VwGH 93/01/1290

VwGH93/01/129020.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. September 1993, Zl. 4.282.591/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art43;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art43;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. März 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein rumänischer Staatsangehöriger, der am 20. September 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 23. September 1989 den Asylantrag gestellt hat - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. September 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 30. September 1989, daß er am 16. Mai 1988 mit seinem Halbbruder legal nach Ungarn gereist sei, sich wenige Tage danach bei den dortigen Behörden als Flüchtling gemeldet und sich bis zu seiner Ausreise nach Österreich am 20. September 1989 in Ungarn aufgehalten habe, aus, und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.

Der Beschwerdeführer hält dem in erster Linie entgegen, daß Ungarn der Genfer Flüchtlingskonvention erst im März 1989 beigetreten, also zu dem Zeitpunkt, als er in dieses Land gekommen sei, noch nicht Mitglied der Konvention gewesen sei und es damals auch in Ungarn (so wie in Rumänien) eine kommunistische Diktatur gegeben habe. Er habe sich zwar bei den Polizeibehörden gemeldet, weil dies auf Grund einer Meldepflicht notwendig gewesen sei, jedoch nicht um politisches Asyl angesucht, weil dies zum damaligen Zeitpunkt gar nicht möglich gewesen sei. Es sei im Gegenteil politisches Asyl aus einem "Bruderstaat" nach der kommunistischen Terminologie unbekannt gewesen; im August 1988 habe es noch ein Freundschaftstreffen zwischen dem damaligen Ministerpräsidenten Karoly Grosz und Ceaucescu gegeben. Ungarn habe dann im Februar 1989 die genannte Konvention unterzeichnet, es habe aber die Genehmigung des ungarischen Parlaments und auch die Verabschiedung eines Ausführungsgesetzes gefehlt. Die Ratifizierung sei dann erst Ende Oktober 1989 erfolgt. In der Zeit vom Februar bis Oktober 1989 wäre Ungarn zwar verpflichtet gewesen, seinen durch die Unterzeichnung der Konvention übernommenen Verpflichtungen nachzukommen, habe dies jedoch unterlassen. Es habe sohin in dieser Zeit für den Beschwerdeführer keine rechtliche Möglichkeit gegeben, um politisches Asyl anzusuchen. Die theoretische Verpflichtung Ungarns habe noch keinen faktischen Schutz für ihn bewirkt, sondern sei im September 1989 "auch noch absolut nicht klar" gewesen, welchen politischen Kurs Ungarn in der Zukunft weitergehen werde; zu diesem Zeitpunkt sei in Ungarn "immer noch kommunistische Diktatur" gewesen.

Dazu ist zunächst festzuhalten, daß Ungarn am 14. März 1989 die Beitrittsurkunde zur Genfer Flüchtlingskonvention hinterlegt hat (siehe BGBl. Nr. 260/1992) und dies gemäß Art. 43 der Konvention zur Folge hatte, daß sie am 90. Tage danach und demnach am 12. Juni 1989 in Kraft getreten ist (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0257, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0743). Daraus ergibt sich, daß sich der Beschwerdeführer noch zu einem Zeitpunkt in Ungarn aufgehalten hat, in dem der Beitritt dieses Landes zur Genfer Flüchtlingskonvention (mit der für ihn zutreffenden Alternative a des Abschnittes B des Art. 1) bereits wirksam war. Der Beschwerdeführer macht allerdings - ohne gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG zu verstoßen, weil ihm diesbezüglich, wie er mit Recht rügt, im Verwaltungsverfahren kein Parteiengehör gewährt worden ist - geltend, daß Ungarn seinen daraus erwachsenen völkerrechtlichen Verpflichtungen auch noch zu dem Zeitpunkt, als er in Österreich eingereist ist, nicht nachgekommen sei. Seine Behauptungen müssen unter anderem dahingehend verstanden werden, daß auch noch zu diesem Zeitpunkt im innerstaatlichen Bereich "die Verabschiedung eines Ausführungsgesetzes" gefehlt habe, weshalb bis dahin für ihn gar keine rechtliche Möglichkeit bestanden habe, in Ungarn "um politisches Asyl anzusuchen". Mit diesem Vorbringen ist aber für den Standpunkt des Beschwerdeführers wegen der besonderen, in seinem Fall vorliegenden Umstände nichts zu gewinnen.

Der Umstand, daß ein Staat nicht der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten ist oder trotz eines solchen Beitrittes die damit übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllt, bedeutet noch nicht zwangsläufig, daß in diesem Land keine "Verfolgungssicherheit" im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben ist. Selbst wenn sie nicht generell gegeben wäre, könnte sie dennoch gegenüber einzelnen Personen bestehen, indem - entsprechend der nach der genannten Rechtsprechung erfolgten Begriffsbestimmung der "Verfolgungssicherheit" - die betreffende Person keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt ist und auch nicht befürchten muß, in den Verfolgerstaat abgeschoben zu werden. Daß eines von beiden auf den Beschwerdeführer nicht zugetroffen hätte, hat er nicht dargetan. Der Beschwerdeführer ist der Annahme, er habe sich fast eineinhalb Jahre lang mit Billigung der ungarischen Behörden in Ungarn aufgehalten - wofür schon seine von der belangten Behörde alleine herangezogene niederschriftliche Angabe, er habe sich nach wenigen Tagen nach seiner Einreise in Ungarn als Flüchtling gemeldet, in Verbindung damit, daß er nicht vorgebracht hat, in der Folge in Ungarn wegen seines Aufenthaltes Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden dieses Landes gehabt zu haben, genügte -, nicht entgegengetreten. Es sei nur zusätzlich (zur Bestärkung dieser Annahme) bemerkt, daß aus der betreffenden Niederschrift vom 30. September 1989 weiters hervorgeht, daß der Beschwerdeführer am 8. Februar 1989 einen "Ung. Ausweis zur Aufenthaltsberechtigung für Fremde" erhalten hat (Punkt 2.), sich in seinem rumänischen Reisepaß ein "ung. Stempel zur mehrm. Aus- und Einreise bis 28.2.1991" befand (Punkt 4.) und er vom 26. Mai 1988 bis September 1989 bei der ungarischen Eisenbahn-MAV in Budapest beschäftigt war (Punkt 15.).

Nach der genannten Rechtsprechung ist zwar als Voraussetzung für die begründete Annahme von Verfolgungssicherheit nicht erforderlich, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers den ungarischen Behörden bekannt war und von ihnen auch geduldet oder sogar gebilligt wurde. War aber letzteres der Fall, so kommt dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstand, daß er in Ungarn nicht um politisches Asyl habe ansuchen können und dort keinen "Asylschutz" genossen habe, bei Beurteilung der Frage, ob er im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 in diesem Land vor Verfolgung sicher gewesen sei, rechtlich keine Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer hat nämlich keine hinreichenden Gründe dafür vorgebracht, warum es ihm nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, weiterhin mit Billigung der dortigen staatlichen Behörden in Ungarn zu bleiben. Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, daß für ihn Verfolgungssicherheit in Ungarn bestanden habe, kann nicht als unschlüssig angesehen werden (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0340, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0743). Daran vermag auch nichts zu ändern, daß damals in Ungarn ein kommunistisches Regime an der Macht war (vgl. dazu schon das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0906, 0907). Darauf, warum sich der Beschwerdeführer "in dieser Zeit" in Ungarn aufgehalten hat, kommt es nicht an. Hinsichtlich der Behauptung, er habe sich "auch wegen der zahlreichen in Ungarn befindlichen Rumänen insbesondere Securitateangehörgen nicht sicher gefühlt" und es sei "zu zahlreichen unliebsamen Vorfällen" gekommen, "die bewirkten, daß politisch verfolgte Personen auch in Ungarn vor den rumänischen Geheimdienstaktivitäten nicht sicher waren", ist er darauf hinzuweisen, daß es sich hiebei um ein bloß allgemein gehaltenes Vorbringen handelt, mit dem keine konkreten, individuell gegen den Beschwerdeführer selbst gerichteten Handlungen aufgezeigt werden (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0257). Wenn der Beschwerdeführer ins Treffen führt, daß ihm im September 1989 "weitere Fluchtgründe bekannt" geworden seien und "dies einer der Hauptgründe war, weshalb" er sich "schließlich im September 1989 endgültig entschloß, nicht mehr nach Rumänien zurückzukehren sondern um politisches Asyl anzusuchen", so ist ihm die Aktenlage entgegenzuhalten, wonach er im Verwaltungsverfahren seine Fluchtgründe ausschließlich auf Umstände gestützt hat, die bereits zum Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatlandes vorgelegen seien, sodaß unerörtert bleiben kann, ob dem Beschwerdeführer andernfalls die (ihm seiner Behauptung nach in Ungarn nicht mögliche) Geltendmachung von Asyl in Österreich durch die Heranziehung dieses Ausschließungsgrundes zu Unrecht verweigert wurde.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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