VwGH 93/01/1178

VwGH93/01/117823.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. September 1993, Zl. 4.329.215/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §14 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §41 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §14 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 29. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 7. Jänner 1992 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Nach der Begründung des Bescheides habe der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 11. Jänner 1992 angegeben, er habe mit der PKK sympathisiert. Er sei Kurde und Alevite und daher in seiner Heimat als Mensch zweiter Klasse behandelt worden. Er sei bereits seit Jahren unterdrückt worden, weshalb er im Jahre 1978 von Bingöl nach Erzincan gezogen sei. Er habe keine Ruhe gehabt und sei wegen seiner Religion abgelehnt worden. Im Jahre 1985 sei er einmal festgenommen und einen Tag in Arrest gehalten worden, da er Plakate der PKK angebracht habe. Er sei dabei verhört und geschlagen worden. Die kurdische Sprache habe er nicht sprechen dürfen. Bis zum Jahre 1987 habe er die PKK durch Geldspenden und durch Verteilen von Flugblättern unterstützt. Im Jahre 1987 habe er dann die aktiven Unterstützungen der PKK eingestellt. Die Situation der Kurden in der Türkei habe sich verschlechtert. Da auch die jetzige Regierung keine Besserung versprochen habe, sei er aus der Türkei ausgereist.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte mit Bescheid vom 12. Februar 1992 fest, daß bei dem Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling gemäß Art. 1 Abschnitt A Genfer Flüchtlingskonvention nicht vorliegen. Nach der Begründung des Bescheides machte der Beschwerdeführer in der Berufung geltend, daß er Opfer politischer Verfolgung in der Türkei gewesen sei und deshalb nicht mehr in diesen Staat zurückkehren wolle.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Zusammenhang mit seinem Vorbringen betreffend die Zugehörigkeit zu den Aleviten und zur kurdischen Volksgruppe keine konkreten, gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen dargetan und sprach aus, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl. Sofern ein behördliches Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet worden sei, weil er die PKK unterstützt habe, sei dies aus strafrechtlichen Überlegungen und nicht wegen seiner Gesinnung geschehen. Die belangte Behörde führt in diesem Zusammenhang detailliert aus, daß es sich bei der PKK um eine Organisation handle, die Terrorismus betreibe. Die strafrechtliche Verfolgung von Separatismus und insbesondere damit im Zusammenhang stehenden Terrorismus sei aber keine politische Verfolgung, wenn ein Mehrvölkerstaat damit seine Einheit und seinen Gebietsstand bewahren wolle. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verhaftung im Jahre 1985 und die dabei stattgefundenen Mißhandlungen würden aufgrund ihrer Intensität keinen ernsthaften Nachteil im Sinne des Asylgesetzes 1991 darstellen. Es habe sich dabei um eine verhältnismäßig geringe vorübergehende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität gehandelt, die keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991 darstelle. Diese Vorkommnisse stünden insbesondere auch in keinem zeitlichen Konnex zur Ausreise des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer habe daher nicht glaubhaft machen können, daß er Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich im Recht auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 Asylgesetz 1991 und in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren, insbesondere auf Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Da das Verfahren vor der belangten Behörde am 1. Juni 1992 anhängig war, war gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 dieses Gesetz anzuwenden.

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, daß der erstinstanzliche Bescheid nicht näher begründet gewesen sei und ihm daher "jede Möglichkeit genommen wurde, in seiner Berufungsschrift gezielt auf die Gründe zu reagieren, die die erstinstanzliche Behörde zu ihrer negativen Entscheidung veranlaßt". Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hat die belangte Behörde - es sei denn, es liegt einer der Fälle des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vor - von den Ergebnissen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens auszugehen. Eine mangelhafte Begründung des erstinstanzlichen Bescheides stellt keinen der Tatbestände des § 20 Abs. 2 leg. cit. dar. Daß die Voraussetzungen für einen der Fälle des § 20 Abs. 2 leg. cit. vorgelegen wären, macht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde selbst nicht geltend.

Sofern der Beschwerdeführer meint, es hätte ihm in erster und zweiter Instanz Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen gegeben werden müssen, so ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage ist, weshalb eine Verpflichtung der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG, der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, nicht in Betracht kommt.

Wenn der Beschwerdeführer weiters rügt, die erstinstanzlichen Ermittlungsergebnisse seien im Lichte des Berufungsvorbringens zumindest widersprüchlich, weshalb die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durchführen hätte müssen, ist wiederum auf § 20 Abs. 2 leg. cit. zu verweisen, nach dem nur in den Fällen eines offenkundigen Mangels des Ermittlungsverfahrens, wenn dem Asylwerber im Berufungsverfahren Bescheinigungsmittel zur Verfügung stehen, die ihm im bisherigen Verfahren nicht zugänglich waren oder bei Änderung des Sachverhaltes, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegen ist, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens durchzuführen ist. Daß ein derartiger Fall des § 20 Abs. 2 leg. cit. vorgelegen wäre, wird in der Beschwerde selbst nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer ist auch der Auffassung, die belangte Behörde habe gegen den Grundsatz der materiellen Wahrheit verstoßen. Sie hätte weitere Ermittlungen insbesondere dahingehend durchführen müssen, ob der Beschwerdeführer nicht von weiteren, gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen betroffen gewesen sei und aufgrund welcher konkreter Umstände der Beschwerdeführer letztlich die Flucht angetreten habe. Gemäß dem für die Ermittlungspflicht maßgeblichen § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 haben die Asylbehörden zwar in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Beschwerdeführers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/1106, vom 29. Oktober 1993, Zl. 92/01/1105, und vom 16. Dezember 1993, Zl. 92/01/1102).

Wenn sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, daß die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Mißhandlungen durch die Polizei im Jahr 1985 als nicht ausreichend intensiv angesehen habe, kommt dieser Rüge schon deshalb keine rechtliche Relevanz zu, weil dieses Ereignis jedenfalls in keinem ausreichenden zeitlichen Konnex zu der Ausreise des Beschwerdeführers steht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0941). Aufgrund dieses mangelnden zeitlichen Konnexes der gegen den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Aufhängen von Plakaten für die PKK stehenden staatlichen Maßnahmen im Jahr 1985 muß nicht näher darauf eingegangen werden, daß die belangte Behörde diese Maßnahmen im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264, und vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703) bloß als strafrechtliche Verfolgung und nicht als Verfolgung aus politischen Gründen ansah.

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht Beeinträchtigungen verlangt, die aufgrund ihrer Intensität einen ernsthaften Nachteil für den Asylwerber darstellten. Wesentliches Element des Flüchtlingsbegriffes sei nach Auffassung des Beschwerdeführers die begründete Furcht vor Verfolgung, wobei keinerlei konkrete Beeinträchtigungen, insbesondere nicht solche von bestimmter Intensität, erforderlich seien. Die belangte Behörde hat zu Recht und im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Ansicht vertreten, daß staatliche Verfolgungsmaßnahmen asylrechtlich nur dann von Bedeutung sind, wenn sie eine bestimmte Intensität erreichen, sodaß dem Asylwerber ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland unerträglich wäre (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0285 und die in diesem zitierte Vorjudikatur).

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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