VwGH 93/18/0177

VwGH93/18/01773.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll,

Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 31. Dezember 1992, Zl. IV-629.464/FrB/92, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §11;
FrG 1993 §86 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
PaßG 1969 §27 Abs1;
PaßG 1992 §25;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §11;
FrG 1993 §86 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
PaßG 1969 §27 Abs1;
PaßG 1992 §25;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 31. Dezember 1992 erklärte die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) den dem Beschwerdeführer, einem jugoslawischen Staatsangehörigen, am "5.2.1991" von ihr erteilten, bis "5.2.1994" befristeten Wiedereinreisesichtvermerk gemäß "§ 27 Abs. 1 iVm § 25 Abs. 3 lit. d Paßgesetz" für ungültig. Gleichzeitig erklärte die belangte Behörde, daß mit der Zustellung dieses Bescheides die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers erlösche.

Begründend wurde ausgeführt, daß dem Beschwerdeführer zuletzt am 14. Dezember 1992 ein Sichtvermerk mit Gültigkeitsdauer bis 16. November 1994 erteilt worden sei und der Behörde zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei, daß der Beschwerdeführer am 14. Februar 1992 vom Bezirksgericht Mödling rechtskräftig wegen §§ 15, 141 StGB zu einer Geldstrafe und am 17. Juli 1992 vom Landesgericht für Strafsachen Wien rechtskräftig wegen §§ 223 Abs. 2, 224, 297 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden sei. Im Hinblick auf diese beiden Rechtsbrüche sei davon auszugehen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet, in eventu ihre Zurückweisung als unzulässig beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der mit dem Datum 31. Dezember 1992 versehene und - Akteninhalt und Beschwerdeangaben stimmen insoweit überein - am 4. Jänner 1993 dem Beschwerdeführer zugestellte angefochtene Bescheid stützt die Ungültigerklärung des Sichtvermerkes spruchmäßig ausdrücklich auf § 27 Abs. 1 iVm § 25 Abs. 3 lit. d des Paßgesetzes 1969.

2. Mit 1. Jänner 1993 ist das Fremdengesetz-FrG (BGBl. Nr. 838/1992) - von den hier nicht interessierenden §§ 75 und 76 abgesehen -, das in seinen §§ 5 bis 11 Vorschriften über die "Sichtvermerkspflicht" (in § 11 über die Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes) enthält, in Kraft getreten (§ 86 Abs. 1 FrG). Mit demselben Zeitpunkt ist gemäß § 25 Abs. 1 des Paßgesetzes 1992 (BGBl. Nr. 839/1992) dieses Gesetz in Kraft und zufolge des § 25 Abs. 2 leg. cit. das Paßgesetz 1969 außer Kraft getreten. Mangels anders lautender Übergangsbestimmungen hatte somit die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides - am 4. Jänner 1993 - die einschlägigen Normen des Fremdengesetzes anzuwenden.

3. Da die belangte Behörde entgegen dieser Rechtslage ihre die Ungültigkeit des dem Beschwerdeführer erteilten Sichtvermerkes aussprechende Entscheidung im Spruch auf nicht (mehr) anzuwendende Vorschriften gestützt hat, war der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der in der Gegenschrift der belangten Behörde (in eventu) zum Ausdruck gebrachten Ansicht, die Beschwerde sei mangels Beschwer zurückzuweisen, weil der spruchmäßig für ungültig erklärte Sichtvermerk nie existiert habe und daher der (in der Bescheidbegründung) angeführte am 14. Dezember 1992 mit einer Gültigkeitsdauer bis 16. November 1994 erteilte Sichtvermerk nach wie vor gültig sei, vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten.

Ausgehend davon, daß der Beschwerdeführer nach den Ausführungen der belangten Behörde an anderer Stelle der Gegenschrift - die mit dem Beschwerdevorbringen zu diesem Punkt übereinstimmen - im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides im Besitz lediglich EINES Sichtvermerkes (erteilt am 14. Dezember 1992, gültig bis 16. November 1994) war und unter Bedachtnahme darauf, daß die Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes - jedenfalls dann, wenn nur EINER rechtlich existent ist - im Spruch nicht die Angabe des Beginnes und des Endes der Gültigkeitsdauer erfordert, wurde mit dem angefochtenen Bescheid eben dieser eine dem Beschwerdeführer erteilte und im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung aufrechte Sichtvermerk für ungültig erklärt.

5. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß der belangten Behörde die von ihr in der Begründung des bekämpften Bescheides erwähnten und als maßgeblicher Grund für die Ungültigerklärung des Sichtvermerkes des Beschwerdeführers herangezogenen rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen nach Ausweis der vorgelegten Akten im Zeitpunkt der Erteilung des Sichtvermerkes bereits bekannt waren, es sich hiebei also nicht um nachträglich bekannt gewordene Tatsachen i.S. des § 11 Abs. 1 FrG handelt.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 390,-- (Eingabengebühr S 360,--, Beilagengebühr S 30,--) zu entrichten waren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte