VwGH 93/05/0172

VwGH93/05/017227.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des C in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. Mai 1993, Zl. 13/83-2/1993, betreffend Übertretung des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AWG Tir 1990 §12;
AWG Tir 1990 §27;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
AVG §66 Abs4;
AWG Tir 1990 §12;
AWG Tir 1990 §27;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Reutte erließ gegenüber dem Beschwerdeführer ein mit 10. März 1993 datiertes Straferkenntnis, dessen Schuldspruch nachstehenden Wortlaut hat:

"Sie haben am 21. 11. 1992 Abfälle, wie Damenbinden, Kondome, Wattestäbchen, Tablettenverpackungen u.ä. durch das Ausbringen von häuslichen Fäkalien mit Ihrem Traktor und Jauchefaß auf die Grundparzellen 2948, KG E, und 3764, KG B, großflächig aufgebracht."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 27 Abs. 1 lit. f des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe fünf Tage) verhängt worden ist.

In Erledigung der dagegen eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers erging der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. Mai 1993, mit welchem der Berufung insofern Folge gegeben worden ist, als die Geldstrafe auf S 2.500,-- (Ersatzarreststrafe zwei Tage) herabgesetzt worden ist. Im übrigen wurde der "Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses dahingehend verbessert, daß es der Berufungswerber als Betriebsinhaber zu verantworten hat, daß im Zuge seines Kanalräumunternehmens angefallene betriebliche Abfälle, wie Damenbinden, Kondome, Wattestäbchen, Tablettenverpackungen u.ä., die der Abfuhrpflicht im Sinne des § 10 Abs. 1 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz unterliegen, nicht ordnungsgemäß gesammelt und abgeführt wurden, sondern durch Mitarbeiter in seinem Auftrag im Zuge des Ausbringens von Jauche mittels eines Traktors und eines Jauchefasses auf den Grundparzellen 2948 KG E und Gp. 3764 KG B unbefugt abgelagert wurden". Als übertretene Norm wurde § 27 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes angeführt.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 50/1990, müssen alle Abfälle nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und der in seiner Durchführung erlassenen Verordnungen gesammelt und abgeführt werden, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist. Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle gilt die Verpflichtung nach Abs. 1 nicht: a) für Abfälle, die auf einem Grundstück des Inhabers der Abfälle kompostiert werden, b) für betriebliche Abfälle, die einer Verwertung zugeführt oder in einer Anlage des Betriebsinhabers zulässigerweise behandelt oder abgelagert werden. Zufolge § 12 Abs. 1 leg. cit. haben die Betriebsinhaber die betrieblichen Abfälle, die nach § 10 Abs. 1 der Abfuhrpflicht unterliegen, so zu sammeln und so rechtzeitig zu einer für die betreffende Art von Abfällen geeigneten Behandlungsanlage oder Deponie abzuführen, daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 4 Abs. 2 vermieden werden. Gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, wer b) als Betriebsinhaber den Verpflichtungen nach § 12 nicht nachkommt, f) unbefugt Abfälle ablagert oder wegwirft, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung oder einer anderen Verwaltungsübertretung erfüllt.

Wie der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung zu entnehmen

ist, hat die belangte Behörde u.a. den der Tatumschreibung im

Sinne des § 44 a Z. 1 VStG gewidmeten Teil des Spruches des

erstinstanzlichen Straferkenntnisses dahin gehend geändert, daß

dem Beschwerdeführer angelastet worden ist, er habe es "als

Betriebsinhaber zu verantworten, daß ... Abfälle ... nicht

ordnungsgemäß gesammelt und abgeführt wurden, sondern durch

Mitarbeiter ... unbefugt abgelagert wurden". Demgegenüber ist

die Behörde erster Instanz spruchgemäß davon ausgegangen, daß

der Beschwerdeführer selbst "Abfälle ... großflächig

aufgebracht" hat. Diese Schuldsprüche unterscheiden sich also dadurch wesentlich voneinander, daß dem Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Straferkenntnis vorgeworfen worden ist, Abfälle selbst "großflächig aufgebracht" zu haben, also unmittelbarer Täter zu sein, während die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt hat, als Betriebsinhaber dafür verantwortlich zu sein, daß Abfälle nicht ordnungsgemäß gesammelt und abgeführt wurden, sondern durch seine Mitarbeiter unbefugt abgelagert worden sind. Der Vorwurf, daß der Beschwerdeführer dafür verantwortlich sei, daß die Abfälle nicht ordnungsgemäß gesammelt und abgeführt worden sind, war überhaupt nicht Gegenstand des Schuldspruches der Behörde erster Instanz. Daß sowohl diese als auch die belangte Behörde von unterschiedlichen Tatvorwürfen ausgegangen sind, ergibt sich auch daraus, daß dem Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Straferkenntnis, wie schon ausgeführt worden ist, eine Übertretung des § 27 Abs. 1 lit. f des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes vorgeworfen worden ist, während die belangte Behörde als jene Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44 a Z. 2 VStG), § 27 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes angeführt hat.

Aus § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) ergibt sich zwar die Berechtigung der Berufungsbehörde, die Straftat auf der Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahme der Behörde erster Instanz näher zu umschreiben, diese Bestimmung berechtigt die Berufungsbehörde aber nicht zur Auswechslung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1977, Slg. Nr. 9222/A).

Da die belangte Behörde den Beschwerdeführer entsprechend den vorstehenden Erwägungen wegen einer anderen Übertretung bestraft hat als die Behörde erster Instanz, ist der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde inhaltlich rechtswidrig. Im übrigen hat die belangte Behörde bei der von ihr geänderten Tatumschreibung die Anführung der Tatzeit unterlassen, sodaß ihr Schuldspruch auch in dieser Hinsicht rechtswidrig ist (vgl. zum Erfordernis der Tatzeitangabe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., auf S. 946 wiedergegebene diesbezügliche hg. Judikatur).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne auf das Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Von der Abhaltung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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