VwGH 91/17/0174

VwGH91/17/017423.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen RA Dr. H in W, dieser vertreten durch Dr. R, RA in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 18. Juni 1991, Zl. MD-VfR - G 32/90, betreffend Gebühren für den öffentlichen Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst, zu Recht erkannt:

Normen

RettungsG Wr 1965 §1 Abs1 lita;
RettungsG Wr 1965 §1 Abs1 litc;
RettungsG Wr 1965 §6 Abs1 idF 1983/047;
RettungsG Wr 1965 §1 Abs1 lita;
RettungsG Wr 1965 §1 Abs1 litc;
RettungsG Wr 1965 §6 Abs1 idF 1983/047;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 28. Mai 1990 um 2.29 Uhr wurde der Wiener Städtische Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst zu dem nach der Aktenlage in Wien, Z-Straße 54, wohnhaften, zu diesem Zeitpunkt in Wien, S-Straße 23/1/10, sich aufhaltenden Beschwerdeführer gerufen. Auf dem Kontrollschein findet sich folgender Vermerk "des Rettungsarztes oder Transportführers: Lebensgef. war besorgt. "Pat". schlief. Wir erweckten ihn leicht. "Pat". orientiert. Hat Alkohol getrunken gehabt und dadurch gut geschlafen."

Mit Bescheid vom 17. Oktober 1990 sprach der Magistrat der Stadt Wien, Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst aus, der Beschwerdeführer sei verpflichtet, für die am 28. Mai 1990 erfolgte Inanspruchnahme "des öffentlichen Rettungsdienstes/Krankenbeförderungsdienstes gemäß §§ 5 und 6 des Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 22/1965 in der derzeit geltenden Fassung, und der hiezu ergangenen Gebührenordnung, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 49/89 im Zusammenhang mit § 157 Wiener Abgabenordnung, LGBl. für Wien Nr. 21/1962", eine Gebühr von insgesamt S 2.640,-- (einschließlich USt) binnen einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mündlich (§ 59 Abs. 3 LAO) Berufung und brachte darin im wesentlichen vor, er habe am 28. Mai 1990 bei Frau U, S-Straße 23/1/10 in Wien, geschlafen. Frau U habe mitten in der Nacht die Rettung gerufen, weil sie geglaubt habe, daß der Beschwerdeführer gestorben sei. Frau U habe ständig epileptische Anfälle und könne sich nicht mehr erinnern, die Rettung gerufen zu haben.

Am 6. Februar 1990 wurde U vor dem Magistrat der Stadt Wien, MA 17, niederschriftlich vernommen und gab an, am 28. Mai 1990 sei ihr "Bekannter" in den frühen Morgenstunden zu ihr gekommen, um zu übernachten. Er sei erheblich alkoholisiert gewesen und habe sich gleich schlafen gelegt. Dabei sei der Zeugin aufgefallen, daß der Beschwerdeführer plötzlich wie leblos gewirkt habe. Sie habe ernstliche Sorgen um seine Gesundheit gehabt. Nachdem sie mehrmals versucht habe, ihn zu wecken, er jedoch keinerlei Reaktion gezeigt habe, habe sie Angst gehabt, er könnte "eventuell" sogar sterben. Daher habe sie - keineswegs leichtfertig - den Rettungsdienst angefordert. Auch dem Rettungspersonal sei es nur mit Mühe gelungen, den Beschwerdeführer zu erwecken.

Am 5. April 1991 erschien über Vorladung die Mutter des Beschwerdeführers beim Magistrat der Stadt Wien, MA 17, und wies sich mit einer Vollmacht des Beschwerdeführers aus, in der es unter anderem heißt:

"Ich hoffe daß diese Sache die Frau U die Epileptikerin, Alkoholikerin u. schwer Nervenkrank ist, verursacht hat von Ihnen erledigt wird."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Die belangte Behörde führte hiezu im wesentlichen aus, jedenfalls habe auf Grund des Erscheinungsbildes des Beschwerdeführers das Vorliegen eines Einsatzgrundes mit gutem Grund angenommen werden können. Somit bestehe gemäß § 6 Abs. 1 des Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes die Gebührenpflicht zu Recht. Ein Eintritt eines Sozialversicherungsträgers nach § 7 Abs. 1 leg. cit. an die Stelle des Beschwerdeführers sei nicht in Frage gekommen, da die Wiener Gebietskrankenkasse die Kostenübernahme ausdrücklich abgelehnt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtheranziehung zur Gebührenentrichtung verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes, LGBl. Nr. 22/1965, idF. der Novelle LGBl. Nr. 47/1983 (in der Folge: Wr RKrBefG), lauten:

"§ 1

Öffentlicher Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst

(1) Der Stadt Wien obliegt es, Einrichtungen zur Ersten Hilfe (öffentlicher Rettungsdienst) für Personen aufrecht zu erhalten, die in Wien

a) außerhalb ihrer Unterkunft eine erhebliche Verletzung oder eine andere erhebliche Gesundheitsstörung erlitten haben;

b) einen lebensbedrohenden Unfall in ihrer Unterkunft erlitten haben;

c) in ihrer Unterkunft wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortiger ärztlicher Hilfe bedürfen, die anders nicht gewährleistet ist.

Die Erste Hilfe umfaßt, soferne es unbedingt notwendig ist, auch die Beförderung in eine Krankenanstalt oder in die Unterkunft.

(2) Der Stadt Wien obliegt es ferner, für Personen, die wegen ihres Gesundheitszustandes oder wegen Ansteckungsgefahr keine gewöhnlichen Verkehrsmittel benützen können, Einrichtungen zur Beförderung innerhalb Wiens in eine Krankenanstalt, in eine Unterkunft oder zu einem Bahnhof, einer Schiffstation oder einem Flugplatz aufrecht zu erhalten (öffentlicher Krankenbeförderungsdienst).

(3) Die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes oder des öffentlichen Krankenbeförderungsdienstes zu den vorangeführten Zwecken steht nach Maßgabe der vorhandenen Einrichtungen jedermann offen. Die Inanspruchnahme des öffentlichen Krankenbeförderungsdienstes zur Beförderung in eine Krankenanstalt hat jedoch zur Voraussetzung, daß die Aufnahme sichergestellt ist.

...

§ 5

Gebühr für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungs-

und Krankenbeförderungsdienstes

(1) Für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes oder des öffentlichen Krankenbeförderungsdienstes, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Beförderung), ist eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzwagens kommt.

(2) Der Gemeinderat wird ermächtigt, soferne eine solche Ermächtigung nicht ohnedies bundesgesetzlich eingeräumt ist, die Gebühren in einer Gebührenordnung festzusetzen.

...

§ 6

Zahlungspflicht

(1) Gebührenschuldner ist derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst oder der öffentliche Krankenbeförderungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder Beförderung wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne daß die in § 1 Abs. 1 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.

..."

Obwohl im Spruch des angefochtenen Bescheides (durch unveränderte Übernahme des erstinstanzlichen Bescheidspruches) undifferenziert von "Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes/Krankenbeförderungsdienstes" die Rede ist, geht aus der Begründung des angefochtenen Bescheides doch klar hervor, daß die belangte Behörde mit Recht die Inanspruchnahme des RETTUNGSDIENSTES angenommen hat. Die von der belangten Behörde zur Begründung der Gebührenpflicht des Beschwerdeführers herangezogene Bestimmung des § 6 Abs. 1 zweiter Satz Wr RKrBefG normiert hiebei die Gebührenpflicht des Gebührenschuldners bei Herbeirufung der Rettung (insbesondere auch durch einen Dritten), sofern die Voraussetzungen schon ursprünglich, also im Zeitpunkt der Herbeirufung, nicht vorlagen, jedoch auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 90/17/0421).

Auf Grund des sprachlichen Zusammenhanges der in Rede

stehenden gesetzlichen Bestimmung ("... Wenn der öffentliche

Rettungsdienst zu Personen GERUFEN WIRD, ... sofern das

Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde ANGENOMMEN WERDEN KONNTE.") ergibt sich weiters, daß das zuletzt genannte Tatbestandsmerkmal nicht auf jene Person zu beziehen ist, die den öffentlichen Rettungsdienst angerufen hat, sondern auf jene, die auf Seiten des öffentlichen Rettungsdienstes die Anrufung desselben entgegennimmt. Offenbar in diesem Sinne heißt es in den "Erläuterungen zur Änderung des Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes" (LGBl. Nr. 47/1983), es sei in § 6 Abs. 1 verankert worden, daß eine Gebühr auch dann zu entrichten sei, wenn wenigstens das Zustandsbild des "Patienten" das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen "annehmen LÄßT".

Der Beschwerdeführer bringt vor, Frau U sei wegen ihrer Nervenbeschwerden in Behandlung. Einmal sei sie schreiend durch das Haus gelaufen, da angeblich ein Toter in ihrem Bett gelegen sei. Der Nachbar habe dort nur den Schlafanzug ihres Sohnes vorgefunden. Bereits dies zeige, daß "die Dame" manchmal Sinnestäuschungen bzw. Verwirrungen habe. Am betreffenden Tage habe der Rettungsarzt Frau U zur Rede gestellt; diese habe nur gesagt, "Tote greife ich nicht an". Frau U habe offensichtlich wieder in einem Anfall geistiger Verwirrung einen Toten gesehen und daher den Rettungsdienst geholt. Sie nehme schwere Tabletten gegen ihre Krankheit und trinke trotzdem Alkohol. Diese Vorgangsweise bewirke offensichtlich manchmal diverse Verwirrungen.

Abgesehen davon jedoch, daß dieses Vorbringen zum Teil dem aus § 41 VwGG ableitbaren Neuerungsverbot widerspricht, kommt es nach oben Gesagtem nicht darauf an, ob Frau U nach ihrer psychischen oder geistigen Verfassung in der Lage war, das Zustandsbild des Beschwerdeführers zutreffend wiederzugeben, sondern ob jene(r) Mitarbeiter(in) des Rettungsdienstes, der (die) dessen Anrufung durch U entgegennahm, auf Grund ihrer Schilderung die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 lit. c leg. cit. mit gutem Grund annehmen durfte oder nicht.

Diese Frage muß jedoch auf Grund der oben wiedergegebenen Aussage der U bejaht werden. Daß die belangte Behörde diese Aussage nicht bzw. nicht vollständig in ihre Feststellungen übernahm, stellt deshalb keinen wesentlichen Verfahrens-(Begründungs-)Mangel dar, weil sie auch bei Vermeidung dieses Mangels zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.

Zu Unrecht rügt daher der Beschwerdeführer auch die Unterlassung der zeugenschaftlichen Einvernahme des Rettungsarztes bzw. der Sanitäter, welche ergeben hätte, daß der Beschwerdeführer lediglich (tief atmend) geschlafen habe und sofort beim ersten Weckversuch aufgewacht sei. Denn es kam auf das Zustandsbild im Zeitpunkt des Herbeirufens des Rettungsdienstes und nicht in jenem von dessen Eintreffen an.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß hier nur der Fall des § 1 Abs. 1 lit. c) leg. cit. in Betracht kam. Die hier ausschließlich in Betracht kommenden Voraussetzungen der lit. a) und c) dieser Gesetzesstelle sind nämlich durchaus verschieden: Bei Personen, die sich "außerhalb ihrer Unterkunft" befinden, genügt nach lit. a), daß sie dort eine erhebliche Verletzung oder eine andere erhebliche Gesundheitsstörung erlitten haben; bei Personen, die sich "in ihrer Unterkunft" befinden, wird hingegen vorausgesetzt, daß sie wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortiger ärztlicher Hilfe bedürfen, die anders nicht gewährleistet ist.

Unter "Unterkunft" im Sinne dieser Gesetzesstelle wird hiebei jede von der betreffenden Person benützte Wohnmöglichkeit zu verstehen sein. Diese Voraussetzung traf für den Beschwerdeführer für den fraglichen Zeitpunkt in der Wohnung der Frau U in Wien, S-Straße 23, zu, gleichgültig, ob die Genannte die "Lebensgefährtin" des Beschwerdeführers ist bzw. war oder nicht. Auch die diesbezügliche Rüge des Beschwerdeführers geht daher ins Leere.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

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