VwGH 92/17/0133

VwGH92/17/013325.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der Y-KG in X, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 19. Februar 1992, Zl. 1/02-28.060/22-1992, betreffend Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag zur öffentlichen Kanalisation (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs4 impl;
AVG §62 Abs4;
AVG §66 Abs4;
VwGG §43 Abs7;
AVG §37;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs4 impl;
AVG §62 Abs4;
AVG §66 Abs4;
VwGG §43 Abs7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der Gemeinde X hat an die beschwerdeführende KG am 27. Oktober 1986 folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Bescheid erlassen:

"BESCHEID

Die Ermittlung und Vorschreibung eines Interessentenbeitrages für das Hotel Y konnte erst zum gegenwärtigen Zeitpunkt stattfinden, als feststand, daß alle für die Ermittlung von Bewertungspunkten für das gegenständliche Objekt gegebenen Voraussetzungen, nämlich die technische und wirtschaftliche Möglichkeit der unschädlichen Ableitung von Schmutz- und Fäkalwässern in den unmittelbar am Hause vorbeiführenden Nebensammler K der Ortskanalisationsanlage sowie die grundbücherliche u. tatsächliche Abtrennung des als Hotel genutzten Gebäudeteiles von dem als Wohnobjekt genutzten Gebäudetrakt (Haus G) des ehemaligen Hotels Y geschaffen waren.

Spruch:

Nach den ermittelten Berechnungsgrundlagen wird für die

Liegenschaft EZ 8, Bp. 28/1, KG X, im Eigentum der Firma

Y-KG, gemäß ... die Vorauszahlung auf den

Interessentenbeitrag zur öffentlichen Kanalisation mit

dem ... Gesamtbetrag von S 682.000,--, festgesetzt und zur

Zahlung ... vorgeschrieben. ...

BEGRÜNDUNG

Die Berechnung des Punktewertes erfolgt durch die Division der auf die Interessenten umzulegenden Gesamtkosten in der Höhe von S 66,410.172,50 durch die für das gesamte Gemeindegebiet ermittelte Punktezahl gemäß der Bewertungspunkteverordnung des Amtes der Salzburger Landesregierung in der Höhe von 23.397 Punkten, somit einen derzeit ermittelten und mit Haushaltsbeschluß vom 17.12.1985 von der Gemeindevertretung beschlossenen Punktewert von S 2.500,--

Die beiliegende Interessentenbeitragskarte, welche auf Grund einer an Ort und Stelle stattgefundenen Ermittlung erstellt wurde, bildet somit einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides."

Die dem Bescheid angeschlossene Kanal-Interessentenbeitragskarte für Bp. Nr. 28/1, KG X, EZ. 8, geht bei der Punkteberechnung im Gast- und Schankgewerbebetrieb von 85 Fremdenbetten und 65 Sitzplätzen und bei der Privatzimmervermietung von 10 Fremdenbetten sowie beim Thermalwasser von 20.986 l Thermalwasser Tagesverbrauch im Jahresdurchschnitt aus. Die Gesamtsumme der Punkte ergibt 248. In dem der Beschwerdeführerin nicht zugegangenen Entwurf der Kanal-Interessentenbeitragskarte sind - im Unterschied zur Reinschrift dieser Karte - die Bp. Nr. 28/1, 28/2, 36/1, KG X, EZ. 8, angeführt.

Im ersten Rechtsgang hat die belangte Behörde den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde X vom 11. Februar 1987 nach eingebrachter Vorstellung mit Bescheid vom 20. März 1987 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde X verwiesen. Gemäß § 31 Abs. 6 der Salzburger Gemeindeordnung 1976 entscheide über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten der Gemeindeabgaben die Gemeindevorstehung. Der Bescheid sei auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung der Gemeinde X erlassen worden und in deren Namen vom Bürgermeister gefertigt worden. Es habe somit eine unzuständige Behörde entschieden.

Im zweiten Rechtsgang hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 24. Februar 1988 unter anderem den mit Vorstellung der Beschwerdeführerin angefochtenen Bescheid der Gemeindevorstehung X vom 21. Juli 1987, der die Vorschreibung von Vorauszahlungen auf den Interessentenbeitrag für Bp. 28/1, KG X, zum Gegenstand hatte, aufgehoben und die Angelegenheit an die Gemeinde X zurückverwiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, insoweit durch den angefochtenen Bescheid über die Interessentenbeitragspflicht nicht endgültig abgesprochen worden sei, sondern lediglich Vorauszahlungen vorgeschrieben worden seien, die bei der Beitragsvorschreibung ohnedies vollinhaltlich zu berücksichtigen sein würden, habe der angefochtene Bescheid Rechte der Vorstellungswerberin nicht verletzt. Er habe aber dadurch ihre Rechte verletzt, daß schon die Entscheidungsgrundlagen des angefochtenen Bescheides so mangelhaft erhoben worden seien, daß die Richtigkeit des Bescheides nicht nachvollzogen werden könne. Das Hotel Y stehe nach einen im Gemeindeakt erliegenden Lageplan auf den Grundstücken 28/1 und 36/1 je KG X (Haus X Nr. 3) sowie auf Grundstück Nr. 28/2 KG X (Haus X Nr. 4). Der angefochtene Bescheid schreibe Vorauszahlungen für das Hotel Y Bp. 28/1 KG X vor. Für den auf Grundstück Nr. 36/1 KG X stehenden Teil des Hotels Y würden mit dem angefochtenen Bescheid Vorauszahlungen nicht vorgeschrieben. Es sei nicht eruierbar, ob die auf diesen Teil entfallenden Vorauszahlungen in der Punkteberechung bereits enthalten seien oder nicht. Für den auf Bp. 28/2 KG X stehenden Teil des Hotels Y wieder würden Vorauszahlungen vorgeschrieben, allerdings mit gesondertem Bescheid, der sich nicht an die Eigentümer wende. Für das Haus G auf Bp. 28/3 KG X würden Vorauszahlungen wieder nicht vorgeschrieben. Da der angefochtene Bescheid somit nicht erkennen lasse, ob er sich auf das Hotel Y insgesamt oder nur auf die Teile des Hotels beziehe, die sich auf Bp. 28/1 KG X bezögen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Die gegen diesen Bescheid vom 24. Februar 1988 erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hat dieser mit Beschluß vom 9. März 1990, Zl. 88/17/0060, zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, im vorliegenden Fall habe die belangte Behörde ihre Aufhebung allein darauf gestützt, daß schon die Entscheidungsgrundlagen des (Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofes: mit der Vorstellung) angefochtenen Bescheides so mangelhaft erhoben worden seien, daß die Richtigkeit des Bescheides nicht nachvollzogen werden könne. Dieser Umstand rechtfertige im Hinblick auf die Unteilbarkeit des der Beschwerdeführerin im Beschwerdefall mit Gemeindeabgabenbescheiden im Instanzenzug erteilten Leistungsgebotes für sich allein die Aufhebung des mit Vorstellung bekämpft gewesenen Bescheides. Eines Rückgriffes auf weitere Begründungselemente des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides bedürfe es hiebei nicht; daher sei nur der eben erwähnte Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides für die Aufhebung tragend. Der von der Beschwerdeführerin bekämpfte Teil der dem angefochtenen Bescheid beigegebenen Begründung trage dagegen die Aufhebung nicht und entfalte daher auch keine Bindungswirkung.

Die Gemeindevorstehung der Gemeinde X hat im dritten Rechtsgang am 27. April 1988 folgenden (auszugsweise wiedergegebenen Bescheid erlassen:

"BESCHEID

Die Gemeindevorstehung hat in ihrer Sitzung vom 21.3.1988 gemäß § 31 Abs. 6 Salzburger Gemeindeordnung

LGBl. Nr. 56/76 auf Grund der durch Bescheid des Amtes der

Salzburger Landesregierung vom 24.2.1988 ... verfügten

Aufhebung und Zurückverweisung dieser Angelegenheit an die Gemeinde X wie folgt entschieden:

SPRUCH:

Die gegenständliche Berufung der Y-KG gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 27.10.1986, mit welchem lt. Beitragskarte für das Hotel Y Vorauszahlungen auf den Interessentenbeitrag in der Höhe von S 620.000,-- zzgl. Mwst., somit insgesamt von S 682.000,-- festgesetzt wurden, wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 i.d.g.F. in Zusammenhalt mit § 31 Abs. 6 Salzburger Gemeindeordung als UNBEGRÜNDET

ABGEWIESEN.

Der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 27.10.1986 wird vollinhaltl. bestätigt. Die vorgeschriebene Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag zur öffentlichen Kanalisation bezieht sich lt. beigeschlossener Punktekarte auf das gesamte Hotel Y im Eigentum der Y-KG, welches auf den Grundparzellen 28/1, 28/2 und 36/1, KG X, EZ 8 errichtet ist.

BEGRÜNDUNG

Gemäß Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung vom

24.2.1988 ... hat die Vorstellungsbehörde den Bescheid der

Gemeindevorstehung vom 21.7.1987 ... mit der Maßgabe

aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an die

Gemeinde X zurückverwiesen, die Entscheidungsgrundlagen des

angefochtenen Bescheides seien so mangelhaft erhoben

worden, daß die Richtigkeit des Bescheides nicht

nachvollzogen werden könne.

Darüber hinaus wird jedoch eindeutig festgestellt, daß die Vorschreibung einer Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag zur öffentlichen Kanalisation für das Hotel Y durch die Gemeinde zu Recht erfolgte und die Berechnungskriterien für die angefochtene Vorschreibung zutreffend seien. Lediglich durch das Fehlen der Aufzählung der 3 Parzellen, welche vom Hotel Y überbaut sind, könne nicht ersehen werden, ob und inwieweit die Gemeinde für das gesamte Hotel Interessentenbeiträge vorgeschrieben habe. Die Gemeindevorstehung hat daher eine neuerliche Überprüfung der vorhandenen Unterlagen und Aufzeichnungen vorgenommen und dabei festgestellt, daß die einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides des Bürgermeisters bildende Punkteerhebungskarte sämtliche Räume des gegenständlichen Hotels erfaßt und die Gesamtzahl der Punkte exakt gemäß den Bestimmungen der Punktebewertungsverordnung 1978 erhoben wurde. Die Vorschreibung des Bürgermeisters erfolgte demnach sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht, so daß daher wie im Spruche zu entscheiden war."

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung vom 4. Mai 1988 machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, daß die Berufungsbehörde nun den Verfahrensgegenstand für die Vorschreibungen auf Bp. 28/2 und 36/1 KG X EZ 8 erweitere. Damit aber spreche sie über einen Verfahrensgegenstand ab, der nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei. Sie entscheide also über eine andere Sache. Damit aber sei ihr Bescheid offenkundig mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. Februar 1992 wies die belangte Behörde diese Vorstellung als unbegründet ab und führte aus, dem in der Vorstellung erhobenen Vorwurf sei folgendes entgegenzuhalten:

  1. "1. Am 24.7.1986 erstellte ein Mitarbeiter der Gemeinde X handschriftlich die sogenannte "Kanal-Interessentenbeitragskarte" (ON 40). Im Kopf dieses Erhebungsformulares heißt es:

    Grundparzelle/Bauparzelle Nr. 28/1, 28/2, 36/1, KG X, EZ 8, Hausnummer N-Platz 2, Eigentümer: Y KG. Bauvorhaben (Hotel, Wohnhaus etc.) Hotel Y.

    Wie dem Gemeindeakt weiter zu entnehmen ist, wurde dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom 27.10.1986 eine maschinschriftlich übertragene Ausfertigung dieser "Kanal-Interessentenbeitragskarte" angeschlossen. Bei dieser Ausfertigung wurde in der ersten Rubrik die Parzelle 28/1 KG X angeführt, nicht aber die Bp. .28/2 und 36/1, KG X. Andererseits ist aber auf dieser Ausfertigung des Erhebungsformulares die Bezeichnung des Bauvorhabens "Hotel Y" angeführt. Auch aus der Einleitung des Bescheides ist zu entnehmen, daß "die Ermittlung und Vorschreibung eines Interessentenbeitrages für das Hotel Y ..."

    Gegenstand des Verwaltungsverfahrens bilden.

    Wenn daher die Gemeindevorstehung im Berufungsverfahren in Entsprechung der Vorstellungsentscheidung vom 24.2.1988 die Parzellenbezeichnung des Hotels Y ergänzt und so klarstellt, daß sich ihr Bescheid auf das gesamte Hotel Y bezieht, erfolgte keine unzulässige Ausdehnung des Verfahrensgegenstandes im Berufungsverfahren, sondern lediglich die exakte Festlegung der Entscheidungsgrundlagen bzw. des Sachverhaltes auch im Spruch des Bescheides.

  1. 2. Die Beurteilung, daß der Gegenstand des Berufungsverfahrens nicht über den des erstinstanzlichen Verfahrens hinausgeht, findet seine Deckung auch in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Danach kann, was "Sache" eines Verwaltungsverfahrens ist, nur aufgrund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift die die konkrete Verwaltungssache bestimmt, eruiert werden. Nach dem Salzburger Interessentenbeiträgegesetz ist nach § 2 die Bewertung des Ausmaßes der Inanspruchnahme der Anlage in Bewertungspunkten auszudrücken. Alle weiteren Normen im Zusammenhang mit der Ermittlung der Punkteeinheiten - vergleiche § 2 Abs. 2, 3 und 4 Salzburger Interessentenbeiträgegesetz auch die Bewertungspunkteverordnung 1978 - beziehen sich auf Wohnungsnutzfläche, Raumnutzfläche, Sitzplätze, Fremdenbetten, insgesamt sohin auf Gebäude oder Gebäudeteile, nicht aber auf Grund und Boden. Daraus folgt, daß von dem Zeitpunkt an, seit der Bürgermeister Ermittlungen zur Bemessung der Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag betreffend das Hotel Y gepflogen hat, "Sache des Verwaltungsverfahrens" das Hotel Y bildete, nicht aber der Grund und Boden auf dem dieses errichtet worden ist."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Aufhebung eines rechtswidrigen Bescheides durch die Vorstellungsbehörde (insbesondere in dem Recht, daß die Berufungsbehörde nicht über einen anderen Verfahrensgegenstand als die Unterbehörde entscheidet, sich über die Bindungswirkung von Bescheiden hinwegsetzt und daß der Beschwerdeführerin nicht zu Unrecht Vorauszahlungen für eine Kanalisationsanlage vorgeschrieben werden), verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem Beschwerdevorbringen ist zunächst strittig, ob die Gemeindevorstehung als Berufungsbehörde mit ihrem Bescheid vom 27. April 1988 über einen anderen Verfahrensgegenstand als die Erstbehörde abgesprochen und damit diesen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet hat.

Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann gemäß § 66 Abs. 2 des hier gemäß § 1 Abs. 7 IBG (siehe weiter unten) anzuwendenden AVG die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.

Außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall hat gemäß § 66 Abs. 4 AVG die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Daß die Berufungsbehörde "in der Sache selbst" zu entscheiden hat, bedeutet, daß sie sich mit der vorliegenden Verwaltungsache in gleicher Weise wie die Behörde erster Instanz zu befassen hat. Sie hat den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und rechtlich zu beurteilen und ein allenfalls bestehendes Ermessen auszuüben. Prozeßgegenstand der Berufungsentscheidung ist daher die Verwaltungssache, die zunächst der ersten Instanz vorlag (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz. 537 und 538).

Die maßgebenden Bestimmungen des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes, LGBl. 161/1962, i.d.F. vor der Novelle LGBl. 55/1988 (IBG), lauten auszugsweise wie folgt:

§ 1

(1) Zu den Herstellungskosten gemeindeeigener Abwasseranlagen - im folgenden kurz Anlagen bezeichnet - haben in Gemeinden des Landes Salzburg mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg die Interessenten nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes Beiträge zu leisten.

(2) Herstellungskosten sind jene Kosten, die der Gemeinde für die Herstellung, Erweiterung oder technische Verbesserung einer Anlage erwachsen.

(3) Interessenten sind die Eigentümer von Grundstücken, von denen Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die Anlage eingeleitet werden. Im Falle eines Baurechtes gelten die Berechtigten als Interessenten.

(4) Der durch Beiträge zu deckende Teil der Herstellungskosten darf nicht mehr als die Hälfte dieser Kosten ausmachen.

(5) Der Beitrag wird durch das Verhältnis bestimmt, in dem wertmäßig das Ausmaß der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage steht.

(6) Hat eine Gemeinde zu den Herstellungskosten einer Abwasseranlage anteilig beizutragen, so finden auf diesen Kostenanteil die Vorschriften dieses Gesetzes über Herstellungskosten für gemeindeeigene Abwasseranlagen Anwendung. Solche Anlagen sind insoweit gemeindeeigenen Abwasseranlagen gleichzuhalten.

(7) Der Beitrag wird von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als Gemeindeabgabe (§ 8 Abs. 5 F.-VG. 1948) nach den Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze (Art. II Abs. 5 EGVG. 1950) erhoben.

§ 2

(1) Die Bewertung des Ausmaßes der Inanspruchnahme der Anlage ist in Bewertungspunkten auszudrücken.

(4) In welchem Verhältnis zur Punkteeinheit die Inanspruchnahme der Anlage durch die Ableitung von Niederschlagswässern sowie von Abwässern aus gewerblichen oder anderen Betrieben oder sonstigen Einrichtungen und Anstalten mit besonderen Einrichtungen und Anstalten mit besonderem Abwasseranfall steht, hat die Landesregierung unter Zugrundelegung der jeweiligen fachlicher Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der Abwasserbeseitigung für die einzelnen gebräuchlich in Betracht kommenden Abwasserbeseitigungs- und Entwässerungsarten durch Verordnung festzustellen."

Der (im Sachverhalt auszugsweise wiedergegebene) Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 27. Oktober 1986 bezieht sich einerseits auf das Objekt "Hotel Y", andererseits ist nur die "Liegenschaft EZ 8, Bp. 28/1" genannt. Auch die an die Beschwerdeführerin ergangene, einen Bestandteil des Bescheides bildende Kanal-Interessentenbeitragskarte nennt zwar nur die "Bp. Nr. 28/1", die Punkteberechnung erfaßt - von der Beschwerdeführerin nicht nur unbestritten, sondern ausdrücklich angeführt (in dem Verwaltungsakt befindlichen Schreiben vom 18. Februar 1988) - jedoch den gesamten Hotelbereich. Somit erweist sich der Bescheid in dieser Fassung als mangelhaft.

Während Fehler der Beweiswürdigung, der rechtlichen Beurteilung oder der Begründung eines Bescheids (Behebung eines Begründungsmangels) einer Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG nicht zugänglich sind, können klar erkennbare, als offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten berichtigt werden. Es kommt dabei letztlich auch auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile bzw. auf den Akteninhalt an. Daher ist etwa eine Berichtigung auch zulässig, wenn die schriftliche Ausfertigung eines Bescheides mit der Urschrift oder mit dem Inhalt der mündlichen Verkündung nicht übereinstimmt (Walter-Mayer, aaO., Rz. 449). Nun war für die Beschwerdeführerin klar erkennbar, daß die Abgabenvorschreibung auf das gesamte in ihrem Eigentum stehende Objekt "Hotel Y" gerichtet war, das aber auf mehreren Grundstücken errichtet ist. Diese Grundstücke sind zwar im Entwurf der Kanal-Interessentenbeitragskarte angeführt, nicht aber in der an die Beschwerdeführerin ergangenen Erledigung.

Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.

Die Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, daß eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit liegt dann vor, wenn die ursprüngliche Entscheidung den Gedanken, denn die Behörde offenbar ausprechen wollte, unrichtig wiedergegeben, d.h. also wenn die zu berichtigende Entscheidung dem Willen der Behörde offensichtlich nicht entsprochen hat. Unter dem Titel einer Berichtigung dürfen keinesfalls nachträgliche Änderungen im Inhalt eines Bescheides vorgenommen werden. § 62 Abs. 4 AVG bietet keine Handhabe für eine inhaltlich berichtigende oder erklärende Auslegung des Spruches oder der Begründung eines Bescheides (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1985, Zl. 85/08/0124, samt angeführter Rechtsprechung).

Zur Berichtigung ist die Behörde zuständig, die den zu berichtigenden Bescheid erlassen hat. Die Berichtigung eines erstinstanzlichen Bescheides kann aber auch durch die Berufungsbehörde erfolgen (Hauer-Leukauf, Verwaltungsverfahren, E 14 zu § 62 Abs. 4 AVG).

Mit der Berufungsentscheidung vom 27. April 1988 hat die Gemeindevorstehung der Gemeinde X den erstinstanzlichen Bescheid inhaltlich nicht abgeändert - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend bemerkt, hat sich auch an der Bemessungsgrundlage und an der Höhe der Abgabenvorschreibung nichts geändert -, sondern die der ersten Instanz unterlaufenen offenkundigen Unrichtigkeiten berichtigt. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz durfte mit Recht, ohne damit von "der Sache selbst" abzuweichen und über einen anderen Verfahrensgegenstand abzusprechen, in der Berufungsentscheidung vom 27. April 1988 neben dem Grundstück 28/1 auch die Grundstücke 28/2 und 36/1, auf denen das Objekt "Hotel Y" errichtet ist, ausdrücklich im Bescheid anführen, hat sich doch die Abgabenvorschreibung der ersten Instanz, der Beschwerdeführerin erkennbar, auch darauf bezogen, wobei allerdings Fehler bei der Formulierung des Bescheides aufgetreten sind.

In der Beschwerde wird nun weiters vorgebracht, es sei ausgeschlossen, daß die Vorschreibung des Bürgermeisters in seinem Bescheid gegenüber der Beschwerdeführerin vom 27. Oktober 1986 auch unter anderem die Bauparzelle 28/2 erfaßt habe. Hinsichtlich dieser Grundfläche sei eine gesonderte Vorschreibung mit einem weiteren Bescheid vom 27. Oktober 1986 an die "Hausgemeinschaft N-Platz 1", also gegenüber einem anderen Bescheidadressaten, ergangen. Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin jedoch, daß die belangte Behörde in der Begründung des Bescheides vom 24. Februar 1988, mit dem weiters die Vorstellung der "Hausgemeinschaft N-Platz 1" gegen den Bescheid der Gemeindevorstehung der Gemeinde X vom 21. Juli 1987 als unzulässig zurückgewiesen wurde, ausgeführt hat, die "Hausgemeinschaft N-Platz 1" sei, wie ein vorgelegter Grundbuchsauszug beweise, nicht Eigentümerin des Baugrundstückes 28/2, KG X. Sie habe insgesamt auch nicht Rechtspersönlichkeit, sodaß Rechte, die verletzt sein könnten, gar nicht vorlagen, andererseits aber Pflichten gar nicht auferlegt werden könnten. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich überdies, daß sich neben dem "Hotel Y" auf Bp. 28/3, EZ 958, eine Appartmentanlage befindet, deren Eigentümer als "Hausgemeinschaft N-Platz 1" mit Bescheid zur Abgabenentrichtung herangezogen wurden. Aus den in diesem Verfahren u.a. unterlaufenen, nunmehr aufgeklärten Fehlern, nämlich die Appartmentanlage in dem an die genannte Hausgemeinschaft gerichteten Bescheid offenkundig fehlerhaft in Zusammenhang mit dem Grundstück 28/2 zu bringen, kann nicht abgeleitet werden, daß sich die mit dem an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid vom 27. Oktober 1986 erfolgte Abgabenvorschreibung nicht auf das Grundstück 28/2 bezogen haben soll. Gerade aus dem zuletzt genannten Bescheid ergibt sich nämlich, wie bereits dargestellt, eindeutig die Mitumfassung dieses Grundstückes. Eine Doppelvorschreibung der Abgaben ist jedenfalls auch schon deshalb ausgeschlossen, weil nach Ansicht der belangten Behörde die an die "Hausgemeinschaft N-Platz 1" gerichtete Erledigung ins Leere gegangen ist.

Auch der weitere Vorwurf, die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid über die Bindungswirkung des eigenen Bescheides vom 24. Februar 1988 hinweggesetzt, trifft nicht zu. Mit dem (bereits im Sachverhalt wiedergegebenen) Bescheid vom 24. Februar 1988 hat die belangte Behörde den damals bekämpften Bescheid vom 21. Juli 1987 deswegen aufgehoben, "da der angefochtene Bescheid somit nicht erkennen läßt, daß er sich auf das Hotel Y insgesamt oder nur auf die Teile des Hotels bezieht ...". Dieser Begründungsmangel des Bescheides vom 21. Juli 1987 im Zusammenhang mit der mangelhaften Erhebung der Entscheidungsgrundlagen haben zu der Aufhebung und Rückverweisung der Angelegenheit an die Gemeinde X geführt. Daß dem kassatorischen Vorstellungsbescheid vom 24. Februar 1988 nur durch Erlassung eines neuerlichen erstinstanzlichen Bescheides Rechnung getragen werden könnte, ergibt sich aus diesem nicht. Die Berufungsbehörde hat mit ihrem neugefaßten Bescheid vom 27. April 1988 vielmehr eine Entscheidung getroffen, die es auch nach Ansicht der Vorstellungsbehörde ermöglichte, nunmehr die Richtigkeit des Bescheides nachzuvollziehen. Damit hat sich die belangte Behörde aber keineswegs über die Bindungswirkung des eigenen Bescheides vom 24. Februar 1988 hinweggesetzt.

Wenn die Beschwerdeführerin sich ferner insbesondere auch in ihrem Recht verletzt erachtet, nicht zu Unrecht Vorauszahlungen für eine Kanalisationsanlage vorgeschrieben zu bekommen, fehlen diesbezüglich weitere Ausführungen in der Beschwerde wie auch in der Vorstellung vom 4. Mai 1988.

Dennoch erweist sich die Beschwerde als berechtigt. Die Berufungsbehörde hatte nämlich über die Berufung vom 11. November 1986 gegen den Bescheid vom 27. Oktober 1986 abzusprechen und dabei auf das Berufungsvorbringen einzugehen. Darin wird die Abgabenvorschreibung mit einer Anzahl von Berufungsgründen dem Grunde nach bekämpft. Darauf geht die Berufungsentscheidung jedoch nicht ein, sondern vermeint, die belangte Behörde habe in dem Bescheid vom 24. Februar 1988 "eindeutig festgestellt, daß die Vorschreibung einer Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag zur öffentlichen Kanalisation für das Hotel Y durch die Gemeinde zu Recht erfolgte und die Berechnungskriterien für die angefochtene Vorschreibung zutreffend seien". Die Berufungsbehörde hat damit insoweit eine Bindungswirkung an die Begründung des Bescheides vom 24. Februar 1988 angenommen, die allerdings tatsächlich nicht besteht. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Beschluß vom 9. März 1990, Zl. 88/17/0060, im Verfahren über die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den aufhebenden Vorstellungsbescheid vom 24. Februar 1988 dargestellt. Die Berufungsbehörde hätte daher über die genannte Berufung vom 11. November 1986 ihrem gesamten Umfang nach abzusprechen gehabt. Dort hat die Beschwerdeführerin u.a. vorgebracht, daß sich die Beitragsleistungen auf einen Haushaltsbeschluß der Gemeindevertretung vom 17. Dezember 1985 stützten, der jedoch nicht Grundlage der Beitragsleistung sein könne; Betten in Personalzimmern könnten nicht als Fremdenbetten betrachtet werden. Überdies sei eine Thermalwassereinleitung verfehlterweise der Berechnung zugrundegelegt worden und überhaupt fehle es hinsichtlich der Zulässigkeit der Vorschreibung an der Erfüllung des Tatbestandes. Weiters wurde auf eine Vereinbarung aus dem Jahre 1914 hingewiesen. Da die Berufungsbehörde über das Berufungsvorbringen jedoch überhaupt nicht abgesprochen hat, sondern von einer - tatsächlich nicht gegebenen - Bindung ausgegangen ist, ist ihr Bescheid inhaltlich begründungslos geblieben. Dieser Begründungsmangel hindert die Überprüfung des angefochtenen Bescheides. Da die belangte Behörde ihrerseits dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Aus den angeführten Erwägungen war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte