VwGH 93/18/0499

VwGH93/18/049925.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der F in Deutschland, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. Juni 1993, Zl. SD 223/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 1. Juni 1993 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine deutsche Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Sachverhaltsmäßig ging die belangte Behörde davon aus, daß die am 28. Dezember 1992 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführerin noch am selben Tag wegen Diebstahls festgenommen und am 6. April 1993 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Diebstahls (§ 127 StGB), Diebstahls mit Waffen (§ 129 StGB) und räuberischen Diebstahls (§ 131 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben Monate bedingt auf drei Jahre Probezeit, rechtskräftig verurteilt worden sei. Aufgrund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht; damit seien jedenfalls auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG stünden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Ein (relevanter) Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin läge nicht vor, zumal ihre gesamte Familie in der Bundesrepublik Deutschland lebe. Abgesehen davon wäre im Hinblick auf die der Beschwerdeführerin zur Last liegende Straftat, bei der auch zwei Personen verletzt worden seien, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter dringend geboten. Dies zeige auch, daß die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von seiner Erlassung.

Angesichts des von der Beschwerdeführerin an den Tag gelegten Verhaltens im Bundesgebiet sei auch die Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren richtig bemessen. Diese Befristung entspreche jenem Zeitraum, der notwendig erscheine, um die Beschwerdeführerin zur Besinnung zu bringen, daß sie die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu beachten habe.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 28. September 1993, B 1322/93).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1 und 2 Z. 1, des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG lauten:

§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

  1. 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
  2. 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen.

  1. 1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
  2. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

2.1. Die Beschwerde läßt die von der belangten Behörde

2.2. Die hiemit von der Beschwerde angesprochene Formulierung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, es lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG "und damit jedenfalls auch jene des § 18 Abs. 1 leg. cit. vor", bringt nicht das zum Ausdruck, was ihr die Beschwerde unterstellt. Vielmehr war der belangten Behörde daran gelegen, mit dieser Wortfolge deutlich zu machen, daß - wie die Einleitung des die in Rede stehende Wendung enthaltenden Begründungssatzes "Aufgrund dieser Verurteilung" zeigt - nach Lage des konkreten Falles ihrer Ansicht nach auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Beschwerdevorwurf unzureichender Begründung schlägt im Ergebnis nicht durch, hat doch die belangte Behörde zur Frage der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG darauf hingewiesen, daß diese Maßnahme im Hinblick auf die der Beschwerdeführerin konkret zur Last liegende Tat zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung strafbarer Handlungen (durch die Beschwerdeführerin) und zum Schutz der Rechte Dritter dringend geboten sei. Diese Beurteilung impliziert die Annahme, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung gefährde sowie den öffentlichen Interessen der Verhinderung strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte Dritter zuwiderlaufe (§ 18 Abs. 1 Z. 1 und 2 FrG). Diese Rechtsauffassung begegnet, hält man sich die Straftat, deretwegen die Beschwerdeführerin verurteilt worden war (einschließlich der im angefochtenen Bescheid festgestellten Tatsache, daß hiebei zwei Menschen verletzt worden waren), vor Augen, keinen Bedenken.

3. Daß die rechtliche Annahme der belangten Behörde, durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes würde nicht in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen, unzutreffend sei, wird in der Beschwerde nicht einmal behauptet. Von daher gesehen stellt sich weder die Frage, ob das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 FrG dringend geboten ist, noch die Frage der Zulässigkeit dieser Maßnahme gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0112).

4.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die mit zehn Jahren bemessene Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes und macht auch in diesem Zusammenhang Verfahrensmängel geltend. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, Sachverhaltsfeststellungen dahingehend zu treffen, welches Verhalten der Beschwerdeführerin diese Gültigkeitsdauer rechtfertige; sie habe nicht begründet, weshalb ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren habe verhängt werden müssen.

4.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die Bemessung der Gültigkeitsdauer und die dazu im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage. Danach ist - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0474). Wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall zum Ausdruck brachte, daß ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung der von ihr genannten öffentlichen Interessen durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, vor Ablauf der festgesetzten Frist vorhersehbarerweise nicht anzunehmen sei, so stößt diese Auffassung bei der gegebenen Sach- und Rechtslage auf keinen Einwand.

5. Nach dem Gesagten liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor. Da dies bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte