VwGH 91/17/0008

VwGH91/17/000811.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark in Graz, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 26. April 1990, Zl. A 8-K-309/1989-3, betreffend Ankündigungsabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

AnkündigungsabgabeV Graz 1985 §3 Abs1;
AnkündigungsabgabeV Graz 1985 §3 Abs2;
B-VG Art139 Abs1;
LAO Stmk 1963 §182;
LAO Stmk 1963 §183;
LAO Stmk 1963 §184;
Statut Graz 1967 §45 Abs2 Z11;
AnkündigungsabgabeV Graz 1985 §3 Abs1;
AnkündigungsabgabeV Graz 1985 §3 Abs2;
B-VG Art139 Abs1;
LAO Stmk 1963 §182;
LAO Stmk 1963 §183;
LAO Stmk 1963 §184;
Statut Graz 1967 §45 Abs2 Z11;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 7.580,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 20. April 1989 ersuchte die Beschwerdeführerin als Trägerin der Volkshochschule um Befreiung von der Anzeigenabgabe, rückwirkend ab 1. Jänner 1989, für alle Werbemaßnahmen, die im Zusammenhang mit Veranstaltungen der Volkshochschule stünden.

Mit weiterer Eingabe vom 12. Mai 1989 wurde dieses Ansuchen um Befreiung von der Ankündigungsabgabe dahin präzisiert, daß es diverse Ankündigungen für Veranstaltungen im "Sommertrimester 1989 in der Zeit vom 1.1. - 30.6.1989" betreffe. Da die Veranstaltungen vorwiegend Bildungszwecken dienten und eine Erwerbsabsicht nicht vorliege, seien die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 3 Abs. 2 der Ankündigungsabgabe-Verordnung vom 5. Dezember 1985 (im folgenden: Grazer AnkAbgV 1985) gegeben.

Mit Bescheid vom 6. November 1989 gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz diesem Ansuchen keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die von der Beschwerdeführerin durchgeführten Ankündigungen dienten zwar Bildungszwecken, seien aber mit Erwerbsabsichten (Kursgebühren) verbunden, sodaß die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Abgabe nicht vorlägen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Anwendung des § 3 Abs. 2 Grazer AnkAbgV 1985 stelle, wenn die geforderten Bedingungen erfüllt seien, eine Ermessensentscheidung dar. Vor Anwendung des Ermessens sei daher zu prüfen, ob die Bedingungen ("Ankündigungen ohne Erwerbsabsichten, wissenschaftlichen, gemeinnützigen oder Bildungszwecken dienend") erfüllt seien. Die Beschwerdeführerin vertrete die Ansicht, aus dem Umstand, daß gemäß § 1 Abs. 1 und § 2 Arbeiterkammergesetz die Kammern für Arbeiter und Angestellte berufen seien, die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Dienstnehmer zu vertreten und zu fördern, und in diesem Auftrag auch die Hebung der kulturellen, geistigen und körperlichen Ausbildung der Arbeiter und Angestellten enthalten sei, sei abzuleiten, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Grazer AnkAbgV 1985 seien erfüllt. Es bestehe nach Ansicht der Beschwerdeführerin überhaupt kein Zweifel daran, daß die Einrichtung der Volkshochschule ausschließlich und ohne jegliche Erwerbsabsichten gemeinnützigen Bildungszwecken diene. Zu diesem Berufungsvorbringen sei anzumerken, daß teilnahmeberechtigt an den Kursen der Volkshochschule jeder sei, der das 14. Lebensjahr vollendet habe. Das Bildungsangebot der Volkshochschule richte sich daher nicht nur an kammerzugehörige Arbeiter und Angestellte, sondern an die gesamte Bevölkerung (auch freiberuflich Tätige, Unternehmer und Schüler über 14 Jahre). Für den Besuch der Kurse sei von jedem ein Kursbeitrag zu entrichten. Die Ankündigungen beabsichtigten daher eine möglichst große Anzahl an Kursteilnehmern zu gewinnen. Die Höhe des Kursbeitrages sei unabhängig von der Teilnehmerzahl. Aus diesem Umstand sei klar ersichtlich, daß die Ankündigungen nicht ohne Erwerbsabsichten getätigt würden.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1990, B 703/90, abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen in dem Recht auf Befreiung von der Ankündigungsabgabe verletzt. Sie beantragt - und zwar erkennbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes -, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Grazer AnkAbgV 1985, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1986,

S. 9, lauten auszugsweise:

"Abgabepflicht

§ 1

Von allen öffentlichen Ankündigungen innerhalb des Gebietes der Stadt Graz ist eine Abgabe an die Stadt Graz zu entrichten.

Gegenstand der Abgabepflicht

§ 2

(1) Als Ankündigungen im Sinne des § 1 sind alle Ankündigungen durch Druck, Schrift, Bild oder Ton anzusehen, die an öffentlichen Verkehrsanlagen (Verkehrs- oder Erholungsflächen, Eisenbahnen, Flußläufen u. dgl.) oder in öffentlichen Räumen angebracht, ausgestellt oder vorgenommen, insbesondere auch durch Licht- oder Schallwirkungen oder durch besondere Apparate hervorgebracht werden.

(2) ...

(3) ...

(4) ...

(5) Ankündigungen im Sinne des § 1 sind ferner alle fremden Ankündigungen durch Rundfunk (Hörrundfunk und Fernsehrundfunk), die von einem Studio im Gebiet der Stadt Graz ihren Ausgang nehmen sowie fremde Ankündigungen, die von Kabelfernsehunternehmen mit dem Sitz in der Stadt Graz durchgeführt werden.

Abgabenbefreiungen

§ 3

(1) Von der Abgabe sind befreit:

...

(2) Ankündigungen, die ausschließlich oder vorwiegend und ohne Erwerbsabsichten wissenschaftlichen, gemeinnützigen oder Bildungszwecken dienen, können über Ansuchen von der Abgabe durch Beschluß des Stadtsenates ganz oder zum Teil befreit werden."

Vorweg ist zu bemerken, daß die Formulierung "durch Beschluß des Stadtsenates" im § 3 Abs. 2 Grazer AnkAbgV 1985 sich als bloß deklaratorischer Hinweis auf die (subsidiäre) Zuständigkeitsregel des § 61 Abs. 2 Statut der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. Nr. 130, erweist. Danach obliegt dem Stadtsenat die Besorgung aller Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, die ihm durch dieses Statut oder durch andere Gesetze übertragen sind, sowie aller übrigen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, die durch Gesetz keinem anderen Organ der Stadt ausdrücklich vorbehalten sind. Die Zuständigkeit des Stadtsenates nach § 61 Abs. 2 Statut der Landeshauptstadt Graz 1967 ist dabei ungeachtet § 45 Abs. 2 Z. 11 leg. cit. gegeben. Nach dieser Zuständigkeitsregel ist dem Gemeinderat die gänzliche oder teilweise Nachsicht von Abgaben oder sonstigen Forderungen öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur und deren Abschreibung, wenn der nachzusehende oder abzuschreibende Betrag 0,01 v.H. der Jahreseinnahmen übersteigt, vorbehalten. Der Gesetzgeber ist nämlich bei der Regelung des § 45 Abs. 2 Z. 11 leg. cit. erkennbar von einem Begriffsverständnis der "Nachsicht von Abgaben ..... und deren Abschreibung" im (engeren) Sinne der Steiermärkischen Landesabgabenordnung - LAO, LGBl. Nr. 158/1963, ausgegangen (vgl. die §§ 182 f im 6. Abschnitt unter "E. Abschreibung (Löschung und Nachsicht) und Entlassung aus der Gesamtschuld"). Derart sind aber auch Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieser Verordnungsstelle beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden.

Weiters ist anzumerken, daß der Verordnungswortlaut eine gesonderte Antragstellung und einen gesonderten Abspruch über einen solchen Antrag auf Befreiung von der Abgabe nicht ausschließt. Diese Vorgangsweise wird sich insbesondere dann als zweckmäßig erweisen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Befreiung für einen bestimmten Zeitraum begehrt wird (vgl. zur diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage nach dem Wiener Ankündigungsabgabegesetz 1983 das hg. Erkenntnis vom 30. Juli 1992, Zl. 89/17/0088).

Da es sich bei dieser Verordnungsstelle um eine sachliche Befreiungsvorschrift und nicht um eine persönliche Befreiungsvorschrift handelt (vgl. zur diesbezüglich inhaltsgleichen Regelung nach § 3 Abs. 2 Wiener Ankündigungsabgabegesetz 1983 nochmals das hg. Erkenntnis vom 30. Juli 1992, Zl. 89/17/0088), ist es daher auch nicht entscheidend, daß im Hinblick auf den Aufgabenbereich der Beschwerdeführerin diese selbst die Voraussetzungen etwa für eine Gemeinnützigkeit im Sinne der §§ 32 f Steiermärkische Landesabgabenordnung erfüllt. Es ist daher auch nicht entscheidungswesentlich, wenn in der Beschwerde (gleich wie auf Verwaltungsebene) auf den Aufgabenbereich der Beschwerdeführerin verwiesen wird. Daß aber die beworbenen Einzelveranstaltungen gemeinnützigen Zwecken dienten, ließ die Behörde dahingestellt, weil sie bei ihrer (im Instanzenzug erfolgten) Abweisung des Antrages (schon) von der Annahme ausging, im gegebenen Fall seien Erwerbsabsichten vorhanden.

Insofern die belangte Behörde aber von der Nichterfüllung des (negativen) Tatbestandsmerkmales "ohne Erwerbsabsichten" ausging, verkannte sie die Rechtslage. Unter Erwerbsabsichten ist im Sinne der Zweckbestimmung dieser Befreiungsregelung die Absicht zu verstehen, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Von einem Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil kann aber wohl dann nicht gesprochen werden, wenn, wie die Beschwerdeführerin in der Berufung behauptet hat, aus den Kammerumlagebeiträgen für den Betrieb der Volkshochschule hätten allein in Graz Kosten von insgesamt ca. 14 Mio. Schilling aufgewendet werden müssen; auch stelle die Einhebung von bei weitem nicht kostendeckenden Kursgebühren nur eine Marginalie der Kosten des Betriebes der Volkshochschule dar.

Da die belangte Behörde in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage sich mit diesem Berufungsvorbringen nicht auseinandersetzte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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