VwGH 93/04/0017

VwGH93/04/001721.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher sowie die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der W, M, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. November 1992, Zl. 315.649/1-III/3/92, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A-Aktiengesellschaft, W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §356 Abs3;
AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §356 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 8. Mai 1992 wurde der mitbeteiligten Partei die Änderung der Verfüllung der bestehenden Schottergrube im Standort Parzelle Nr. 848 bis 850 KG H durch Verfüllung der Schottergrube mit Asbestzement (Schlüssel Nr. 31.412 lt. ÖNORM S 2100) im vorgenannten Standort mit Auflagen genehmigt und die Einwendungen der Beschwerdeführerin "hinsichtlich der Fragen der Langzeitentwicklung der Sickerwässer, des Grundwasser und der Nahrungskette sowie der Entwertung der Gegend durch Ablagerung von Asbest sowie daß die A-AG angeblich eisenverseuchtes Aushubmaterial, welches die Deponieklasse II überschreitet, abgelagert hat", als unzulässig zurückgewiesen, weil von ihr kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 geltend gemacht worden sei und die Fragen der Sickerwässer und des Grundwassers in einem eigenen wasserrechtlichen Verfahren zu behandeln gewesen seien.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1992 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufung der Beschwerdeführerin "aus dem Grund des § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig" zurück. Begründend wurde jedoch ausgeführt, daß aus dem Vorbringen der Berufungswerberin keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes entnommen werden könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. November 1992 wurde die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich erhobene Berufung im Grunde des § 359 Abs. 4 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, über Ansuchen der mitbeteiligten Partei vom 1. Februar 1990 um gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung der gewerbebehördlich genehmigten Bauschuttdeponie auf der GP 848, KG H, durch Ablagerung von Asbestzement habe die Bezirkshauptmannschaft mit Kundmachung vom 8. Februar 1990 für den 2. März 1990 eine mündliche Augenscheinsverhandlung anberaumt. In dieser Kundmachung seien die §§ 40 ff AVG und 356 GewO 1973 zitiert und darauf hingewiesen worden, daß Einwendungen bis spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der BH oder während der Verhandlung vorgebracht werden könnten, ansonsten angenommen würde, daß dem Vorhaben zugestimmt werde. In der Augenscheinsverhandlung vom 2. März 1990 habe die erschienene Beschwerdeführerin vorgebracht, "daß die Porr AG angeblich eisenverseuchtes Aushubmaterial abgelagert habe und dieses Material die Deponieklasse 2 überschreite, weiters warf sie die Fragen der Langzeitentwicklung, der Sickerwässer, des Grundwassers und der Nahrungskette auf". Die Beschwerdeführerin habe ausgeführt, daß es nach dem heutigen Wissensstand nicht möglich sei, diese Fragen abschließend zu beurteilen und habe schließlich noch vorgebracht, daß es durch die Ablagerung von Asbestzement zu einer Entwertung der Gegend käme. Eine weitere Erklärung habe die Beschwerdeführerin trotz ausdrücklicher Rechtsbelehrung durch den Verhandlungsleiter im Rahmen der Augenscheinsverhandlung nicht abgegeben; weder vor der Augenscheinsverhandlung noch nach Kundmachung derselben seien schriftliche Erklärungen der Beschwerdeführerin eingebracht worden. Erst am 20. März 1992 habe die Beschwerdeführerin eine schriftliche Eingabe an die BH erstattet. Da im vorliegenden Fall eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich sei, diese auch von der Wasserrechtsbehörde erteilt worden sei, habe bereits die Behörde zweiter Instanz richtigerweise die Parteistellung der Beschwerdeführerin verneint, zumal diese ihr in der Augenscheinsverhandlung erstattetes Vorbringen nicht in einer Weise formuliert habe, daß von Einwendungen gesprochen werden könne, vielmehr habe die Beschwerdeführerin bloß Probleme im Zusammenhang mit einer Gewässerverschmutzung und möglichen Folgen einer solchen in den Raum gestellt. Durch ihr Vorbringen in der schriftlichen Stellungnahme vom 20. März 1992 habe die Beschwerdeführerin nicht mehr Parteistellung erlangen können, weil ein diesbezügliches Vorbringen bis spätestens in der Augenscheinsverhandlung der Behörde erster Instanz zu erstatten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf materielle Erledigung ihrer Berufung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im wesentlichen vor, der Verhandlungsleiter der Bezirkshauptmannschaft hätte sie bei der Verhandlung vom 2. März 1990 dahingehend belehrt, daß sie die Möglichkeit habe, nach Kenntnisnahme des amtsärztlichen Gutachtens Einwände vorzubringen und somit Parteistellung zu erwerben. Aufgrund dieser Rechtsbelehrung des Verhandlungsleiters habe sie angenommen, ihre Einwände zur Gesundheitsgefährdung erst später vorbringen und damit Parteistellung erlangen zu können. Nach Kenntnis des amtsärztlichen Gutachtens habe sie sodann in der schriftlichen Stellungnahme vom 20. März 1992 ihre Einwendungen zur Gesundheitsgefährdung dargelegt. Als juristisch nicht gebildete und durch keinen Anwalt vertretene Person habe sie sich auf die Ausführungen des Verhandlungsleiters verlassen. Es hätte auch sein können, daß die Verhandlung zur Beiziehung eines Amtsarztes erstreckt werde und sie in der Folge ihre Einwendungen zur Gesundheitsgefährdung (rechtzeitig) vorbringen hätte können. Durch die unrichtige Rechtsbelehrung habe die Behörde ihre Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG verletzt, weshalb der Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet sei. Ihre Einwendungen seien auch deshalb als rechtzeitig anzusehen, weil sie sich an die von der Behörde - unzulässigerweise - erklärte Möglichkeit, die Einwendungen nach Kenntnisnahme des amtsärztlichen Gutachtens vorbringen und somit Parteistellung erwerben zu können, gehalten habe.

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, sind im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage nur jene Nachbarn Partei, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1973 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.

Diese Rechtslage gilt auch uneingeschränkt in einem gemäß § 81 GewO 1973 durchzuführenden Verfahren über die gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage.

In der Verhandlungsschrift vom 2. März 1990 heißt es:

"Frau W bringt vor, daß die A-AG angeblich eisenverseuchtes Aushubmaterial abgelagert hat und dieses Material die Deponieklasse 2 überschreitet. Weiters wirft Frau W die Fragen der Langzeitentwicklung, der Sickerwässer, des Grundwassers und der Nahrungskette auf. Laut Aussage von Frau W ist es mit dem heutigen Wissenstand nicht möglich, diese Fragen abschließend zu beurteilen. Darüberhinaus bringt Frau W vor, daß es durch die Ablagerung von Asbestzement zu einer Entwertung der Gegend käme.

Grundsätzlich festgehalten wird, daß zur Beurteilung der Frage betreffend die Sickerwässer und das Grundwasser die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde gegeben ist. Eine Ablagerung von Asbestzement wäre damit unzulässig, wenn eine wasserrechtliche Bewilligung nicht vorliegt. Betreffend die Frage der Gesundheitsgefährdung wird der Amtsarzt um eine gutächtliche Stellungnahme gebeten werden. Diese gutächtliche Stellungnahme des Amtsarztes wird allen heute Anwesenden nicht eingeschrieben übermittelt und auf dem Gemeindeamt H/M an den Amtstagen zur Einsichtnahme aufgelegt.

Grundsätzlich wird vom gewerbetechnischen ASV festgehalten, daß Asbest auch in der Natur vorkommt und daß die nächstgelegenen Häuser von H 1,5 km und die nächstgelegenen Häuser von M 4 km von der Deponie entfernt sind.

Rechtlich aufklärend wird festgestellt, daß allen jenen Nachbarn Parteistellung zukommt, die behaupten, in einem subjektiven-öffentlichen Recht verletzt zu sein und daher Einwände gegen das Projekt vorbringen. Solchen Parteien stehen somit alle Parteirechte, wie z.B. Parteiengehör, Akteneinsicht, das Antragsrecht sowie das Berufungsrecht zu. Alle Beteiligten haben somit auch die Möglichkeit, nach Kenntnisnahme des amtsärztlichen Gutachtens Einwände vorzubringen und somit Parteistellung zu erwerben."

Nach Befundaufnahme erstattete der gewerbetechnische Amtssachverständige in der Verhandlung sein Gutachten, in welchem er abschließend ausführte:

"Zusammenfassend und vorbehaltlich einer gutächtlichen Stellungnahme des Amtsarztes ist aus gewerbetechnischer Sicht festzuhalten, daß bei Einhaltung vorstehender Verfüllweise bzw. der Auflagen eine Windverfrachtung von Asbestzementfasern ausgeschlossen werden kann."

Neben anderen Verhandlungsteilnehmern entfernte sich die Beschwerdeführerin "ohne Abgabe weiterer Erklärungen von der Verhandlung". Nachdem keine weiteren Erklärungen abgegeben wurden und von allen Verhandlungsteilnehmern auf das Verlesen der laut diktierten Verhandlungsschrift verzichtet worden war, wurde von der Behörde diese Verhandlung geschlossen.

In ihrem Schreiben vom 6. März 1992 an die Beschwerdeführerin führte die BH B aus:

"Am 2.3.1990 fand über Ansuchen der A-AG eine gewerbebehördliche Verhandlung betreffend die Genehmigung der Verfüllung der Schottergrube im Standort Parzellen Nr. 848 bis 850, KG H, mit Asbestzement statt.

Bei dieser Verhandlung war der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft B nicht anwesend.

In seiner Stellungnahme vom 6.3.1990 erachtete es der Amtsarzt für erforderlich, das Ergebnis der notwendigen noch durchzuführenden Wasserrechtsverhandlung abzuwarten.

Nunmehr liegt ein wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid der Abteilung III/1 des Amtes der NÖ. Landesregierung vom 6.9.1991 vor, in dem die Ablagerung von Asbestzement in der gegenständlichen Deponie genehmigt wird.

Aufgrund dieses Bescheides äußerte sich der Amtsarzt in seiner Stellungnahme vom 17.2.1992 dahingehend, daß aus hygienischer Sicht durch die Ablagerung von Asbestzement in der gegenständlichen Deponie keine Beeinträchtigungen oder Gesundheitsschädigungen für Menschen zu erwarten sind.

Dies wird Ihnen in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.

Weiters wird die Absicht der Behörde bekanntgegeben, die Verfüllung der Schottergrube im Standort Parzelle Nr. 848 bis 850, KG H, mit Asbestzement unter Vorschreibung der Auflagenpunkte 1 bis 4 aus der Verhandlungsschrift vom 2.3.1990 zu genehmigen.

...

Auch besteht die Absicht, die Einwendungen von Frau W betreffend die Fragen der Langzeitentwicklung der Sickerwässer, des Grundwassers und der Nahrungskette sowie die Entwertung der Gegend durch Ablagerung von Asbestzement als unzulässig zurückzuweisen. Ebenso ihre Einwendung, daß die A-AG angeblich eisenverseuchtes Aushubmaterial abgelagert hat und dieses Material die Deponieklasse II überschreitet. Begründet wird dies damit, daß Frau W kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 geltend gemacht hat und die Fragen der Sickerwässer und des Grundwassers im eigenen wasserrechtlichen Verfahren zu behandeln waren.

Sie haben die Möglichkeit zur Absicht der Behörde innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen. Sollte innerhalb dieser Zeit keine Stellungnahme hierorts einlangen, würde ohne ihre weitere Anhörung im Sinne der Absicht der Behörde entschieden werden."

Auf dieses, der Beschwerdeführerin am 10. März 1992 zugestellte Schreiben der BH äußerte sich die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20. März 1992, bei der BH eingelangt am 24. März 1992, wie folgt:

"Durch die Deponierung von Asbest muß ich eine konkrete Schädigung meiner, vor allem aber der Gesundheit meiner Kinder befürchten, wenn im Lauf der Jahre die Fasern wieder frei werden und dann in die Luft oder ins Wasser gelangen.

Die handschriftliche 4-Zeilen-Stellungnahme des Amtsarztes Dr. D vom 17.2.1992 ist äußerst mangelhaft und ungenügend. Der Hinweis auf eine Wasserrechtsverhandlung stellt ja nicht einmal eine eigene medizinische Ansicht dar und setzt sich in keiner Weise mit möglichen gesundheitlichen Risken auseinander. Seine allgemein abgefaßte Negierung kann keine wissenschaftlich-medizinische Stellungnahme sein

...

Ich beantrage daher die Einholung eines Fachgutachtens eines medizinischen Sachverständigen, der nach Möglichkeit Erfahrungen von Asbestfasern auf die Gesundheit von Menschen gesammelt hat.

Auf Grund dieser neuen Erkenntnisse fühle ich mich in meinem subjektiven Recht auf Gesundheit beeinträchtigt und ersuche daher, in H die Deponierung von Asbest in welcher Form auch immer nicht zu gestatten.

Weiters mache ich als Verfahrensmängel geltend:

1. Die Behörde (Dr. K) hat uns anwesenden Bürgern bei der gewerberechtlichen Verhandlung am 2.3.1990 Parteistellung zuerkannt. ..."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/04/0138) liegt eine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 erster Satz GewO 1973 nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. D.h., es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder "in anderer Weise ") auftretende Einwirkungen abgestellt sein. Nur unter dieser Voraussetzung kommt eine Konkretisierung von Einwendungen durch späteres Vorbringen in Frage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/04/0193). In einer späteren erstinstanzlichen Verhandlung können rechtzeitig Einwendungen nur dann erhoben werden, wenn die erste Verhandlung vertagt wurde und die zweite Verhandlung eine Fortsetzung der ersten Verhandlung darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0352). Der durch Unterlassung solcher Einwendungen präkludierte Nachbar wurde niemals Partei des Verfahrens. Eine von ihm erhobene Berufung ist daher als unzulässig zurückzuweisen, es sei denn, er wurde von der Erhebung von Einwendungen durch einen ungesetzlichen Vorgang ausgeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1986, Zl. 86/04/0058).

Nach dem der verwaltungsgerichtlichen Prüfung zugrundezulegenden objektiv erkennbaren Wortlaut der von der Beschwerdeführerin abgegebenen Erklärung über offene Fragen der Langzeitentwicklung des abzulagernden Materials, der Sickerwässer, des Grundwassers und der Nahrungskette sowie einer möglichen Entwertung der Gegend durch die Ablagerung von Asbestzement, handelt es sich hiebei um kein Vorbringen, welches als Einwendung im oben aufgezeigten Sinne anzusehen ist, da sich aus dieser Erklärung eine Konkretisierung im Sinne der dargestellten gesetzlichen Tatbestandserfordernisse, insbesonders in Ansehung der hiefür erforderlichen sachverhaltsmäßigen Bezugspunkte als Voraussetzung für eine Gefährdung der Gesundheit der Beschwerdeführerin bzw. ihres Eigentums nicht einmal ansatzweise erkennen läßt. Eine hievon unabhängige Befürchtung von "Umweltbelastungen" betrifft aber im gegebenen Rechts- und Sachzusammenhang kein subjektiv-öffentliches Recht der Beschwerdeführerin.

Insofern die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde geltend macht, die "Behörde" hätte ihr zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötige Anleitungen geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen gemäß § 13a AVG belehren müssen, so ist dem - abgesehen davon, daß die Berufungen der Beschwerdeführerin ein derartiges Vorbringen vermissen lassen - entgegenzuhalten, daß es im Sinne der zu § 13a AVG ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/04/0138) nicht Aufgabe der Behörde ist, im Rahmen einer auf Grund des § 356 Abs. 1 GewO 1973 durchgeführten Augenscheinsverhandlung zur Erhebung von Einwendungen sowie zu deren inhaltlicher Gestaltung anzuleiten, wenn an die Beteiligten des Verwaltungsverfahrens - wie im vorliegenden Fall - eine rechtzeitige Verständigung von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen unterlassener Einwendungen ergangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. NF Nr. 11.745/A).

Gemäß § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1973 darf ein Nachbar seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 und 5 leg. cit. auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei, wenn er der Behörde nachweist, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle zu erlangen. Solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

In der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 2. März 1990 hat der Verhandlungsleiter der Behörde erster Instanz "betreffend die Frage der Gesundheitsgefährdung" die Einholung einer gutächtlichen Stellungnahme des nicht erschienenen Amtsarztes in Aussicht gestellt und die Rechtsbelehrung erteilt, daß "alle Beteiligten" die Möglichkeit hätten, nach Kenntnisnahme des amtsärztlichen Gutachtens Einwände vorzubringen "und somit Parteistellung zu erwerben". Aufgrund dieser behördlichen Belehrung konnte die Beschwerdeführerin davon ausgehen, daß ihr nach Erstellung des ärztlichen Gutachtens - in einer allenfalls nach Vertagung durchzuführenden zweiten Verhandlung - die Möglichkeit zur Erhebung substantiierter Einwendungen bezüglich der Frage der Gesundheitsgefährdung offensteht. Durch diese Aussage des Verhandlungsleiters über den geplanten weiteren Verlauf des Verfahrens war sohin die Beschwerdeführerin im Sinne des § 356 Abs. 3 2. Satz GewO 1973 ohne ihr Verschulden gehindert, die Parteistellung nach dem ersten Satz des § 356 Abs. 3 GewO 1973 zu erlangen. Da die Beschwerdeführerin das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom 6. März 1992, mit welchem sie erstmals die Absicht der Behörde, ihr keine Parteistellung zuzuerkennen, gleichzeitig mit der Bekanntgabe der Stellungnahme des ärztlichen Amtssachverständigen, erfahren hat, innerhalb der im § 356 Abs. 3 letzter Halbsatz GewO 1973 vorgesehenen Frist mit konkretisierten Einwendungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 beantwortete, verkannte daher die belangte Behörde die Rechtslage, wenn sie dem Vorbringen der Beschwerdeführerin insgesamt die rechtliche Qualifikation einer Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 absprach. Sie belastete daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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