Normen
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin besaß auf Grund des Bescheides des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 9. März 1992 die Gewerbeberechtigung für Vermieten von Kraftfahrzeugen ohne Beistellung eines Lenkers am Standort R-Straße 13. Mit Bescheid vom 8. Februar 1993 faßte der Bürgermeister der Stadt Salzburg folgenen Spruch:
"Gemäß § 87 (1) Z. 1 und 13 (4) i.V.m. § 361 (1) GewO 1973 wird die Gewerbeberechtigung entzogen und nach Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides im Gewerberegister gemäß § 365
(1) GewO 1973 gelöscht."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Juni 1993 faßte die belangte Behörde folgenden Bescheidspruch:
"Der Berufung wird keine Folge gegeben und die im angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Entziehung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 iVm. § 13 Abs. 4 GewO 1973 bestätigt."
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, auf der Grundlage des gesetzlichen Tatbestandes gemäß § 13 Abs. 4 GewO 1973 müsse eine Gewerbeberechtigung entzogen werden, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Gewerbeinhabers gestellt, dieser aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden sei, sofern diese Insolvenz nicht durch Konkurs, Ausgleichsverfahren oder strafgesetzwidrige Handlungen eines Dritten verursacht worden sei. Laut Beschlüssen des Landesgerichtes Salzburg vom 9. Jänner 1992 und 16. Oktober 1992 seien Anträge von Gläubigern auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beschwerdeführerin mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Die Einsichtnahme in die Konkursakten habe ergeben, daß mehrere Gläubiger Konkurseröffnungsanträge gegen die Beschwerdeführerin mit einer Gesamthöhe der Forderungen von S 145.059,40 eingebracht hätten. Daß dies durch einen Konkurs, ein Ausgleichsverfahren oder durch strafgesetzwidrige Handlungen Dritter verursacht worden wäre, sei nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zweckdienliche Beweismittel dafür zu erbringen, daß auf Grund ihrer nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden könne, daß sie den mit der Ausübung des erwähnten Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde. Die Beschwerdeführerin habe hiezu solche Beweismittel weder vorgelegt noch angekündigt. Es bestünden sohin keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß die wirtschaftliche Lage der Gewerbeinhaberin derart beschaffen sei, daß erwartet werden könne, sie werde der mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflicht in Hinkunft nachkommen. Vielmehr sei eine weitere Schädigung der Gläubiger zu erwarten, da die Gewerbetreibende nicht in der Lage sei, selbst geringfügige Verbindlichkeiten zu begleichen.
Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 1. Juli 1993 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht "auf Ausübung ihrer Gewerbeberechtigung einschließlich des Rechtes, daß ihre Gewerbeberechtigung nur nach Maßgabe des Gesetzes abgeändert oder aufgehoben wird" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, die belangte Behörde habe das im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltende Recht nicht "rechtsrichtig" angewandt. Der angefochtene Bescheid gelte mit der Zustellung am 1. Juli 1993 als erlassen. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits die Gewerbeordnung in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, in Kraft gewesen. Gemäß § 379 Abs. 2 GewO 1973 sei dieses Gesetz auf das noch nicht abgeschlossene gegenständliche Verfahren anzuwenden. Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 sei die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschließungsgründe gemäß § 13 Abs. 1 und 2 zuträfen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten sei. Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. sei von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden sei. Derartige Straftaten seien jedoch weder von einer verantwortlichen Person der Beschwerdeführerin begangen worden, noch gebe es Verurteilungen, noch hätten die Gewerbebehörden entsprechende Feststellungen getroffen bzw. treffen können. Zwar sei die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG berechtigt, sowohl im Spruch als auch in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen, sie müsse sich aber jedenfalls an den festgestellten Sachverhalt halten. Dieser stimme mit dem Sachverhalt, von dem die Gewerbebehörde erster Instanz ausgegangen sei, im wesentlichen überein. Weder im Verfahren erster Instanz noch im Verfahren vor der belangten Behörde seien Hinweise auf strafrechtlich relevante Handlungen der Beschwerdeführerin hervorgekommen. Die belangte Behörde habe daher die Bestimmungen über die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß §§ 87 Abs. 1 Z. 1 und 13 Abs. 4 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 zu Unrecht für die rechtliche Beurteilung herangezogen.
