VwGH 93/02/0273

VwGH93/02/027324.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. August 1993, Zl. UVS-07/22/00150/93, betreffend Bestrafung wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften,

Normen

AAV §86 Abs1;
ASchG 1972 §29;
ASchG 1972;
VStG §5 Abs2;
VwGG §33a;
AAV §86 Abs1;
ASchG 1972 §29;
ASchG 1972;
VStG §5 Abs2;
VwGG §33a;

 

Spruch:

I. den Beschluß gefaßt:

Die Behandlung der Beschwerde wird hinsichtlich Punkt 2) des Schuldspruches abgelehnt.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird hinsichtlich Punkt 1) des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Vorerst sei darauf verwiesen, daß diese Erledigung der Beschwerde im Hinblick auf die hg. Geschäftsverteilung allein die Punkte 1) und 2) des Schuldspruches (Übertretungen der AAV und des Arbeitnehmerschutzgesetzes) des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom 10. August 1993 betrifft; im übrigen ist die Beschwerde zur hg. Zl. 93/11/0224 protokolliert und wird einer gesonderten Erledigung zugeführt.

ZU PUNKT 2) DES SCHULDSPRUCHES (ÜBERTRETUNG NACH § 29 ARBEITNEHMERSCHUTZGESETZ):

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluß ablehnen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der unabhängige Verwaltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Es wurde weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde in diesem Umfang hängt auch von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

ZU PUNKT 1) DES SCHULDSPRUCHES (ÜBERTRETUNG DES § 86 Abs. 1 AAV):

Gemäß § 86 Abs. 1 AAV ist jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen, wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche, geschützt ist.

Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin, somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ, der als Arbeitgeber fungierenden F. GesmbH zu verantworten, daß in einer näher angeführten Betriebsanlage lediglich "holländische Kästchen" und offene Ablagen zur Verfügung gestanden seien.

Was zunächst den Beschwerdeeinwand anlangt, auf Grund der Feststellungen der belangten Behörde lasse sich nicht überprüfen, ob die erwähnten "holländischen Kästchen" den Bestimmungen der AAV entsprochen hätten, so genügt für dessen Entkräftung der Hinweis, daß sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides insoweit entnehmen läßt, der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe anläßlich der am 24. Juni 1993 durchgeführten mündlichen Verhandlung unter anderem ausgeführt, es werde nicht bestritten, daß die "holländischen Kästchen" und eine offene Ablage "nicht den Anforderungen der AAV entsprechen".

Vielmehr ergibt sich aus der diesbezüglichen Niederschrift lediglich die Ansicht der Beschwerdeführerin, es treffe sie kein Verschulden, weil sie die erwähnten "holländischen Kästchen" bei einem (namentlich genannten) Unternehmen für Betriebseinrichtungen angeschafft habe und dabei davon ausgegangen sei, daß die von diesem Unternehmen verkaufte "Schließfachgarderobe Type SFG 10 mit Hängeteil" den Anforderungen der AAV entspreche.

In der Beschwerde wird - offenbar unter Bezugnahme auf das letztzitierte Vorbringen im Verwaltungsverfahren - vorgebracht, der Beschwerdeführerin wäre ein entschuldbarer Rechtsirrtum zuzubilligen gewesen, da sie sich auf die "sachverständige Meinung" des erwähnten Unternehmens, bei welchem sie die beanstandeten Kästen gekauft habe, verlassen habe dürfen. Die Beschwerdeführerin hätte daher überzeugt sein können, der AAV entsprechende Kästen aufgestellt zu haben.

Nach der hg. Rechtsprechung kann die Unkenntnis eines Gesetzes nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist; insbesondere muß von einem Gewerbetreibenden verlangt werden, daß er über die Rechtsvorschriften, die er bei der Ausübung seines Gewerbes zu beachten hat, ausreichend orientiert ist, er ist verpflichtet, sich über diese Vorschriften, zu denen auch die Arbeitnehmerschutzvorschriften zählen, zu unterrichten. Dabei ist auch eine irrige Gesetzesauslegung ein Rechtsirrtum, die den Beschuldigten nicht zu entschuldigen vermag, wenn nach seinem ganzen Verhalten nicht angenommen werden kann, daß sie unverschuldet war und daß er das Unerlaubte seines Verhaltens nicht einsehen konnte. Es besteht daher für den Arbeitgeber die Verpflichtung, sich auch mit den einschlägigen Bestimmungen der AAV vertraut zu machen und allenfalls entsprechende Erkundigungen einzuziehen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 88/08/0113).

Selbst wenn das Unternehmen, bei welchem die beanstandeten Kästen gekauft wurden, entsprechend dem Beschwerdevorbringen "auf den Vertrieb solcher Garderobekästen spezialisiert ist", konnte sich die Beschwerdeführerin sohin nicht ohne weiteres darauf verlassen, daß diese Kästen der Vorschrift des § 86 Abs. 1 AAV entsprechen, sondern hätte sich - allenfalls durch Rücksprache beim Arbeitsinspektorat, welches mit einer entsprechenden Beanstandung den Anlaß für den Kauf gegeben hatte - von der Vorschriftsgemäßheit überzeugen müssen. Die belangte Behörde hat daher der Beschwerdeführerin zu Recht keinen Rechtsirrtum zugebilligt.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde im bezeichneten Umfang gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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