VwGH 93/01/1255

VwGH93/01/125522.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des IA in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 21. September 1993, Zl. 1W-1135/6/93, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FlKonv;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §11;
B-VG Art130 Abs2;
FlKonv;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §11;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 21. September 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13. August 1992 "um Verleihung bzw. Erstreckung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf seine Ehefrau FA" gemäß § 10 Abs. 3 in Verbindung mit den §§ 16 und 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllt, weil er noch nicht seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat. Von dieser Voraussetzung kann aber gemäß § 10 Abs. 3 StbG abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgestellt, daß der Beschwerdeführer, nachdem er vom August 1988 bis 15. Juni 1989 seinen Angaben zufolge im Auffanglager Traiskirchen aufhältig gewesen sei, erst seit dem letztgenannten Zeitpunkt in Österreich polizeilich gemeldet sei, und sie ist auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens davon ausgegangen, daß beim Beschwerdeführer "keine gesetzlichen Ausschließungsgründe" (offensichtlich gemeint: im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 StbG) vorlägen. Sie hat aber die Auffassung vertreten, daß - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - kein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gegeben sei.

Was unter einem "besonders berücksichtigungswürdigen Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht zum Ausdruck gebracht. Die belangte Behörde hat ausgeführt, daß als solche Gründe insbesondere angesehen werden könnten: Anerkennung als Konventionsflüchtling, sonstiges Fehlen des Schutzes des Heimatstaates oder Unzumutbarkeit, diesen zu beanspruchen, besondere Bindungen an Österreich, Geburt im Inland, längerer Voraufenthalt in Österreich, Mangelberuf, völlige Anpassung an die österreichischen Verhältnisse in Sprache und Lebensart. Dies entspricht der (aktuellen) Aufzählung in dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 betreffenden Bericht des Verfassungsausschusses (875 Blg NR 10. GP, Seite 4), der grundsätzlich nicht die Eignung abgesprochen werden kann, eine brauchbare Auslegungshilfe darzustellen, soweit dem nicht der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegensteht. Die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, ist daher für sich allein kein solcher besonders berücksichtigungswürdiger Grund, ist doch ausdrücklich gemäß § 11 zweiter Satz StbG bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft nur "GEGEBENENFALLS besonders auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention ist" (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Februar 1987, Zl. 87/01/0013, mit diesem Rechtssatz veröffentlicht in Slg. Nr. 12409/A, und vom 15. Juni 1988, Zl. 86/01/0191). Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte, aktenkundige Umstand, daß er (ebenso wie seine Ehegattin) Konventionsflüchtling sei, vermag daher der Beschwerde noch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dem Beschwerdeführer ist zwar - entsprechend der durch die Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1973, BGBl. Nr. 394, diesbezüglich durch eine Änderung des Gesetzeswortlautes erfolgte Klarstellung (siehe dazu RV 729 Blg NR 13. GP, Seite 5) - darin beizupflichten, daß im gegebenen Zusammenhang bereits das Vorliegen eines einzigen besonders berücksichtigungswürdigen Grundes genügt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber der Annahme der belangten Behörde, es fehle im Beschwerdefall auch sonst an einem derartigen Grund, der die Anwendung des § 10 Abs. 3 StbG zugunsten des Beschwerdeführers rechtfertige, nicht entgegenzutreten. Dabei kommt dem Umstand, daß die belangte Behörde in ihre Erwägungen miteinbezogen hat, daß aus den von ihr genannten Gründen auch in Ansehung der Ehegattin des Beschwerdeführers kein solcher berücksichtigungswürdiger Grund gegeben sei, es aber alleine darauf ankommt, ob ein solcher Grund auf seiten des antragstellenden Beschwerdeführers vorgelegen wäre, keine maßgebliche Bedeutung zu.

Die belangte Behörde gab in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Inhalt der vom Beschwerdeführer im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs erstatteten schriftlichen Stellungnahme vom 17. Februar 1993 - außer hinsichtlich seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich - dahingehend wieder, daß er einen festen Arbeitsplatz, die deutsche Sprache erlernt und einen größeren Bekannten- und Freundeskreis habe und man sagen könne, daß er und seine Familie sich schon recht gut in die staatliche Gemeinschaft in Österreich eingegliedert hätten. Nach Ansicht der belangten Behörde könnten aber die vorgebrachten Gründe bei objektiver Beurteilung nicht als solche im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG anerkannt werden. Nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens spreche zwar der Beschwerdeführer verständlich deutsch und verstehe die deutsche Sprache auch einigermaßen, könne jedoch äußerst mangelhaft deutsch lesen. Vor der ermittelnden Behörde habe sich der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin in ihrer rumänischen Muttersprache unterhalten. Der Beschwerdeführer (wie auch seine Ehegattin) habe auch nicht bestritten, daß er außerstande sei, seinen Lebenslauf in deutscher Sprache zu schreiben, und er habe seinen Angaben zufolge das Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft und die erforderlichen Formulare von einer deutschkundigen Person ausfüllen lassen. Wenn der Beschwerdeführer, der im übrigen diese Feststellungen nicht bekämpft, dem entgegenhält, daß er und seine Ehegattin "natürlich, wie viele Österreicher auch, in behördlichen Angelegenheiten nicht versiert sind und auch deshalb Hilfe seitens der Behörde in Anspruch genommen haben", so ist er darauf hinzuweisen, daß laut schriftlicher Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 8. Juni 1993, auf der diese Feststellungen beruhen, der Beschwerdeführer die Erklärung abgegeben hat, daß er (ebenso wie seine Ehegattin) nicht in der Lage sei, einen Lebenslauf abzufassen, da er nicht deutsch schreiben könne und (daher auch) "beim seinerzeitigen Ansuchen" um Verleihung der Staatsbürgerschaft "eine Person, die der deutschen Sprache mächtig ist, die entsprechenden Formulare ausgefüllt hat". Von einer völligen Anpassung des Beschwerdeführers an die österreichischen Verhältnisse in Sprache und Lebensart kann demnach, selbst wenn der Beschwerdeführer in Österreich bereits "einen größeren Bekannten- und Freundeskreis" - ungeachtet der weiteren Frage, wie sich dieser in bezug auf sein Herkunftsland zusammensetzt - hätte, keine Rede sein. Die belangte Behörde verweist zutreffend auf das grundsätzliche Einbürgerungserfordernis eines ununterbrochenen mindestens zehnjährigen Wohnsitzes in Österreich gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG, dem der Gedanke zugrundeliegt, daß nur ein langjähriger inländischer Wohnsitz hinreichend Gewähr dafür bietet, daß sich der Fremde in Österreich assimiliert hat, und davon nur "aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen" abgesehen werden kann (siehe auch dazu AB 875 Blg NR 10. GP, Seite 4). In diesem Sinne kommt eine Ausnahme vom Regelfall auch nicht schon dann in Betracht, wenn ein "berücksichtigungswürdiger Grund", davon abzugehen, gegeben ist, sondern es muß sich hiebei vielmehr um einen "BESONDERS berücksichtigungswürdigen Grund" handeln. Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, einen derartigen in seiner Person liegenden gewichtigen Grund darzutun (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juni 1988, Zl. 86/01/0191, in dem zum Ausdruck gebracht wurde, daß Behauptungen in der Richtung, der Beschwerdeführer sei in Österreich voll integriert, nie in finanzielle Not geraten und auch nicht der staatlichen Fürsorge zur Last gefallen, hiefür nicht ausreichen). Schon wegen Fehlens dieser (zwingenden) Verleihungsvoraussetzung konnte dem Antrag des Beschwerdeführers nicht stattgegeben werden, andernfalls der belangten Behörde - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - darüber hinaus eine Ermessensentscheidung gemäß § 11 StbG, bei der sie sich von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei zu leiten gehabt hätte, oblegen wäre (vgl. außer dem schon erwähnten Erkenntnis zur Zl. 87/01/0013 jenes vom 21. Jänner 1987, Zl. 87/01/0002).

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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