie auch § 64 Abs. 2 AVG. nennt, ausgeschlossen werden kann. Eine Bestimmung, die einer Behörde die Zuständigkeit gibt, in der Sache selbst zu entscheiden und sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle einer anderen Behörde zu setzen und demgemäß den Bescheid der anderen Stelle nach jeder Richtung abzuändern (so § 66 Abs. 4 AVG.), unterscheidet sich im Ergebnis nicht von der Befugnis, die von Art. 12 Abs. 3 B.-VG. dem sachlich zuständigen Bundesminister eingeräumt wird, denn die von ihm getroffene Entscheidung setzt den bisher gefällten Bescheid der Landesbehörde außer Kraft.

Die Vorschrift des Art. 144 Abs. 1 B.-VG. über die Erschöpfung des Instanzenzuges bringt den Gedanken zum Ausdruck, daß die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes so lange unzulässig ist, als noch gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde eine andere Verwaltungsbehörde angerufen werden kann. Dies zwingt dazu, die Regelung des Art. 12 Abs. 3 B.-VG., mag sie auch als Fall einer Devolution konstruiert sein, einem administrativen Instanzenzug gleichzuachten. Wollte man die Regelung des Art. 12 Abs. 3 B.-VG. nicht einer Regelung des administrativen Instanzenzuges gleichstellen, so läge es in der Hand der Partei, zu bestimmen, wo der Instanzenzug sein Ende findet, entweder bei dem Bescheid der Landesregierung oder beim Bescheid des sachlich zuständigen Bundesministers. Ein solches Ergebnis ist abzulehnen, denn das Vorliegen der Prozeßvoraussetzung des erschöpften Instanzenzuges ist nur nach der objektiven Rechtslage zu ermitteln und von der subjektiven Entschließung der Partei unabhängig.

Mit seinem Beschluß vom 18. Feber 1961, B 242/60, hat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gegen den Bescheid einer Landesregierung, der in der Angelegenheit des Elektrizitätswesens ergangen war, zurückgewiesen, weil der Beschwerdeführer rechtzeitig den Devolutionsantrag gestellt hatte. Der Verfassungsgerichtshof hatte erkannt, daß infolgedessen das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, weil noch die Entscheidung des zuständigen Bundesministers ausständig war.

Die gleiche Erwägung gilt für die Fälle, in denen ein Antrag nach Art. 12 Abs. 3 B.-VG. nicht gestellt worden ist. In einem solchen Fall hat die Partei die ihr zustehenden Rechtsverfolgungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft."

Die in Art. 12 Abs. 3 B-VG getroffene Regelung schließt es nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes also aus, in Angelegenheiten des Elektrizitätswesens gegen den Bescheid der in einziger Instanz zuständigen Landesregierung unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu erheben. Hinsichtlich eines solchen Bescheides sei die für die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes notwendige Prozeßvoraussetzung der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges jedenfalls nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. September 1964, Slg. Nr. 6442/A, zu der Frage, ob der Instanzenzug im Falle eines Bescheides einer Landesregierung in einer Angelegenheit des Elektrizitätswesens erschöpft und damit die Voraussetzung für die Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof gegeben ist (Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG), Nachstehendes ausgeführt:

"Der Verwaltungsgerichtshof ging in seiner bisherigen Judikatur regelmäßig davon aus, daß mit Bescheiden, die in elektrizitätsrechtlichen Angelegenheiten durch Landesregierungen in dem ihnen zukommenden Vollziehungsbereich erlassen worden sind, der administrative Instanzenzug erschöpft sei. Der Verfassungsgerichtshof verfolgte in seiner Judikatur zunächst dieselbe Linie, wie dies etwa aus seinen Erk. Slg. NF. 2148, 2932, 3130 und 3619 zu entnehmen ist. Erstmalig mit seinem Beschl. Slg. NF. 3883 und späterhin mit seinen Beschl. Slg. NF. 4155, und v. 17. III. 64, B 89/63, ging er von dieser Judikatur ab und vertrat den Standpunkt, daß die in Art. 12 Abs. 3 B.-VG. den Parteien des Verfahrens eröffnete Möglichkeit, in solchen Angelegenheiten (wenn die Landesregierung als einzige Landesinstanz zuständig war oder die Bescheide der Landesinstanzen voneinander abwichen) das sachlich zuständige Bundesministerium zur Entscheidung anzurufen und dadurch den Übergang der Zuständigkeit von der Landesregierung auf das Bundesministerium zu bewirken, im Ergebnis der Einlegung eines ordentlichen Rechtsmittels gleichzuhalten sei. Das Verwaltungsverfahren sei somit angesichts der Möglichkeit zur Stellung derartiger Devolutionsanträge nicht abgeschlossen und der Instanzenzug nicht als erschöpft zu betrachten.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich darüber schlüssig zu werden, ob er diese Auffassung - weil Art. 131 Abs. 1 und Art. 144 Abs. 1 B.-VG. die Beschwerdeberechtigung gleichermaßen von der Erschöpfung des Instanzenzuges abhängig machen - teilen und künftighin ebenso zur Zurückweisung derartiger Beschwerden mangels Erschöpfung des Instanzenzuges gelangen solle. Er konnte nicht dieselbe Überzeugung gewinnen wie der Verfassungsgerichtshof. Dies aus folgenden Überlegungen:

Im Beschwerdefalle handelt es sich um einen Bescheid der NÖ. Landesregierung, der in Vollziehung des Gesetzes, betreffend einstweilige Regelung auf dem Gebiete des Elektrizitätswesens in Niederösterreich, LGBl. 133/57 (Fassung LGBl. 275/60), in erster und gleichzeitig letzter Instanz ergangen ist. Das nach Art. 12 Abs. 3 B.-VG. für einen Devolutionsantrag in Betracht kommende BM. f. H. u. W. stellt keine übergeordnete "Instanz" vor, weil es nicht dazu berufen ist, den Bescheid der Landesbehörde auf Grund des Parteibegehrens einer Überprüfung zu unterziehen, ihn aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen. Das BM. f. H. u. W. hat vielmehr, falls es mit einem derartigen Antrag angerufen wird, in der Sache eine völlig neue Entscheidung zu treffen mit der Wirkung, daß mit dieser Entscheidung die bisher im Landesbereich gefällten Bescheide außer Kraft treten. Ein administrativer Instanzenzug ist eben, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erk. Slg. 3362 hervorgehoben hat, dort eingerichtet, wo ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde von einer anderen Verwaltungsbehörde über Verlangen einer Partei überprüft und - soweit er rechtswidrig ist - geändert oder aufgehoben werden muß. Das in Art. 12 Abs. 3 B.-VG. vorgesehene Verfahren ist also mit einem Instanzenzug nicht zu vergleichen.

Es ist somit festzuhalten, daß mit dem durch die gegenständliche Beschwerde bekämpften Bescheid der belangten Behörde der Instanzenzug erschöpft und damit nach der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 131 Abs. 1 B.-VG. die Berechtigung zur Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof eröffnet ist. Es ist dem Verfassungsgerichtshof durchaus darin zu folgen, daß die Regelung des Art. 12 Abs. 3 B.-VG. ähnliche Auswirkungen zeitigt wie ein Instanzenzug. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß der Verfassungsgesetzgeber damit den Parteien solcher Verfahren zwei voneinander unabhängige Möglichkeiten an die Hand gegeben hat, um einer im Vollziehungsbereich einer Landesregierung getroffenen elektrizitätsrechtlichen Entscheidung entgegenzutreten. Dabei sei auch nicht übersehen, daß es sich dabei um potentiell verschiedene Rechtsbehelfe handelt: denn mit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird nur die Überprüfung eines Bescheides (in vielen Fällen auch nur eines Teilabspruches eines Bescheides) auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz begehrt, während der Antrag nach Art. 12 Abs. 3 B.-VG. ein völlig neues Verfahren auslöst, dessen Ausgang jedenfalls ungewiß ist. Es ist den Parteien also nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an die Hand gegeben, für welchen Weg sie sich jeweils entscheiden wollen.

Der Verwaltungsgerichtshof kann sich mithin nicht zu der Auffassung bekennen, daß die MÖGLICHKEIT allein, in solchen Fällen ein weiteres Verwaltungsverfahren auszulösen, die Annahme der Erschöpfung des Instanzenzuges im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B.-VG. ausschließe."

In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt, und zwar teilweise ausdrücklich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Mai 1977, Zl. 2040/76) und teils unausgesprochen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1991, Zl. 87/05/0130, und vom 2. Februar 1993, Zl. 92/05/0206), die Ansicht vertreten, daß der Instanzenzug im Falle einer Beschwerde gegen einen Bescheid einer Landesregierung in Angelegenheiten des Elektrizitätswesens als erschöpft anzusehen ist.

Ferner vertritt der Verwaltungsgerichtshof in jenen Fällen, in welchen im Zusammenhang mit einem Bescheid einer Landesregierung in Angelegenheiten des Elektrizitätswesens sowohl ein Antrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG an das zuständige Bundesministerium gestellt, als auch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden ist, nach derzeitiger Rechtsprechung (vgl. den Beschluß vom 22. Dezember 1966, Slg. Nr. 7047/A, zuletzt bestätigt u.a. durch den Beschluß vom 14. Dezember 1993, Zl. 93/05/0192) die Auffassung, daß "Beschwerdeführer, die von dem ihnen im Art. 12 Abs. 3 B-VG eröffneten Rechte, das Verwaltungsverfahren auf der Ministerialebene neuerlich in Gang zu setzen, Gebrauch gemacht und damit eine weitere Verwaltungsinstanz mit der Entscheidungspflicht in dieser Sache belastet haben, sich für diesen Bereich des bekämpften Bescheides des Rechtes zur Beschwerdeführung nach Art. 131 Abs. 1 B-VG entäußert haben. Denn mit der Beanspruchung des im Art. 12 Abs. 3 B-VG eröffneten Rechtes haben sie eine weitere Verwaltungsbehörde mit der Entscheidung ihres Falles befaßt und damit den nach Erlassung des seitens der Landesregierung ergangenen Bescheides bestandenen Rechtszustand der "Erschöpfung des Instanzenzuges" wieder beseitigt. Damit aber ist ihre Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde für diesen Bereich wiederum weggefallen."

Der Verwaltungsgerichtshof hält die im Erkenntnis Slg. Nr. 6442/A und seither ständig vertretene Ansicht, wonach der Instanzenzug im Falle einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Landesinstanz in Angelegenheiten des Elektrizitätswesens als erschöpft anzusehen ist, wenn kein Devolutionsantrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG ergriffen wurde, in Anlehnung an die bereits wiedergegebene Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes nicht mehr aufrecht. Auch Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG liegt - was in der bisherigen Judikatur zur Auslegung des Art. 12 Abs. 3 B-VG bisher keine entsprechende Berücksichtigung fand - der Gedanke zugrunde, daß die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes solange unzulässig ist, als noch gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde eine andere Verwaltungsbehörde angerufen werden kann. Die Regelung des Art. 12 Abs. 3 B-VG muß daher ungeachtet des Umstandes, daß sie als Fall einer Devolution konstruiert ist, einem administrativen Instanzenzug gleichgehalten werden.

Für diese Auslegung und gegen die vom Verwaltungsgerichtshof bisher vertretene Wahlmöglichkeit der Parteien zwischen dem Verwaltungsgerichtshof oder dem zuständigen Bundesminister sprechen aber auch das gleichfalls in der Verfassung verankerte Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG und das sich aus Art. 18 Abs. 1 B-VG ergebende Gebot, u. a. behördliche Zuständigkeiten bestimmt festzulegen, die bei der Auslegung des Art. 12 Abs. 3 B-VG mitzuberücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne auch Novak, Quasi-Instanzenzüge im österreichischen Recht, ZfV 1976, 60). Der bisherigen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes muß weiters entgegengehalten werden, daß ein Auslegungsergebnis des Art. 12 Abs. 3 B-VG abzulehnen ist, nach dem das Vorliegen einer Prozeßvoraussetzung des erschöpften Instanzenzuges von einer subjektiven Entscheidung der Partei abhängig und nicht nach der objektiven Rechtslage zu ermitteln wäre.

Gegen die vom Verwaltungsgerichtshof bisher aus Art. 12 Abs. 3 B-VG abgeleitete, für seine Auslegung zentrale Idee der den Parteien eingeräumten Wahlmöglichkeit des weiteren Rechtsschutzweges nach der Entscheidung einer Landesregierung ist aber auch ins Treffen zu führen, daß der Grund für die durchaus ungewöhnliche Einräumung eines Devolutionsantragsrechtes im Art. 12 Abs. 3 B-VG offensichtlich darin gelegen war, zwar die verfassungsrechtlich an sich problematische Möglichkeit eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des obersten Landesorganes an ein oberstes Organ des Bundes einzuräumen, aber dies keinesfalls im Gewand einer "normalen" Instanzenzugregelung zu tun, um die Stellung der Landesregierung als oberstes Organ so wenig als möglich zu berühren. Auch aus dieser Sicht verbietet sich eine Deutung, die auf eine Wahlmöglichkeit der Parteien abstellt. Kann aber an der Idee der durch Art. 12 Abs. 3 B-VG eingeräumten Wahlmöglichkeit nicht festgehalten werden, entfällt ein für den Verwaltungsgerichtshof bisher für seine Auffassung maßgebliches Argument.

Den in dem hg. Erkenntnis Slg. Nr. 6442/A für die Annahme der Erschöpfung des Instanzenzuges überdies als maßgeblich angesehenen Erwägungen, wonach auf Grund eines Antrages gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG, anders als im Falle eines administrativen Instanzenzuges, ein verwaltungsbehördlicher Bescheid nicht überprüft und im Falle der Rechtswidrigkeit geändert oder aufgehoben wird, ist entgegenzuhalten, daß die auf Grund einer Anrufung des sachlich zuständigen Bundesministeriums ergehende Entscheidung eine an die Stelle des Bescheides der Landesinstanz tretende Entscheidung der Ministerialinstanz bewirkt, da der Bescheid der Landesbehörde zufolge Art. 12 Abs. 3 B-VG außer Kraft tritt, sobald "das sachlich zuständige Bundesministerium" entschieden hat. Im Ergebnis hat demnach der Bescheid des Bundesministers insofern dieselbe rechtliche Wirkung wie eine Berufungsentscheidung, als der erstinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgeht und diese, sobald sie erlassen und solange sie aufrecht ist, der alleinige und ausschließliche Träger des Bescheidinhaltes ist (vgl. in diesem Sinne die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 559 unter Z 200 zitierte hg. Judikatur). Auch ist der Zweck eines Devolutionsantrages einer Partei gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG und der eines ordentlichen Rechtsmittels - worauf der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang Bezug nimmt - der gleiche, nämlich eine Änderung der Entscheidung der Landesregierung zu erreichen. Das Rechtsschutzinteresse der Parteien wird damit in keiner Weise beeinträchtigt, da die im Wege eines Antrages nach Art. 12 Abs. 3 B-VG erwirkte Entscheidung des Bundesministers durch eine Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpft werden kann.

Aus all diesen Gründen ergibt sich, daß in Angelegenheiten des Elektrizitätswesens gegen den Bescheid der zuständigen Landesregierung die Prozeßvoraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges nicht gegeben und eine gegen einen derartigen Bescheid erhobene Beschwerde demnach gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung beschlossen, die vorliegende Beschwerde wegen der sich aus der Nichterschöpfung des Instanzenzuges ergebenden Unzuständigkeit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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