VwGH 93/18/0031

VwGH93/18/00313.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll,

Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. September 1991 (richtig: 19. September 1992), Zl. IV-495.497/FrB/92, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §8;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §8;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde) vom 30. November 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf § 3 Abs. 2 Z. 6 und 7 des Fremdenpolizeigesetzes (FrPolG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In Ansehung des von ihr als verwirklicht angesehenen Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 1987 als Tourist in das Bundesgebiet eingereist und habe im Juni, August und November dieses Jahres jeweils unter Vorlage einer Bestätigung einer (namentlich genannten) Maturaschule Anträge auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt. Polizeiliche Erhebungen hätten ergeben, daß diese Bestätigungen gegen Entgelt ausgestellt worden seien. Dadurch sei die Behörde über die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers getäuscht worden.

2. Mit Eingabe vom 23. Juli 1992 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, mit der Begründung, daß sich durch seine Verehelichung mit einer österreichischen Staatsbürgerin und den daraus resultierenden sozialen und privaten Folgen, sowie durch die ab 1. Februar 1991 gegebene Beschäftigung bei einem österreichischen Arbeitgeber das Ausmaß der sozialen und sonstigen Integration in einem Maße erhöht habe, welches die Auswirkungen des gegen den Einschreiter ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes jedenfalls und unverhältnismäßig schwerer erscheinen ließen als die der Republik Österreich allenfalls drohenden nachteiligen Folgen einer Abstandnahme vom Aufenthaltsverbot.

3. Mit Bescheid vom 19. September 1992 gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 8 FrPolG keine Folge.

Begründend führte sie zum Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG - den Grund des § 3 Abs. 2 Z. 7 leg. cit. hielt sie für nicht mehr gegeben - aus, daß die geregelte Beschäftigung des Beschwerdeführers bei einer (namentlich genannten) Versicherungs-Gesellschaft zwar das Aufenthaltsverbot "hinsichtlich der Ziffer 7 zu beeinflussen (vermag), nicht jedoch hinsichtlich der Ziffer 6, da die im Aufenthaltsverbot angeführten Täuschungshandlungen unauslöschliche Tatsachen sind". Der kurze Zeitraum, der seit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes verstrichen sei, sei nicht geeignet, etwas über den Gesinnungswandel des Beschwerdeführers bezüglich der österreichischen Rechtsnormen auszusagen. Dies auch im Hinblick darauf, daß gegen den Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft Wien neuerlich Vorerhebungen wegen des Verdachtes der Urkundenfälschung durchgeführt würden. Die Verehelichung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin sei bereits anläßlich der Behandlung seines Antrages auf Erteilung eines Vollstreckungsaufschubes gewürdigt und als triftiger Grund angesehen worden, um die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes aufzuschieben.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 8 FrPolG ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhang mit § 3 leg. cit. gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die für die Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zu Gunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1992, Zl. 92/18/0100, und vom 20. Juli 1992, Zl. 92/18/0305).

1.2. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß auch die seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen Umstände bei der Entscheidung über die Aufhebung dieser Maßnahme zu berücksichtigen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/18/0400, m.w.N.).

2.1. Die belangte Behörde hat in ihrer den Antrag des Beschwerdeführers abweisenden Entscheidung zum einen darauf abgestellt, daß der seit Verhängung des Aufenthaltsverbotes verstrichene Zeitraum noch zu kurz sei, um etwas über den Gesinnungswandel des Beschwerdeführers hinsichtlich der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung aussagen zu können, zum anderen die Ansicht vertreten, daß die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Täuschungshandlungen "unauslöschliche Tatsachen" darstellten.

2.2. Die zuletzt geäußerte Auffassung findet im Gesetz keine Deckung. Wenngleich die belangte Behörde diese Aussage im Wege der oben 2.1. zunächst dargestellten Begründungspassage im Ergebnis wieder zurückgenommen hat, vermochte sie damit der Rechtslage dennoch nicht Genüge zu tun. Denn für die Frage, ob in Ansehung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes eine Änderung der für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Interessen eingetreten sei, ist auf den seit der Verwirklichung dieses Tatbestandes durch den Fremden verstrichenen Zeitraum Bedacht zu nehmen (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 92/18/0400), nicht bloß der Zeitraum seit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat zur Begründung ihres für den Beschwerdeführer negativen Bescheides überdies den Umstand ins Treffen geführt, daß zum Zeitpunkt der Entscheidung gegen den Beschwerdeführer gerichtliche Vorerhebungen wegen Urkundenfälschung im Gange gewesen seien. Es kann dahinstehen, ob dieser - in den vorgelegten Akten Deckung findende - Umstand i. V. damit, daß seit Verwirklichung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG durch den Beschwerdeführer immerhin ca. fünf Jahre verstrichen sind, die Annahme rechtfertigt, es hätten sich die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden öffentlichen Interessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers geändert. Dies aus nachstehenden Gründen.

3. Der Beschwerdeführer hat seinen Aufhebungs-Antrag mit seiner seit Verhängung des Aufenthaltsverbotes wesentlich geänderten privaten (familiären) Situation begründet. Die belangte Behörde hat es in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage unterlassen, sich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen. Dieses Versäumnis ist wesentlich, liegt es doch auf der Hand, daß die am 4. Jänner 1991 mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe und die damit gegebenen familiären Bindungen des Beschwerdeführers Umstände darstellen, die seinen Privatinteressen solches Gewicht verleihen, daß die belangte Behörde - hätte sie diese berücksichtigt - zu einer anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte gelangen können.

4. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 390,-- (Eingabengebühr S 360,--, Beilagengebühr S 30,--) zu entrichten waren.

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