VwGH 91/06/0073

VwGH91/06/00735.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Gemeinde S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. März 1991, Zl. 03-12 Fu 32-91/1, betreffend Vorstellung gegen die Erteilung einer Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: J, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §4 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
GaragenO Stmk 1979 §5 Abs1;
GaragenO Stmk 1979 §5 Abs2;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §4 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
GaragenO Stmk 1979 §5 Abs1;
GaragenO Stmk 1979 §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 11. Oktober 1990 wurde den Antragstellern Karl F, Gertrude F, Franz M und Johanna M, alle in N, die Widmungsbewilligung für die Bebauung der Grundstücke 101/1, 101/2, 101/3 tw und 101/6 mit dem Verwendungszweck Wohnhäuser erteilt.

Mit dem genannten Bescheid wurde unter anderem vorgeschrieben, daß die im Widmungsplan als private Zufahrtsstraße ausgewiesenen Grundstücksteile (rote Linien) in voller Breite (5 m bzw. 7,50 m bei der Einmündung) und Länge staubfrei befahrbar herzustellen und für Fahrzeuge mit einer Achsdruckbelastung von mindestens 10 Tonnen auszulegen seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei, die im erstinstanzlichen Verfahren rechtzeitig die Einwendung erhoben hatte, daß die Zufahrtsstraße nicht unmittelbar an ihrem Grundstück errichtet werden sollte, Berufung. Gemäß § 4 Abs. 3 Stmk. Bauordnung sei ein größerer Abstand festzulegen.

Mit Bescheid vom 7. Februar 1991 wies der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde die Berufung ab. Begründet wurde diese Abweisung im wesentlichen damit, daß die "Frage nach der Gegebenheit einer geeigneten Zufahrtsmöglichkeit" kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht darstelle.

Die Zufahrt stelle eine Zu- und Abfahrt im Sinne des § 6 der Stmk. Garagenordnung 1979 dar und damit auch eine Nebenanlage im Sinn der § 5 Abs. 1 der Stmk. Garagenordnung 1979. § 5 Abs. 1 der Stmk. Garagenordnung 1979 könne aber nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes nur im Baubewilligungsverfahren angewendet werden (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1988, 89/06/0140).

Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der mitbeteiligten Partei wurde der Berufungsbescheid mit Vorstellungsbescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. März 1991 aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen.

Die Steiermärkische Landesregierung begründete den aufhebenden Bescheid im wesentlichen damit, daß gemäß § 5 der Stmk. Garagenordnung 1979, der eine lex specialis zu § 4 Abs. 3 der Stmk. Bauordnung darstelle, Abstellflächen, Garagen und Nebenanlagen (wozu die Zufahrt zu rechnen sei), so angeordnet, ausgeführt und betrieben werden müßten, daß keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarschaft zu erwarten sei.

Es sei daher ein Überprüfungsverfahren dahingehend durchzuführen, ob schon an der Grundgrenze mit keinen das ortsübliche Ausmaß überschreitenden Belästigungen oder Gefährdungen zu rechnen ist.

Der Gemeinderat irre, wenn er meine, daß die Einwendungsmöglichkeit hinsichtlich der Lärmbeeinträchtigung dem Baubewilligungsverfahren vorbehalten bleibe. Es sei zwar richtig, daß dann, wenn im Widmungsverfahren keine Feststellungen getroffen werden, der Nachbar in seinen Rechten nicht geschmälert wird, weil ihm die konkreten Einwendungsmöglichkeiten im Bauverfahren offenbleiben. Wenn die oberste Gemeindeinstanz jedoch zur Ansicht gelange, daß § 5 Abs. 1 Stmk. Garagenordnung 1979 nur im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens anzuwenden sei, so komme dieser Aussage nur dann Berechtigung zu, wenn auf eine konkrete Situierung von baulichen Anlagen abgestellt werde.

Durch den Widmungsplan, der zum Bestandteil des Bescheides erklärt worden sei, komme die örtliche Lage und Ausführung des Zufahrtsweges klar zum Ausdruck, sodaß sich der Gemeinderat mit den Einwendungen über Lärm- und Geruchsbelästigungen auseinanderzusetzen gehabt hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Gemeinde.

Die Gemeinde erachtet sich in ihrem aus § 94 Abs. 5 der Stmk. Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 14/1982, erwachsenden Recht darauf, daß ein im eigenen Wirkungsbereich letztinstanzlich erlassener Bescheid nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich einer Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers, durch die Aufsichtsbehörde behoben wird, verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen. Einen gleichlautenden Antrag hat die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Nach § 61 Abs. 2 der Stmk. Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, idF LGBl. Nr. 14/1989, der gemäß § 3 Abs. 1 Stmk. Bauordnung auch im Widmungsverfahren sinngemäß anzuwenden ist, kann der Nachbar gegen die Erteilung der Widmungsbewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen.

Zu den Vorschriften, aus denen sich subjektive Rechte für die Nachbarn ergeben, zählt auch § 5 Abs. 1 der Stmk. Garagenordnung 1979, LGBl. Nr. 27. Wie der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile in seinem Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 87/06/0131, 87/06/0132, ausgesprochen hat, stellt § 5 Abs. 1 der Stmk. Garagenordnung eine Spezialvorschrift gegenüber § 4 Abs. 3 der Stmk. Bauordnung dar, die in ihrem Anwendungsbereich § 4 Abs. 3 der Bauordnung zur Gänze verdrängt. In einem Widmungsverfahren kann § 5 Abs. 1 der Stmk. Garagenordnung nach dem genannten Erkenntnis nur dann nicht angewendet werden, wenn aufgrund der Vorschrift des § 5 Abs. 2 Stmk. Garagenordnung im Hinblick darauf, daß eine gewerbliche Betriebsanlage vorliegt, die Zuständigkeit der Gewerbebehörde gegeben ist. Liegt keine in die Zuständigkeit der Gewerbebehörden fallende Anlage vor, so steht einer Anwendung des § 5 Abs. 1 der Garagenordnung im Widmungsverfahren nach der Stmk. Bauordnung nichts entgegen.

Wenn sich die beschwerdeführende Gemeinde zur Stützung ihres Standpunktes auf das hg. Erkenntnis vom 14. September 1989, Zl. 89/06/0140, beruft, so ist hiezu darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausgesprochen hat, daß ein Nachbarrecht nicht dadurch verletzt werden kann, daß in der Widmungsbewilligung der genaue Standort NOCH NICHT FESTGELEGT worden ist. In diesem Zusammenhang ist die in dem genannten Erkenntnis enthaltene Aussage, daß § 5 Abs. 1 der Stmk. Garagenordnung 1979 nur im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens angewendet werden könne, zu verstehen. Im Beschwerdefall wurde aber mit den gemeindebehördlichen Bescheiden die konkrete Festlegung der Zufahrt vorgenommen.

Gemäß § 3 Abs. 3 Abs. 4 Garagenordnung 1979 sind Nebenanlagen "sonstige Räume oder Anlagen, die dem Betrieb einer Garage oder einer Abstellfläche dienen, WIE ZU- UND ABFAHRTEN, Aufenthaltsräume, Abortanlagen, Waschanlagen, Arbeitsgruben u.dgl".

Die belangte Behörde ist somit im Recht, wenn sie - dies auch in Übereinstimmung mit dem Bescheid des Gemeinderats der beschwerdeführenden Gemeinde - die gegenständliche Zufahrt als Nebenanlage im Sinne des § 3 Abs. 4 Stmk. Garagenordnung 1979 qualifiziert hat.

Es kommt daher für die in Rede stehende Zufahrt grundsätzlich die Steiermärkische Garagenordnung 1979 zur Anwendung. Soweit im Widmungsverfahren Festlegungen getroffen werden, durch die die in der Stmk. Garagenordnung 1979 (insbesondere in § 5) eingeräumten subjektiven Rechte berührt werden können, gewähren aber diese subjektiven Rechte ein Mitspracherecht schon im Widmungsverfahren. Aufgrund der Berufung der mitbeteiligten Partei wäre daher die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 37 ff AVG - so sie nicht Grund für eine Aufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG findet - verpflichtet gewesen, für ihre Sachentscheidung ausreichende Erhebungen hinsichtlich des maßgebenden Sachverhalts durchzuführen.

Die belangte Behörde ist damit auch mit dem Argument im Recht, daß über die Einwendungen betreffend die Lärmbeeinträchtigung schon im Widmungsverfahren abzusprechen ist und daher diesbezüglich ein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchzuführen gewesen wäre bzw. durchzuführen sein werde.

Dadurch, daß der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde in Verkennung dieser Rechtslage auf die in der Berufung (neuerlich) geltend gemachten Einwendungen der mitbeteiligten Partei nicht eingegangen ist und unter Zugrundelegung dieser verfehlten Rechtsansicht die Berufung ohne nähere Ermittlungen hinsichtlich der geltend gemachten Einwendungen abgewiesen hat, wurden subjektive Rechte der mitbeteiligten Partei verletzt.

Dadurch, daß die Steiermärkische Landesregierung diese Rechtsverletzung im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis gemäß § 94 Abs. 5 Stmk. Gemeindeordnung 1967 im Vorstellungsbescheid aufgegriffen hat und den letztinstanzlichen Gemeindebescheid aufgehoben hat, hat sie Rechte der beschwerdeführenden Gemeinde nicht verletzt.

Deren Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf § 47 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 VwGG in Verbindung mit § 48 Abs. 2 und 3 und § 49 Abs. 2 VwGG und der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

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