Normen
AVG §33 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AVG §33 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom 29. April 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 18. März 1991 um 9.58 Uhr in Wien VIII., Schlesingerplatz gegenüber 1, sein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne die Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet zu haben, da der Parkschein gefehlt habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 47/1974, idgF, begangen und es wurde gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Stunden) verhängt.
Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer Einspruch. Ein dahingehendes Telex langte bei der Magistratsabteilung 4 am 11. Juni 1991, d.h. einen Tag nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, ein.
Im Rahmen des behördlichen Erhebungsverfahrens betreffend den Grund für die Überschreitung der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist, teilte die Telegraphenzentralstation über Anfrage mit, daß der Beschwerdeführer seinen Einspruch mittels Telegramm am 10. Juni 1991 um 20.52 telefonisch aufgegeben habe. Dieses Telegramm habe jedoch zunächst durch die Post nicht zugestellt werden können, da die vom Absender angegebene Anschrift "Mag. Wien" nicht als Telegrammkurzanschrift vereinbart bzw. vorgemerkt sei. Erst nach Anfrage beim Magistrat habe das Telegramm am 11. Juni 1991 um 7.44 Uhr zugemittelt werden können. Wie die Telegraphenzentralstation weiters ausführte, habe sie bereits im September 1988 auf den richtigen Wortlaut der für den Magistrat der Stadt Wien seit 1949 registrierten Telegrammkurzanschrift "Magistrat Wien" aufmerksam gemacht.
In der Folge erging das im Spruch der Strafverfügung vom 29. April 1991 im wesentlichen gleichlautende Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 16. September 1992 (zusätzlich zur verhängten Geldstrafe wurde ein Betrag von S 30,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt).
Gegen dieses Straferkenntnis berief der Beschwerdeführer. Ein dahingehendes Telex langte beim Magistrat am 2. Oktober 1992, d.h. wiederum einen Tag nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist ein.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid vom 4. November 1992 wies der unabhängige Verwaltungssenat Wien die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück. In der Begründung führte der Unabhängige Verwaltungssenat aus, daß das angefochtene Straferkenntnis vom 16. September 1992 nach einem Zustellversuch am 17. September 1992 hinterlegt und ab dem 17. September 1992 zur Abholung bereitgehalten worden sei. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist habe daher am 17. September 1992 begonnen und ende am 1. Oktober 1992. Die Berufung sei jedoch erst am 2. Oktober 1992 "(per Fax)", und somit offensichtlich verspätet, eingebracht worden. Dieser Sachverhalt sei dem Beschwerdeführer mit Vorhalt vom 9. Oktober 1992 zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit geboten worden, innerhalb von 2 Wochen Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit habe er jedoch keinen Gebrauch gemacht, es stehe daher nach der Aktenlage fest, daß die Berufung verspätet eingebracht worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Sachentscheidung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist festzustellen, daß sich aus der Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür ergeben, der gegen die Strafverfügung vom 29. April 1991 erhobene Einspruch sei nicht rechtzeitig gewesen. Dies wird auch durch das Vorgehen der Behörde, die ein ordentliches Verwaltungsverfahren einleitete, bestätigt.
Wie in der Beschwerde ausgeführt wird, wurde die Berufung des Beschwerdeführers am 1. Oktober 1992 im Wege der telefonischen Telegrammaufgabe vorgenommen. Dies geht auch (jedenfalls noch erkennbar) aus dem im Verwaltungsakt enthaltenen Telex hervor:
"... 92-10-02 07:14
114735-0 mag a
9010z tzst a
102
sad223
wien/tel 56/54 01 2218
tags
mag
wien
berufung gegen ma 4/5/pa 117611/1/0
.......
P ...."
Aus der Ziffernfolge 01 2218 im Kopf ist ersichtlich, daß die Berufung am 1. (Oktober 1992), um 22.18 Uhr "tel" aufgegeben wurde.
Der Tatbestand, welcher der belangten Behörde aufgrund des ihr zugänglichen Aktenmaterials - zu dessen Verwertung sie nach dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens verpfichtet war - vorgelegen war, muß, wenn die Beurteilung der Rechtssache durch den Verwaltungsgerichtshof einsetzt, von diesem so betrachtet werden, wie er sich der belangten Behörde zur Zeit der Fällung ihrer Entscheidung dargestellt hatte. Nach Fällung der Berufungsentscheidung zutage getretene Neuerungen können vom Verwaltungsgerichtshof in der Regel nicht berücksichtigt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 1953, Zl. 266/52, insofern in Slg. Nr. 2954/A nicht veröffentlicht). Umstände, die sich aus den Verwaltungsakten ergeben, fallen (daher) nicht unter den Begriff der Neuerung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1990, Zl. 89/17/0109).
Nun ist es zwar richtig, daß der Beschwerdeführer auf den Umstand, die Berufung bereits am 1. Oktober 1992 im Wege der telefonischen Telegrammaufgabe vorgenommen zu haben, nicht hingewiesen hat. Dieser Umstand war jedoch - wie sich aus dem oben wiedergegebenen Telefax ergibt - aktenkundig. Dazu kommt noch, daß im Hinblick auf die Vorgänge bei der Erhebung des Einspruches gegen die Strafverfügung bei der vom Beschwerdeführer vorgenommenen Art der Rechtsmittelerhebung offensichtlich nicht in der Sphäre des Beschwerdeführers liegende Verzögerungen eintraten, ohne daß diese auf die Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels einen Einfluß haben.
Die belangte Behörde ist damit ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Zu einem anderen Ergebnis kann aber auch die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretene Rechtsmeinung führen. Die belangte Behörde führt aus, die Tatsache, daß die Versendung des Telegrammes zwar am letzten Tag der Berufungsfrist telefonisch in Auftrag gegeben worden sei, die Übermittlung des Telegrammes an die zuständige Behörde aber erst nach Ablauf dieses Tages erfolgt sei, wäre nicht anders zu beurteilen, wie der Einwurf einer Berufung in einen Briefkasten am letzten Tag der Berufungsfrist, der aber am nächsten Tag geleert werde, wodurch die Berufung den Poststempel des Tages der Entleerung erhalte; unter Zugrundelegung dieser Rechtsmeinung sei als Tag der Postaufgabe der Tag der Zumittlung des Telegrammes anzusehen. Sofern sich damit die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 12. September 1963, Slg. N.F. Nr. 6086/A, zu berufen scheint, so wurde darin ausgeführt, daß für den Beginn des Postenlaufes nur maßgeblich sei, wann das Schriftstück von der Post in Behandlung genommen werde (d.h. wann der Kasten tatsächlich ausgehoben werde). Durchaus auf dem Boden dieses Erkenntnis kommt es daher allein darauf an, wann das in Frage stehende Telegramm von der Post "in Behandlung" genommen wurde; nicht aber ist es wesentlich, wann die Zumittlung des Telegrammes an die Behörde erfolgte, mit anderen Worten, das in Frage stehende Telegramm bei der Behörde einlangte. Hängt doch die Rechtzeitigkeit einer Rechtsmittelerhebung nicht davon ab, ob und gegebenenfalls wann die Einbringungsstelle von dem Rechtsmittel Kenntnis nimmt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 1977, Zl. 2499/76).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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