Mit diesem Vorbringen befindet sich die Beschwerdeführerin im Recht.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde - von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall des Abs. 2 abgesehen -, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörden zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch eines Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter deutlicher Fassung und UNTER ANFÜHRUNG DER ANZUWENDENDEN GESETZESBESTIMMUNGEN, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Der Spruch einer (monokratischen) Behörde hat der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bestehenden Rechtslage zu entsprechen. Auch die Rechtsmittelbehörde hat das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Soweit keine Übergangsbestimmungen bestehen, gilt dies auch im Fall einer Änderung der Rechtslage während des Berufungsverfahrens (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, VwSlg. N.F. Nr. 9.315/A und die daran anschließende Judikatur).
Ein Bescheid ist mit seiner Erlassung zustande gekommen. Dies ist bei einem schriftlichen Bescheid der Zeitpunkt der rechtswirksamen Zustellung, sodaß auch die zwischen Unterfertigung eines Bescheides und dessen Zustellung erfolgte Änderung der Rechtslage zu berücksichtigen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1983, Zl. 82/04/0136).
Die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, trat gemäß deren Art. IV Abs. 1 - von den hier nicht zur Anwendung gelangenden Absätzen 2 bis 7 abgesehen - am 1. Juli 1993 in Kraft. Gemäß § 379 Abs. 2 GewO 1973 sind - von den hier nicht in Betracht kommenden Sonderregelungen des Abs. 1 abgesehen - die Vorschriften dieses Bundesgesetzes auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht abgeschlossenen Verfahren anzuwenden.
Da der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin am 1. Juli 1993 zugestellt wurde, findet nach der vordargestellten Rechtslage auf den im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhalt die GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. 29/1993, Anwendung.
§ 87 Abs. 1 Z. 1 und § 13 Abs. 4 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, welche Bestimmungen im Spruch des angefochtenen Bescheides von der belangten Behörde ausdrücklich als angewendete Rechtslage zitiert worden sind, haben folgenden Wortlaut:
"§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
1. auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 und 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
§ 13. (4) Abs. 3 ist nicht anzuwenden, wenn es im Rahmen des Konkursverfahrens zum Abschluß eines Zwangsausgleiches kommt und dieser erfüllt worden ist."
Vor der Gewerberechtsnovelle 1992 hatten diese Paragraphen folgenden Wortlaut:
"§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
1. auf den Gewerbeinhaber die Voraussetzungen für einen Ausschluß gemäß § 13 Abs. 1 oder Abs. 2 zutreffen oder wenn einer der im § 13 Abs. 3 bis 5 angeführten Umstände, die den Ausschluß einer natürlichen oder juristischen Person oder Personengesellschaft des Handelsrechtes von der Gewerbeausübung zur Folge haben, vorliegt.
§ 13 . (4) Die Bestimmung des Abs. 3 ist auch anzuwenden, wenn es sich um eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes handelt, gegen die schon einmal der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt, der Antrag aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden ist."
§ 13 Abs. 3, auf welchen Abs. 4 verweist hatte folgenden Wortlaut:
"§ 13. (3) Eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes, über deren Vermögen schon einmal der Konkurs oder zweimal das Ausgleichsverfahren eröffnet worden ist, ist von der Ausübung des Gewerbes auszuschließen; ein solcher Ausschluß ist nicht auszusprechen, wenn der Konkurs oder das Ausgleichsverfahren durch den Konkurs oder das Ausgleichsverfahren oder durch strafgesetzwidrige Handlungen eines Dritten verursacht worden ist."
Aus der Gegenüberstellung der im Spruch des angefochtenen Bescheides zitierten Gesetzesstellen vor und nach Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 ergibt sich sohin eindeutig, daß diesbezüglich auch eine inhaltliche Änderung des Gesetzes erfolgt ist.
Beruft sich aber ein Bescheid im Spruch ausdrücklich auf eine infolge vor dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung abgeänderte, nun nicht mehr nach der alten Rechtslage anzuwendende Vorschrift, so ist dieser Bescheid allein schon deshalb mit Rechtswidrigkeit des Inhalts behaftet, wenn sich nicht eine inhaltsgleiche Regelung auch nach Änderung des Gesetzes an einer anderen Stelle findet (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 564 dargestellte Rechtsprechung).
Da - wie oben dargelegt - sowohl § 87 Abs. 1 Z. 1 als auch § 13 Abs. 4 GewO 1973 durch die Gewerberechtsnovelle 1992 auch eine inhaltliche Änderung erfahren haben, war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft das über das gesetzliche Ausmaß geltend gemachte Begehren für "Barauslagen".
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