VwGH 93/02/0085

VwGH93/02/008510.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 9. Februar 1993, Zl. Senat-MI-92-009, betreffend Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §67d Abs1;
AVG §67f Abs3;
AVG §8;
VStG §51 Abs7;
VStG §51d;
VStG §51e Abs1;
VStG §51f Abs2;
AVG §56;
AVG §67d Abs1;
AVG §67f Abs3;
AVG §8;
VStG §51 Abs7;
VStG §51d;
VStG §51e Abs1;
VStG §51f Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Februar 1993 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 5 KFG 1967 schuldig erkannt und über ihn deshalb gemäß § 134 leg. cit. eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht ausschließlich eine Verletzung der Bestimmung des § 51 Abs. 7 VStG mit dem Vorbringen geltend, er habe seine Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis am 2. Dezember 1991 zur Post gegeben, sodaß sie spätestens am 4. Dezember 1991 als im Sinne des § 51 VStG eingebracht anzusehen sei. Die 15-Monate-Frist des § 51 Abs. 7 leg. cit. habe daher am 4. März 1993, einem Donnerstag, geendet. Tatsächlich sei ihm der angefochtene Bescheid erst am 8. März 1993 zugestellt und damit im Sinne des § 51 VStG erlassen worden. Die Verkündung des angefochtenen Bescheides in der Verhandlung vom 9. Februar 1993 könne nicht als Erlassung des Bescheides gewertet werden, weil zu dieser Verhandlung die Parteien nicht ordnungsgemäß geladen worden seien. Denn zum ursprünglich anberaumten Termin vom 5. Februar 1993 sei keine der Parteien erschienen. In dieser Verhandlung sei die Verhandlung zur Verkündung des Bescheides auf den 9. Februar 1993 vertagt worden. Eine Ladung der Parteien zu diesem Termin sei jedoch nicht erfolgt. Die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Erstbehörde noch innerhalb der Frist des § 51 Abs. 7 VStG könne ebenfalls nicht als Erlassung des Bescheides im Sinne dieser Gesetzesstelle angesehen werden, weil der Erstbehörde im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nur eingeschränkte Parteistellung zukomme. Sie könne weder Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erheben, noch komme ihr in irgendeiner Form nach Erlassung der Berufungsentscheidung im weiteren (außerordentlichen) Rechtsmittelverfahren auch nur parteiähnliche Stellung zu. § 51 Abs. 7 VStG wende sich ausschließlich an den Beschuldigten, "da andernfalls einerseits der Behörde erster Instanz ein subjektives Recht auf Erlassung einer Berufungsentscheidung, ein Recht, das ihr auch vor Einführung des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat niemals zugestanden habe, zuspricht, andererseits diese Bestimmung wieder dadurch umgangen werden kann, daß ein fixer datumsmäßiger Endtermin zur Erlassung einer Entscheidung so im Wege der Zustellung dieser Berufungsentscheidung an die Behörde erster Instanz (mit dem Ersuchen um Weiterleitung) völlig verwässert, wenn nicht sogar ausgeschaltet wird". Die Behörde könne sich jederzeit darauf berufen, rechtzeitig, wenn auch nur gegenüber der Behörde erster Instanz, entschieden zu haben, und die eigentliche Erlassung an den Beschuldigten bis zur Verjährung "ruhen" lassen. Die Zustellung einer Entscheidung an eine Verfahrenspartei mit dem Ersuchen, diese an den Gegner weiterzuleiten, entspreche nicht dem Erfordernis einer gerichtsähnlichen Qualität des Verfahrens im Sinne des Art. 6 MRK.

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

Zufolge § 51f Abs. 2 leg. cit. hindert es weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist.

Nach § 67f Abs. 3 AVG sind der Bescheid und seine wesentliche Begründung auf Grund der Verhandlung, und zwar, wenn möglich, sogleich nach deren Schluß zu beschließen und zu verkünden.

Dem Beschwerdeführer ist zunächst zuzugestehen, daß die Vorgangsweise der belangten Behörde, die Vertagung einer Verhandlung und den neuen Verhandlungstermin lediglich in einer Verhandlung bekanntzugeben, an der die Parteien des Verwaltungsverfahrens nicht teilgenommen haben, die Parteien aber in der Folge von dem neuen Termin nicht zu verständigen, nicht den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Ladung im Sinne des § 51f Abs. 2 VStG entspricht. Waren aber die Parteien zur Verhandlung am 9. Februar 1993 nicht ordnungsgemäß geladen, so konnte in dieser Verhandlung auch eine Berufungsentscheidung nicht wirksam verkündet und damit erlassen werden. Es erübrigt sich daher, in die Prüfung der Frage einzutreten, ob der Inhalt der Niederschrift über diese Verhandlung den von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Anforderungen an die für eine wirksame Bescheidverkündung erforderliche Protokollierung entspricht.

Nicht zu folgen vermag der Verwaltungsgerichtshof allerdings der Rechtsansicht des Beschwerdeführers, auch die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Erstbehörde habe nicht eine die Frist des § 51 Abs. 7 VStG unterbrechende Erlassung dieses Bescheides bewirkt.

Nach der ausdrücklichen Regelung des § 51d VStG ist die Verwaltungsbehörde, die den (vor dem unabhängigen Verwaltungssenat) angefochtenen Bescheid erlassen hat, ohne Einschränkung Partei im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat. Das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist daher ein Mehrparteienverfahren.

Entsprechend der ständigen, mit der Lehre übereinstimmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in einem Mehrparteienverfahren ein Bescheid bereits mit seiner Zustellung an eine der Verfahrensparteien erlassen (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, Rz 431, und die dort angeführte weitere Literatur und hg. Judikatur). Mit der am 11. Februar 1993, also noch innerhalb der Frist des § 51 Abs. 7 VStG vollzogenen Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Erstbehörde als eine Partei des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist dieser Bescheid somit als erlassen anzusehen und damit die mit der Versäumung der genannten Frist verbundene Rechtsfolge der Aufhebung des erstbehördlichen Bescheides mit anschließender Einstellung des Verwaltungsverfahrens vermieden.

Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, der so verstandene Norminhalt des § 51 Abs. 7 VStG stehe mit den Erfordernissen des Art. 6 MRK nicht im Einklang. Insbesondere ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer meint, die Zustellung des angefochtenen Bescheides im Wege der Erstbehörde stehe im Widerspruch zu einem "gerichtsähnlichen Agieren der belangten Behörde". Der Verweis auf die "Vorgangsweise .... im Zivilprozeß" ist in diesem Zusammenhang schon deshalb verfehlt, weil auch nach den zivilgerichtlichen Verfahrensvorschriften die Zustellung einer Rechtsmittelentscheidung an die Verfahrensparteien durch die Unterinstanz zu erfolgen hat. Daß im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten der Erstbehörde neben ihrer Eigenschaft als Unterbehörde auch Parteistellung zukommt, steht dieser Beurteilung nicht im Weg.

Schließlich kommt auch dem in diesem Zusammenhang erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, das dargestellte Verständnis des § 51 Abs. 7 VStG führe dazu, daß sich die Berufungsbehörde jederzeit auf eine Bescheiderlassung gegenüber der Erstbehörde berufen könne, ohne daß für den Beschuldigten die Einhaltung der Frist jederzeit überprüfbar sei, kein Gewicht zu, weil auch die Zustellung der Berufungsentscheidung an die Erstbehörde ihren aktenmäßigen Niederschlag zu finden hat und daher sehr wohl jederzeit - auch durch den Beschuldigten, allenfalls im Wege der Akteneinsicht - überprüfbar ist.

Da somit aus den dargelegten Gründen der angefochtene Bescheid als noch innerhalb der 15monatigen Frist des § 51 Abs. 7 VStG erlassen anzusehen ist, erweist sich die allein auf eine Verletzung dieser Bestimmung gestützte Beschwerde als nicht begründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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