VwGH 93/18/0255

VwGH93/18/025528.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D, dzt. Jugoslawien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. März 1993, Zl. VwSen-400134/8/Kl/Rd, betreffend Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §51 Abs1;
FrG 1993 §86;
FrG 1993 §88;
FrPolG 1954 §5;
FrPolG 1954 §5a;
AVG §56;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §51 Abs1;
FrG 1993 §86;
FrG 1993 §88;
FrPolG 1954 §5;
FrPolG 1954 §5a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den Verwaltungsakten und dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger (Montenegro), reiste am 7. September 1992 über Slowenien ohne gültige Reisedokumente über die grüne Grenze unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und begab sich von Villach per Bahn nach Linz. Am 8. September 1992 stellte er beim Bundesasylamt in Linz einen Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, vom 8. September 1992 als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde. Es wurde mit diesem Tag mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) angeordnet. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 8. September 1992 persönlich übernommen und durch seine Festnahme an diesem Tag und weitere Anhaltung im bundespolizeilichen Gefangenenhaus Linz in Vollzug gesetzt. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 14. September 1992 wurde über den Beschwerdeführer ein bis zum 14. September 1997 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich erlassen und einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Nach Ausstellung des Heimreisezertifikates am 27. September 1992 wurde der Beschwerdeführer um 13.00 Uhr dieses Tages aus der Schubhaft entlassen und in sein Heimatland abgeschoben.

Mit dem Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 30. März 1993 wurde die Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung im Spruch auf die §§ 51 Abs. 1 und 52 Abs. 1, 2 und 4 des Fremdengesetzes in Verbindung mit § 67 c Abs. 1 und 3 AVG. Begründend führte sie aus, daß gemäß § 41 Abs. 1 FrG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder zur Sicherung der Abschiebung verhängt werden könne. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen Aufenthalt im Bundesgebiet, eine allfällige Wohngelegenheit bei seinem Bruder biete keine Gewähr dafür, daß der Beschwerdeführer dort auch seinen Wohnsitz nehmen und sich dem Verfahren stellen und unterziehen werde. Da der Beschwerdeführer ausdrücklich bekundet habe, daß er nicht in sein Heimatland zurückkehren wolle, sei die Anhaltung in Haft als einziges geeignetes Mittel zur Sicherung der Abschiebung anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erblickt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die Beurteilung auf der Grundlage des am 1. Jänner 1993 in Kraft getretenen Fremdengesetzes erfolgt sei. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft sei nach jener Rechtslage zu beurteilen, die zum Zeitpunkt der Festnahme und während des Zeitraumes der Anhaltung in Schubhaft maßgeblich gewesen sei. Die Frage der Rechtswidrigkeit oder der Rechtmäßigkeit der Schubhaft sei daher auf der Rechtsgrundlage des Fremdenpolizeigesetzes zu beurteilen gewesen.

Die Behörde hat im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Diese Zweifelsregel gilt dann nicht, wenn eine ausdrückliche Übergangsbestimmung vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Berufung der belangten Behörde auf § 88 Abs. 2 erster Satz FrG muß versagen, weil diese Bestimmung auf die Prüfung eines SchubhaftBESCHEIDES abstellt.

Die Zweifelsregel gilt aber auch dann nicht, wenn der Regelungstatbestand der Norm, um deren Anwendung es geht, auf einen bestimmten Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum abstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A). Die Frage der Rechtmäßigkeit der Festnahme am 8. September 1992 und der Anhaltung bis zum 27. September 1992 ist daher nach dem damals geltenden Fremdenpolizeigesetz zu beurteilen.

Da die belangte Behörde somit ihre Entscheidung auf nicht anzuwendende Vorschriften gestützt hat, leidet der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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