VwGH 93/01/1546

VwGH93/01/154616.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Oktober 1993, Zl. 4.295.773/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Oktober 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines rumänischen Staatsangehörigen, der am 15. Februar 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 19. Februar 1990 den Asylantrag gestellt hat - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Juni 1991 abgewiesen. Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß beim Beschwerdeführer der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Vernehmung am 24. April 1990, daß er sich vor seiner Einreise nach Österreich in Ungarn aufgehalten habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei im wesentlichen im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.

Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, daß es unrichtig sei, daß er in Ungarn bereits "Verfolgungssicherheit" erlangt habe und er in Ungarn die Möglichkeit gehabt hätte, um Asyl anzusuchen, sowie daß er nicht zu befürchten gehabt hätte, wieder in seinen Heimatstaat zurückgeschickt zu werden. Insbesondere habe die belangte Behörde unterlassen, sich von der tatsächlichen Situation in Ungarn im April 1990 ein Bild zu machen. Zwar sei Ungarn bereits der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten gewesen, jedoch habe es noch kein ungarisches Ausführungsgesetz gegeben. Im April 1990 habe es noch die alte kommunistische Regierung in Ungarn gegeben, die ersten freien Wahlen hätten erst im Mai 1990 stattgefunden. Die kommunistische Regierung habe sowohl vor als auch nach dem Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention Flüchtlinge aus Rumänien zurückgeschickt, insbesondere wenn diese nicht der ungarischen Minderheit angehörten. Ungarn sei daher für den Beschwerdeführer kein Garant für "Verfolgungssicherheit" gewesen. Zwar gehöre der Beschwerdeführer der ungarischen Volksgruppe an, habe jedoch einen rumänischen Namen, sodaß er vor einer Zurückschiebung nach Rumänien keineswegs sicher gewesen sei. Es sei bekannt gewesen, daß Rumänen an die Grenze in Gyula gebracht und dort den rumänischen Behörden übergeben worden seien. Das damals Ungarische Demokratische Forum, das seinerzeit eine illegale außerparlamentarische Oppositionsgruppe gewesen sei, habe wiederholt gegen diese Verstöße der ungarischen Behörden protestiert. Ein Verbleib in Ungarn sei dem Beschwerdeführer daher nicht zumutbar gewesen. Auch habe er Angst vor Verfolgung in Ungarn bzw. Rücküberstellung an die rumänischen Behörden gehabt.

Würden diese Behauptungen zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - nichts dafür spreche, daß Ungarn die sich aus seiner Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässige, dies bezogen auf den hiebei allein maßgeblichen Zeitpunkt des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in diesem Land (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, und vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/1522). Der Beschwerdeführer hat zwar diese Behauptungen erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt. Damit hat der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr.416/1994.

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