VwGH 93/02/0216

VwGH93/02/021624.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, in der Beschwerdesache des G in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 9. Februar 1993, Zl. Senat-WB-92-041, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §14;
AVG §16;
AVG §47;
B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §82 Abs1;
VerfGG 1953 §87 Abs3;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs3;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §14;
AVG §16;
AVG §47;
B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §82 Abs1;
VerfGG 1953 §87 Abs3;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs3;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung der StVO und zweier Übertretungen des KFG schuldig erkannt und hiefür bestraft. Der Bescheid erging an den Beschwerdeführer zu Handen seines anwaltlichen Vertreters Dr. PS.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine am 16. April 1993 überreichte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde führte er aus, der angefochtene Bescheid sei Dr. PS am 23. Februar 1993 zugestellt worden. Dessen Bevollmächtigung habe sich aber nur auf die Vertretung des Beschwerdeführers in der am 29. Jänner 1993 vor der belangten Behörde stattgefundenen öffentlichen Verhandlung bezogen. Der angefochtene Bescheid hätte daher direkt an den Beschwerdeführer zugestellt werden müssen. Diesem sei er erst am 8. März 1993 zugekommen.

Mit Beschluß vom 15. Juni 1993, B 661/93, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der ("auf das Vorliegen allfälliger Prozeßhindernisse nicht weiter zu prüfenden") Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erhoben, daß der Beschwerdeführer laut Tonbandprotokoll zur öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 29. Jänner 1993 folgende Erklärung abgegeben hat: "GK gibt bekannt, daß er dem hier anwesenden Verteidiger Dr. PS Vollmacht erteilt hat (Dr. PS, Rechtsanwalt, ... Adresse ... )."

Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, hiezu Stellung zu nehmen. Er brachte im wesentlichen vor, mit dem genannten Rechtsanwalt sei intern vereinbart worden, daß sich sein Mandat nur auf diese einzige Verhandlung beziehe. Nach Erinnerung des Beschwerdeführers sei dieses eingeschränkte Mandatsverhältnis auch mündlich deponiert worden, doch sei es offenbar unterlassen worden, "express verbis" zu protokollieren, daß die Vollmacht nur für die eine Verhandlung gelte und außerhalb dieser Verhandlung keine Rechtswirkung zeitige. Auf jeden Fall sei es der Wille des Beschwerdeführers gewesen, einen Anwalt nur für die erwähnte Verhandlung zu bestellen. Es möge sein, daß der rechtsunkundige Beschwerdeführer sich vielleicht zu undeutlich ausgedrückt habe.

Gemäß § 10 Abs. 1 zweiter Satz AVG kann vor der Behörde eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Gemäß § 10 Abs. 2 erster Satz AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen.

Wenn der Beschwerdeführer nunmehr vorbringt, es sei intern vereinbart worden, daß sich das Mandat seines Rechtsanwaltes nur auf die Verhandlung vom 29. Jänner 1993 bezogen habe, so ist ihm zunächst entgegenzuhalten, daß der Auftrag lediglich im Innenverhältnis zwischen Auftraggeber und Beauftragtem wirkt, während es im Außenverhältnis zur Behörde auf die Vollmacht ankommt (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I, 9. Auflage, Seite 167). Gegenüber der Behörde hat der Beschwerdeführer bekanntgegeben, er habe seinem anwesenden Verteidiger Vollmacht erteilt, ohne eine Einschränkung zu erwähnen. Wer aber zu erkennen gibt, er habe Vollmacht eingeräumt, muß die Vertretungsmacht (im Umfang der Erklärung) gegen sich gelten lassen und kann sich nicht darauf berufen, daß er keine entsprechende Willenserklärung abgegeben hat (vgl. zur Bedeutung der Vollmachtskundgabe Koziol-Welser aaO, Seite 170f). Von einer bloß auf die Verhandlung vom 29. Jänner 1993 beschränkten Vollmacht mußte die belangte Behörde unter den gegebenen Umständen nicht ausgehen. Sie durfte nach dem protokollierten Wortlaut der Erklärung vielmehr darauf vertrauen, daß sich die Vollmacht auf das anhängige Verwaltungsstrafverfahren schlechthin bezog. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die nachfolgende Zustellung des Berufungsbescheides zu Handen des Rechtsanwaltes Dr. PS unter dessen vom Beschwerdeführer in der Verhandlung bekanntgegebenen Anschrift erfolgte.

Soweit der Beschwerdeführer eine Unvollständigkeit der Protokollierung andeutet, ist darauf hinzuweisen, daß er nicht behauptet, Einwendungen wegen Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift im Sinne des § 14 Abs. 4 AVG oder Einwendungen gegen die Übertragung der Schallträgeraufnahme im Sinne des § 14 Abs. 5 AVG erhoben zu haben. Die Niederschrift ist aber eine öffentliche Urkunde, die über ihren Inhalt vollen Beweis macht, wenngleich der Gegenbeweis zulässig ist (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, § 14 Abs. 1 AVG E 3). Hiezu bedarf es freilich konkreter Darlegungen. Die bloß auf Mutmaßungen gegründeten Zweifel des Beschwerdeführers an der Vollständigkeit der Protokollierung genügen für einen Gegenbeweis nicht (vgl. im Zusammenhang mit Zustellnachweisen beispielsweise Hauer-Leukauf aaO, § 47 AVG E 6 und 7). Wenn der Beschwerdeführer meint, er könnte sich wegen Rechtsunkenntnis vielleicht zu undeutlich ausgedrückt habe, ist ihm zu entgegnen, daß sein in der Verhandlung anwesender Rechtsfreund für eine allenfalls erforderliche Klarstellung hätte sorgen können.

Ausgehend von einer rechtswirksamen Bescheidzustellung am 23. Februar 1993 wurde die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof am 16. April 1993 erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist überreicht. Eine Beschwerde, die der Verfassungsgerichtshof unter gleichzeitiger Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, ist aber, wenn sie schon beim Verfassungsgerichtshof verspätet eingebracht worden war, vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 324).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte