VwGH 92/07/0086

VwGH92/07/008628.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der M-AG in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 3. März 1992, Zl. VI/2-4246-1992, betreffend Durchführung notstandspolizeilicher Maßnahmen, zu Recht erkannt:

Normen

VwRallg;
WRG 1959 §117 Abs1;
WRG 1959 §117 Abs4;
WRG 1959 §31 Abs3;
VwRallg;
WRG 1959 §117 Abs1;
WRG 1959 §117 Abs4;
WRG 1959 §31 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 28. Mai 1991 wurde der Bezirkshauptmannschaft (BH) gemeldet, daß im Zuge von Arbeiten im Zusammenhang mit der Auflassung einer von der Beschwerdeführerin betriebenen Tankstelle in G. eine massive Kontaminierung von Erdreich mit Mineralöl festzustellen sei. In einer am 29. Mai 1991 von der BH im Beisein eines Vertreters der Beschwerdeführerin daraufhin durchgeführten örtlichen Erhebung wurde festgestellt, daß das auf eine gemeindeeigene Bauschuttdeponie verführte Aushubmaterial aus dem Tankstellenbereich intensiven Treibstoffgeruch aufweise und daß auch das Erdreich der im Tankstellenbereich ausgehobenen Grube eine gravierende Kontamination mit Mineralöl erkennen lasse. Die Verhandlungsniederschrift enthält im Anschluß an die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen dabei folgende "Vorschreibungen":

"1. Die beiden unterirdischen Lagertanks sind auszugraben und zu entfernen.

2. Das gesamte ölkontaminierte Erdreich ist auszubaggern und entsprechend "des Verunreinigungsgrades" entweder mittels Lkw auf hiefür geeignete Deponien oder bei massiver Belastung mittels Transportmulden zur weiteren Entsorgung zu verführen. Über die ordnungsgemäße Entsorgung des kontaminierten Materials sind entsprechende Nachweise auf Verlangen der behördlichen Organe vorzulegen.

3. Das in der Grube anfallende Sicker- bzw. Grundwasser ist über einen zu errichtenden und bis auf weiteres aufrecht zu erhaltenden Brunnenschacht abzupumpen und zwecks Trennung der Mineralölanteile im Wasser über einen Mineralölabscheider und nachgeschalteten Restölfilter in die Ortskanalisation abzuleiten.

4. Nach weitgehender Entfernung des mineralölverunreinigten Erdreiches ist im Beisein eines Vertreters der (Beschwerdeführerin), der ausführenden Baufirma, des Vertreters der BH und der Gewässeraufsicht eine Abschlußbesprechung durchzuführen, bei der die ordnungsgemäße Sanierung entweder bestätigt oder weitere Sanierungsmaßnahmen sowie die Herstellung des ursprünglichen Zustandes (Wiederverfüllung der Baugrube) festgelegt wird.

5. Über die Untersuchungsergebnisse der Boden- bzw. Erdreichproben (Bewertung des Verunreinigungsgrades entsprechend den Eluatklassen ÖNORM S 2.101) sind der Behörde entsprechende Abschriften der Untersuchungsergebnisse zur Verfügung zu stellen.

6. Alle beteiligten Firmen und auf der Baustelle beschäftigte (Personen) sind hinsichtlich der Vorgangsweise und Vorsichtsmaßnahmen entsprechend zu unterweisen."

Dem Inhalt der erstbehördlichen Akten nach wurde von der BH die Urschrift einer mit 3. Juni 1991 datierten und als Bescheid überschriebenen Erledigung unterfertigt, die im wesentlichen jener gleicht, welche den Gegenstand der mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid entschiedenen Angelegenheit gebildet hat. Ob und mit welchem definitiven Inhalt diese Erledigung der Beschwerdeführerin auch zugegangen ist, läßt sich dem Inhalt der Verwaltungsakten nicht völlig zweifelsfrei entnehmen.

Am 11. Juni 1991 kam es zu einer weiteren Begehung des Tankstellenbereiches durch die Wasserrechtsbehörde im Beisein unter anderem auch eines Vertreters der Beschwerdeführerin. Gegenstand der Amtshandlung war dem Inhalt der Niederschrift zufolge die Erörterung "zusätzlicher Maßnahmen zum Bescheid vom 3. Juni 1991". Nach Feststellungen über weitere Erdreichkontaminierungen und der Besprechung der weiteren Vorgangsweise findet sich unter "Vorschreibungen" der Hinweis, daß "die Vorschreibungen des vorgenannten Bescheides" aufrecht bleiben und daß seitens der Behörde weitere Maßnahmen veranlaßt würden, wenn mit den Sanierungsarbeiten bis spätestens 17. Juni 1991 nicht begonnen worden sein sollte.

Am 24. Juni 1991 erließ die BH einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Gemäß § 31 Abs. 3 des Wasserrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 215/1959, in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 252/1990, wurden zur Vermeidung einer Grundwasserverunreinigung folgende Sofortmaßnahmen angeordnet:

1. Die beiden unterirdischen Lagertanks sind auszugraben und zu entfernen.

2. Das gesamte ölkontaminierte Erdreich ist auszubaggern und entsprechend "des Verunreinigungsgrades" entweder mittels Lkw auf hiefür geeignete Deponien oder bei massiver Belastung mittels Transportmulden zur weiteren Entsorgung zu verführen. Über die ordnungsgemäße Entsorgung des kontaminierten Materials (sind) entsprechende Nachweise unaufgefordert der (BH) vorzulegen.

3. Das in der Grube anfallende Sicker- bzw. Grundwasser ist über einen zu errichtenden und bis auf weiteres aufrecht zu erhaltenden Brunnenschacht abzupumpen und zwecks Trennung der Mineralölanteile im Wasser über einen Mineralölabscheider und nachgeschalteten Restölfilter in die Ortskanalisation abzuleiten.

4. Über die Untersuchungsergebnisse der Boden- bzw. Erdreichproben (Bewertung des Verunreinigungsgrades entsprechend der Eluatklasse und geltende(n) ÖNORM) sind der Behörde entsprechende Abschriften der Untersuchungsergebnisse zur Verfügung zu stellen.

5. Alle beteiligten Firmen und auf der Baustelle beschäftigte Personen sind hinsichtlich der Vorgangsweise und Vorsichtsmaßnahmen entsprechend zu unterweisen.

Mit der unvorzüglichen Durchführung dieser Maßnahmen wird das Landeswasserbaubezirksamt Oberwart unter Mithilfe folgender Firmen beauftragt:

  1. 1.) Firma Josef St., ...
  2. 2.) Firma Hubert S., ...
  3. 3.) Firma K., ...
  4. 4.) Firma E., ...

    Gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 sind die Kosten, über deren Höhe ein gesonderter Bescheid ergehen wird, von der (Beschwerdeführerin) zu tragen.

    Einer eventuellen Berufung wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 AVG aberkannt."

    Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie sich zum einen dagegen wandte, über die ordnungsgemäße Entsorgung des kontatminierten Materials entsprechende Nachweise unaufgefordert der BH vorlegen zu müssen (Spruchpunkt 2. der in den Bescheidspruch aufgenommenen Vorschreibungen), und ferner bekämpfte, daß der Auftrag zur unverzüglichen Durchführung der vorgesehenen Maßnahmen an das Landeswasserbaubezirksamt Oberwart unter Mithilfe der genannten Unternehmen ergangen sei. Für das Verlangen der Behörde nach Vorlage eines Nachweises der ordnungsgemäßen Entsorgung des kontaminierten Materials bestehe kein berechtigter Grund; zu Unrecht vermeine die Behörde, daß die Beschwerdeführerin keine Gewähr für die Inangriffnahme der Maßnahmen biete, die von der Behörde verfügte Anordnung der Mithilfe der Firma St. bewirke wegen der Unangemessenheit der von diesem Unternehmen verrechneten Kosten eine ungerechtfertigte Erhöhung des Sanierungsaufwandes. Desgleichen wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung.

    Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin im Umfang der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung dahin Folge, daß sie den diesbezüglichen Ausspruch im vor ihr bekämpften Bescheid behob; im übrigen wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde begründend aus, daß die Voraussetzungen zur unmittelbaren Anordnung und unverzüglichen Durchführung der erforderlichen Maßnahmen nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 durch die Wasserrechtsbehörde vorgelegen seien, weil die Erstbehörde das Vorliegen von Gefahr im Verzug der Sachlage nach mit Recht angenommen habe. Es komme im übrigen den in den Spruch des Bescheides der BH vom 24. Juni 1991 aufgenommenen Vorschreibungspunkten normativer Charakter gar nicht zu, weil die Wasserrechtsbehörde erster Instanz schon in der Verhandlung vom 29. Mai 1991 diese Maßnahmen in Ausübung der Notstandspolizei bereits wirksam als Akte unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt angeordnet gehabt habe, sodaß die neuerliche Aufzählung der bereits angeordneten und durchgeführten Maßnahmen im Bescheidspruch entbehrlich gewesen wäre. Normativer Gehalt komme dem Bescheid vom 24. Juni 1991 nur in seinem Ausspruch darüber zu, daß gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 die Kosten, über deren Höhe ein gesonderter Bescheid ergehen werde, von der Beschwerdeführerin zu tragen seien, und im Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer eventuellen Berufung. Im Gegenstand läge demnach ein Kostenersatzbescheid vor, mit welchem über die bereits getroffenen Maßnahmen nicht mehr abgesprochen werde, sondern lediglich über die Pflicht zur Tragung der Kosten dieser Maßnahmen. Im Punkte der Bekämpfung des erstbehördlichen Ausspruchs über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung sei das Berufungsbegehren als berechtigt zu erkennen.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt; die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Selbstentsorgung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz, in ihrem Recht, Entsorgungsmaßnahmen von der Behörde direkt vorgeschrieben zu erhalten, in ihrem Recht, nicht Gegenstand der Annahme von Gefahr im Verzug gewesen zu sein, und in ihrem Recht, nicht zum Ersatz von übermäßigen Entsorgungskosten herangezogen zu werden, ebenso als verletzt wie in ihren Rechten auf gesetzmäßige Bescheidbegründung und auf ein mängelfreies Verwaltungsverfahren.

    Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die Beschwerdeabweisung beantragt.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

    Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu überprüfen, soweit er unter anderem nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gegeben findet. Eine solche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt im Beschwerdefall vor:

    Gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde, wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Gemäß § 117 Abs. 1 WRG 1959 entscheidet über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, sofern dieses Bundesgesetz (§ 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde. Nach dem vierten Absatz dieses Paragraphen ist gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 1 eine Berufung nicht zulässig, wobei die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde jedoch außer Kraft tritt, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt wird.

    Auf der Basis dieser Rechtslage kam der belangten Behörde eine meritorische Erledigung der von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der BH vom 24. Juni 1991 erhobenen Berufung nicht zu. Wenngleich die Feststellung der belangten Behörde, wonach in den Spruch des Bescheides der BH vom 24. Juni 1991 nur die bereits am 29. Mai 1991 unmittelbar angeordneten Maßnahmen dargestellt worden seien, insofern aktenwidrig ist, als sich die im Bescheidspruch wiedergegebenen Maßnahmen mit den "Vorschreibungen" in der Verhandlungsniederschrift vom 29. Mai 1991 gerade in dem von der Beschwerdeführerin bekämpften zweiten Satz des Vorschreibungspunktes 2. eben nicht decken, ist der belangten Behörde dennoch darin beizupflichten, daß schon die sprachliche Fassung der Wiedergabe der verfügten Maßnahmen im Spruch des Bescheides der BH vom 24. Juni 1991 erkennen läßt, daß die BH nicht Maßnahmen verfügen, sondern ihre bereits getroffene Verfügung - wenn auch insoweit aktenwidrig - darstellen wollte. Insoweit die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung die von der BH im Bescheid vom 24. Juni 1991 wiedergegebenen Maßnahmen und die Veranlassung ihrer sofortigen Durchführung in der verfügten Weise bekämpft hatte, ist der belangten Behörde im Ergebnis insoweit Recht zu geben, als einer solchen Bekämpfung das Fehlen eines normativ wirkenden Inhaltes des Bescheides erster Instanz entgegengestanden war. Umso verfehlter war es freilich von der belangten Behörde, die Berufung auch in diesem Punkt durch ihre Abweisung als unbegründet meritorisch zu erledigen, anstatt sie zufolge Unzuständigkeit der belangten Behörde wegen Vorliegens eines nur nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG bekämpfbaren Aktes der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zurückzuweisen.

    Soweit die belangte Behörde den Bescheidcharakter der vor ihr bekämpften Erledigung der BH vom 24. Juni 1991 im Ausspruch erblickt hat, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 die Kosten der verfügten Maßnahmen zu tragen habe, kam der belangten Behörde eine Zuständigkeit zur meritorischen Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerin selbst dann nicht zu, wenn dieser Berufung eine Bekämpfung auch dieses Ausspruches überhaupt entnommen werden durfte. § 117 Abs. 4 WRG 1959 erklärt eine Berufung gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach dem ersten Absatz dieses Paragraphen nämlich, wie oben dargestellt, für unzulässig und sieht hiefür die Anrufung des Gerichtes vor. § 117 Abs. 1 WRG 1959 umfaßt nicht nur Entscheidungen über die Höhe der Kosten, sondern auch Entscheidungen darüber, ob überhaupt eine derartige Leistung (Kostenersatz) zu erbringen ist. Die sukzessive Gerichtszuständigkeit gilt demnach auch für Bescheide, mit denen eine Kostenersatzpflicht dem Grunde nach - ohne Festsetzung der konkreten Höhe - ausgesprochen wurde, wobei es dahinstehen kann, ob eine solche Vorgangsweise überhaupt zulässig war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 1994, 93/07/0177, und vom 20. April 1993, 92/07/0217).

    Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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