Normen
AVG §45 Abs3;
AVG §67c Abs4;
AVG §67d;
AVG §8;
B-VG Art129a Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §67c Abs4;
AVG §67d;
AVG §8;
B-VG Art129a Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
1. Die Beschwerden gegen den Bescheid vom 5. Mai 1993, insoweit er den Kostenzuspruch betrifft, und gegen den Bescheid von 1. Juni 1993 werden zurückgewiesen.
2. Im übrigen wird die Beschwerde gegen den Bescheid vom 5. Mai 1993 als unbegründet abgewiesen.
Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Aufgrund der Verwaltungsakten ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Am 16. Dezember 1992 erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an die belangte Behörde gemäß Art. 129a B-VG wegen einer von Sicherheitswachebeamten der Bundespolizeidirektion Wien am 18. November 1992 durchgeführten Amtshandlung. Die mitbeteiligte Partei machte in mehrfacher Hinsicht die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend. Die Beschwerde wurde der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme übermittelt, die am 27. Jänner 1993 eine Gegenschrift erstattete. Am 4. Februar 1993 wurde die Bundespolizeidirektion Wien zu einer öffentlich-mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde geladen. Als Termin wurde der 4. Juni 1993, 8.30 Uhr, angegeben. Die mündliche Verhandlung fand tatsächlich am 6. April 1993 statt. Die Beschwerdeführerin wurde durch in der Ladung vertauschte Ziffern für einen falschen Zeitpunkt (für 4.6. statt für 6.4.1993) geladen. Zur Verhandlung erschienen die mitbeteiligte Partei und die geladenen Zeugen. Die Verhandlung wurde zur Einvernahme weiterer Zeugen auf den 3. Juni 1993 vertagt, was der Beschwerdeführerin nicht mitgeteilt wurde. Es erging jedoch bereits am 5. Mai 1993 der Bescheid der belangten Behörde, mit dem die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die verfahrensgegenständliche faktische Amtshandlung in mehrfacher Hinsicht ausgesprochen wurde, einschließlich eines Zuspruches von Kosten an die mitbeteiligte Partei, die der Bundesminister für Inneres zu leisten habe. Durch die Zustellung des Bescheides erfuhr die Beschwerdeführerin vom tatsächlichen Termin der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Die mitbeteiligte Partei machte in der Folge Kosten für die Verhandlung vom 6. April 1993 geltend, dieser Antrag wurde der Beschwerdeführerin nicht zur Stellungnahme übermittelt. Mit Bescheid vom 1. Juni 1993 wurde der mitbeteiligten Partei für die mündliche Verhandlung am 6. April 1993 ein Kostenersatz in der Höhe von S 9.277,-- zugesprochen, den der Bundesminister für Inneres zu leisten verpflichtet sei.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch die angefochtenen Bescheide im Recht auf Parteiengehör verletzt.
2. Die Beschwerden, insoweit sie sich gegen den Bescheid vom 1. Juni 1993 und die Kostenentscheidung im Rahmen des Bescheides vom 5. Mai 1993 wenden, sind unzulässig, da sich die Kostenentscheidungen an den Bund, vertreten durch den Bundesminister für Inneres, richten und die Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht nicht Bescheidadressat ist. Sie kann daher in diesem Zusammenhang nicht in ihren Rechten verletzt sein. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 1. Juni 1993 und jene gegen den Bescheid vom 5. Mai 1993, soweit sie den Kostenzuspruch betrifft, waren in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Beschwerdelegitimation zurückzuweisen.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat im übrigen über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 5. Mai 1993, soweit er nicht den Kostenzuspruch betrifft, erwogen:
Auch im Zusammenhang damit ist zunächst zu klären, ob die Beschwerdeführerin als belangte Behörde im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdelegitimiert ist. Gemäß § 67c Abs. 4 AVG ist Partei des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat auch die belangte Behörde. Es ist ihr somit durch Gesetz eine Parteistellung im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat eingeräumt. Die Begründung einer Parteistellung durch Gesetz vermittelt nicht ohne weiteres die Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. insbesondere die Judikatur zur Organpartei u.a. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. 10.511/A, und das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1988, Slg. 12.662/A und die in letzterem zitierte Judikatur; siehe in diesem Sinne auch RV 1089 XVII GP, S 12 zu § 67c Abs. 4 AVG). Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kommt es darauf an, ob die Partei, im vorliegenden Fall die Organpartei, durch den Bescheid in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein kann. Während dies grundsätzlich nur bei einem Beschwerdeführer in Frage kommt, der sich auf eine eigene, gegen den Staat - als Träger der Hoheitsgewalt - gerichtete Interessensphäre zu berufen vermag (vgl. die zitierte Vorjudikatur), hat der Verwaltungsgerichtshof auch in Fällen, in denen einer Organpartei keine eigene, gegen den Staat gerichtete Interessensphäre zukam, zur Vertretung bestimmter, dem Staat zuzurechnender Interessen Beschwerdelegitimation zur Durchsetzung der aus der Parteistellung folgenden prozessualen Befugnisse eingeräumt (siehe den hg. Beschluß vom 29. Oktober 1980, Slg. 10.278/A, und das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1988, Slg. 12662/A). Die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte stellen danach subjektive öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung die Organpartei in einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG geltend machen kann.
Nach den im vorliegenden Fall für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin maßgebenden Bestimmungen im AVG (insbesondere § 67c Abs. 4, § 67d, § 45 Abs. 3 AVG) ist sie Partei des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat und es sind ihr damit die im AVG angeführten prozessualen Rechte der Partei (u.a. Recht auf Bescheid, auf Akteneinsicht, auf Berufung, auf Parteiengehör, auf Ladung zur öffentlichen Verhandlung) eingeräumt. Subjektiv öffentliche Rechte des materiellen Rechtes könnten demgegenüber der Beschwerdeführerin nur aufgrund einer Regelung des Materiengesetzgebers zustehen (vgl. die zitierten Materialien). Eine solche Regelung besteht nicht.
Auf der Grundlage der angeführten Judikatur ist auch im vorliegenden Fall die Beschwerdelegitimation gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zur Durchsetzung der sich aus der Parteistellung der Beschwerdeführerin ergebenden prozessualen Befugnisse zu bejahen. Der Umstand, daß der belangten Behörde als Partei nicht ausdrücklich die Vertretung bestimmter staatlicher Aufgaben - wie in den Anlaßfällen der zitierten Vorjudikatur - übertragen wurde, kann an diesem Ergebnis nichts ändern, weil sich allein aus der Einräumung der Parteistellung im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ableiten läßt, daß damit der betroffenen Behörde die Möglichkeit im Rahmen der aus der Parteistellung erfließenden Verfahrensrechte gegeben werden sollte, die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung zu VERTEIDIGEN (vgl. Mayer, in Mayer - Stöberl, Die unabhängigen Verwaltungssenate im Rechtsschutzsystem, ÖJZ 1991, 262; vgl. auch die zuletzt zitierte Judikatur; in diesem Sinne auch Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 1992, 73, insb. Fn 103; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes5, 1991, 217 RdNr. 548/8, und Mayer, Die Unabhängigen Verwaltungssenate im Rechtsschutzsystem, ÖJZ 1991, 263).
In bezug auf die von der Beschwerdeführerin allein geltend gemachte Verletzung des Parteiengehörs kommt ihr daher Beschwerdelegitimation zu. Sie macht eine Verletzung des Parteiengehörs insofern geltend, als sie zu einem falschen Termin zur öffentlichen mündlichen Verhandlung geladen worden sei. Es sei weiters in der mündlichen Verhandlung erstmals die Behauptung aufgestellt worden, daß eine Durchsuchung einer Aktentasche vorgenommen worden sei. Auch dazu habe sie nicht Stellung nehmen können. Weiters sei das Parteiengehör dadurch verletzt worden, daß der Leiter der ursprünglichen Amtshandlung als Zeuge in der Verhandlung aufgefordert worden sei, die Namen weiterer Zeugen zu nennen und seine Angaben außerhalb der mündlichen Verhandlung zu präzisieren.
Die Beschwerdeführerin ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß die Geltendmachung der Verletzung des Parteiengehörs allein vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht genügt, sondern dargelegt werden muß, inwiefern die dem Bescheid zugrundegelegten Feststellungen bekämpft werden und was die Beschwerdeführerin vorgebracht hätte, wenn sie an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hätte bzw. wenn ihr Gelegenheit gegeben worden wäre, zum neuen Vorbringen der Mitbeteiligten Stellung zu nehmen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Dezember 1976, Slg. 9191/A, vom 20. Oktober 1978, Slg. 9668/A, vom 11. März 1980, Zl. 1679/78 und vom 15. Mai 1986, Zl. 84/08/0075 u.a.). Solche Darlegungen fehlen in der Beschwerde. Dem Umstand, daß der als Zeuge vernommene Leiter der Amtshandlung zur Präzisierung seiner Angaben außerhalb der Verhandlung aufgefordert worden sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil es zu einer solchen weiteren Beweisaufnahme tatsächlich nicht gekommen ist.
Die Beschwerde war daher in bezug auf den Bescheid vom 5. Mai 1993 (ausgenommen die Kostenentscheidung) gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Ein Kostenzuspruch an die belangte Behörde kam nicht in Betracht, da der Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG, in dessen Namen die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde gehandelt haben, ident ist, nämlich der Bund (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0226). Im übrigen gründet sich der Ausspruch über den Aufwandersatz auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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