VwGH 93/02/0129

VwGH93/02/012929.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 11. Mai 1993, Zl. Senat-KS-93-028, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Krems vom 7. April 1993 wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer schriftlich Berufung. Nach der Bezeichnung des angefochtenen Bescheides leitete der Beschwerdeführer seine Berufungsausführungen wie folgt ein:

"Innerhalb offener Frist berufe ich gegen oben angeführte Straferkenntnis mit folgender Begründung:"

Der Beschwerdeführer bekämpft in der Folge die Annahme der Behörde, er habe mehreren Ladungsbescheiden "unentschuldigt keine Folge geleistet", und führt dazu aus, sie sei an eine unrichtige Anschrift gerichtet gewesen. Abschließend enthält die Berufung folgende Ausführungen:

"Daß ich die Straferkenntnis trotz abermaliger falscher Adresse an meiner richtigen Adresse zugestellt worden ist, kann ich nur als Zufall bezeichnen, daß dieses Schriftstück einem besonders aufgeweckten Briefträger in die Hände gefallen ist. Allerdings ist dieses Ereignis mehr als ein halbes Jahr zu spät eingetreten, die Übertretung vom 30.3.1992 ist daher verjährt Ich lege eine Kopie des Zulassungscheines als Beweis bei."

Mit Bescheid vom 11. Mai 1993 wies der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich diese Berufung unter Berufung auf § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig mit der Begründung zurück, sie enthalte keinen begründeten Berufungsantrag.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, darf die Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG, wonach die Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat, im Geiste des Gesetzes nicht formalistisch ausgelegt werden. Die Berufung müsse aber wenigstens erkennen lassen, was die Partei anstrebe und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 492 unter Punkt 2. ff abgedruckte hg. Judikatur).

Die belangte Behörde, die diese Rechtslage zunächst richtig erkannte, irrt, wenn sie meint, die in Rede stehende Berufung komme diesen Erfordernissen nicht nach.

Was zunächst das Fehlen eines ausdrücklich formulierten Berufungsantrages anbelangt, so schadet dies bei einer Berufung gegen ein erstbehördliches Straferkenntnis schon deshalb nicht, weil schon die Erhebung der Berufung an sich - soweit dies durch die Berufungsausführungen nicht modifiziert wird - das Ziel des Berufungswerbers erkennen läßt, nicht der ihm im erstbehördlichen Straferkenntnis zur Last gelegten Übertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden.

Im übrigen räumt auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ein, es sei den Ausführungen in der Berufung ein Vorbringen in Richtung auf Verfolgungsverjährung zu entnehmen. Damit ist aber dem Erfordernis der Begründung des Berufungsantrages ausreichend Rechnung getragen, ist es doch im gegebenen Zusammenhang nicht wesentlich, daß die Begründung auch stichhältig ist (vgl. Hauer-Leukauf, a.a.O.).

Die belangte Behörde verkannte somit die Rechtslage, wenn sie in der in Rede stehenden Berufung einen begründeten Berufungsantrag vermißte und sie deshalb zurückwies. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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