VwGH 93/04/0008

VwGH93/04/000821.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des NF und der GF, beide in H, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BMwA vom 2. 11. 1992, Zl. 308.265/1-III/3/90, betr Zurückweisung einer Berufung (Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage; mP: T in H, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §356 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Anbringen vom 22. April 1987 beantragte die mitbeteiligte Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage in H, X 6 (KFZ-Werkstätte) durch Zubau einer Werkstätte mit Lackiererei und Spenglerei. Auf Grund dieses Antrages führte die Bezirkshauptmannschaft Z am 11. April 1988 eine Augenscheinsverhandlung durch, die mangels Vorliegens von beurteilungsfähigen Unterlagen jedoch auf unbestimmte Zeit vertagt wurde und in der die rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer erklärten, "gegen das Projekt grundsätzlich Einwendungen zu erheben. Auf Grund des heutigen Verhandlungsergebnisses bzw. der ergänzungsbedürftigen Unterlagen werden die Einwendungen im Zuge des weiteren Verfahrens konkretisiert". In der fortgesetzten Verhandlung am 21. November 1988 erklärten die Beschwerdeführer im wesentlichen, Einwendungen gegen das geplante Projekt "im Hinblick auf gesundheitsgefährdende bzw. unzumutbare Beeinträchtigungen durch die Lösungsmittelemissionen aus der Spritzlackieranlage sowie Feststoffemissionen (Farbpartikel) und durch die Lärmemissionen aus den Absaugungen und Ventilatoren sowie durch den Arbeitslärm in der Spenglerei" zu erheben. Eine detaillierte Stellungnahme werde binnen drei Wochen ab Übermittlung der Verhandlungsschrift abgegeben. Hinsichtlich der zu erwartenden Immissionen sei noch ein ärztliches Gutachten über die zu erwartenden Auswirkungen auf den menschlichen Organismus einzuholen, wobei auf § 45 Abs. 3 AVG verwiesen werde. Bemerkt werde im Hinblick auf die "Lärmemissions-Immissionssituation", daß die Fenster in der Werkstätte und in der Spenglerei aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes zu Lüftungszwecken verwendet werden müßten und daher nicht ständig geschlossen bleiben könnten.

In der Folge übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Z den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 3. Jänner 1989 eine "gutächtliche Stellungnahme" des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Z vom 28. Dezember 1988 sowie mit Schreiben vom 18. Jänner 1989 eine Ausfertigung der Verhandlungsschrift über die Verhandlung vom 21. November 1988 sowie eine Kopie des "Lärmschutzprojektes" (gemeint offenbar das lärmtechnische Gutachten der Nö Umweltschutzanstalt vom 13. Juni 1983) zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme.

In ihrer Stellungnahme vom 1. Februar 1989 führten die Beschwerdeführer unter anderem aus, daß das lärmtechnische Gutachten der Nö Umweltschutzanstalt überholt sei und sie wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß zwischen dem Werkstättengebäude und ihrer Grundgrenze ein schmaler Streifen bestehe, der nach der Aussage der mitbeteiligten Partei zum Abstellen von Fahrzeugen und "offenbar auch als Zufahrt" benutzt werden solle. Das ständige Hin- und Herfahren von Fahrzeugen in diesem Bereich stelle einen geänderten Betriebsablauf dar, der mit wesentlich größerer Lärmbelästigung verbunden sei als bisher.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 2. Mai 1989 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der Betriebsanlage durch die Errichtung eines Werkstättenzubaus samt Spenglerei und maschineller Einrichtung samt Heizung unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen, unter anderem jener, daß die Zufahrt an der östlichen Grundstücksgrenze nicht zum Zu- und Abfahren durch Kunden verwendet werden dürfe, erteilt und ein Probebetrieb für die Dauer eines Jahres ab Rechtskraft dieses Bescheides angeordnet.

Der von den Beschwerdeführern gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 13. November 1990 "keine Folge gegeben" und es wurde der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin ergänzt, daß "die Betriebsanlage" erst aufgrund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden darf.

Die von den Beschwerdeführern auch gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 2. November 1992 zurückgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Inhaltes der bezughabenden Rechtsvorschriften im wesentlichen aus, daß die Beschwerdeführer in ihrer Berufung Lärmbelästigungen ausschließlich im Zusammenhang mit dem (betriebskausalen) Zu- und Abfahren von Kraftfahrzeugen vorgebracht hätten, daß sie aber dem entsprechende Einwendungen in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung an keinem der beiden Termine erhoben hätten. Den Beschwerdeführern mangle es daher insoweit an der, zu einem entsprechenden Berufungsvorbringen legitimierenden Parteistellung. Mit Rücksicht auf das weitere Berufungsvorbringen, das Errichten und Betreiben der gegenständlichen Betriebsanlage sei im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO durch Rechtsvorschriften verboten, sei daher in der Berufung nur "Unzulässiges" vorgebracht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich (erkennbar) in dem Recht auf inhaltliche Erledigung ihres Berufungsvorbringens verletzt. Sie tragen in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, sie hätten bei der Verhandlung am 11. April 1988 grundsätzlich und bei der fortgesetzten Augenscheinsverhandlung am 21. November 1988 konkrete, rechtserhebliche Einwendungen gegen das geplante Projekt der mitbeteiligten Partei erhoben. Im Zuge dieser Verhandlung habe sich herausgestellt, daß die mitbeteiligte Partei noch weitere Unterlagen vorlegen und ein ärztliches Gutachten eingeholt werden müsse. Es sei ihnen daher eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zugebilligt worden; diese Stellungnahme sei von ihnen am 1. Februar 1989 erstattet und es sei darin unter anderem vorgebracht worden, daß es durch die Erweiterung der Betriebsanlage zu einem "geänderten Betriebsablauf" kommen würde, der auch eine wesentlich größere Lärmbelästigung der Nachbarn zur Folge hätte. Die Verhandlungen vom 11. April und vom 21. November 1988 stellten "sohin gemeinsam" mit der Stellungnahme vom 1. Februar 1989 eine Einheit im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG dar, worin je nach Verfahrensfortschritt bzw. -ergebnis die Einwendungen konkretisiert worden seien. Die Konkretisierung von zunächst nur dem Grunde nach vorgebrachten Einwendungen sei unbestrittenermaßen zulässig. Es sei daher "völlig verfehlt", wenn das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer mit der Begründung zurückgewiesen werde, daß sie erstmals in der zurückgewiesenen Berufung Einwendungen im Zusammenhang mit dem (betriebskausalen) Zu- und Abfahren von Kraftfahrzeugen vorgebracht hätten. Hätten sie ihre Einwendungen tatsächlich verspätet erstattet, so hätte schon der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufung der Beschwerdeführer - statt auf die Lärmbelästigungsfrage detailliert einzugehen - zurückzuweisen gehabt. "Völlig verfehlt" sei auch der Hinweis im bekämpften Bescheid auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0281, wonach das Fahren von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr nicht mehr als ein zu einer gewerblichen Betriebsanlage gehörendes Geschehen gewertet werden könne. Die Beschwerdeführer würden nämlich im Falle der Genehmigung der beantragten Betriebserweiterung nicht einen verstärkten Verkehr auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr befürchten, sondern sie hätten sich als Nachbarn gegen ein erhöhtes Verkehrsaufkommen auf der Nachbarliegenschaft ausgesprochen.

Festzuhalten ist zunächst, daß die Beschwerdeführer mit ihrem zuletzt dargestellten Vorwurf im Recht sind. Denn es kann das sich auf die im lärmtechnischen Gutachten der Nö Umweltschutzanstalt enthaltene Situationsdarstellung beziehende Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Stellungnahme vom 1. Februar 1989 vor dem Hintergrund der Ausführungen und planlichen Darstellungen in diesem Gutachten nicht anders verstanden werden, als daß damit die Befürchtung einer Lärmbelästigung durch das ständige "Hin- und Herfahren" von Fahrzeugen auf dem schmalen Streifen "zwischen Werkstättengebäude und Grundgrenze" der Beschwerdeführer, somit auf dem Betriebsgrundstück der mitbeteiligten Partei zum Ausdruck gebracht wird.

Es erweist sich aber auch das übrige Beschwerdevorbringen als im Ergebnis berechtigt:

Gemäß § 359 Abs. 4 Gewerbeordnung 1973 - in der im Zeitpunkte der Bescheiderlassung maßgeblichen Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 - steht im Verfahren betreffend die Genehmigung von Betriebsanlagen das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1953 sind im Verfahren gemäß Abs. 1 (betreffend Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage) - die Ausnahme des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1973 kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht - nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Eine dem § 356 Abs. 3 GewO 1973 entsprechende Einwendung liegt dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem Vorbringen des Nachbarn muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird und ferner, welcher Art dieses Recht ist; d.h. es muß auf einen oder mehrere der in § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Wer eine solche Einwendung rechtzeitig erhebt, erlangt - im Rahmen dieser Einwendung - als Nachbar Parteistellung.

Auch nur im Rahmen derart qualifizierter Einwendungen kann sich die Frage der Konkretisierung von Einwendungen durch späteres Vorbringen stellen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1989, Zl. 86/04/0103).

Gemessen an dieser Rechtslage war das Vorbringen der Beschwerdeführer in der Augenscheinsverhandlung vom 11. April 1988, "grundsätzlich Einwendungen" zu erheben, nicht als Einwendung zu werten und damit auch einer

- rechtserheblichen - Konkretisierung unzugänglich. Das Vorbringen der Beschwerdeführer in der am 21. November 1988 fortgesetzten Augenscheinsverhandlung erfüllte jedoch die an Einwendungen zu stellenden Anforderungen und vermittelte damit den Beschwerdeführern Parteistellung (u.a.) im Rahmen des Alternativtatbestandes "Lärm". Das ebenfalls auf Lärmemissionen, und zwar durch auf dem Betriebsgrundstück fahrende Kraftfahrzeuge bezogene spätere Vorbringen der Beschwerdeführer erweist sich somit als zulässige Konkretisierung dieser Einwendung. Da die belangte Behörde dies verkannte und die darauf gestützte Berufung als unzulässig zurückgewiesen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das die Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid der Beschwerde nur einfach beizulegen war.

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