Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. November 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der ehemaligen SFRJ albanischer Nationalität, der am 1. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Oktober 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 6. September 1991 im wesentlichen vorgebracht, er sei zwar jugoslawischer Staatsangehöriger, gehöre aber der albanischen Minderheit an. Er sei Professor für albanische Sprache und Literatur und sei von 1987 bis März 1990 an der Hauptschule in Glogjan beschäftigt gewesen. Nach der Teilnahme an Demonstrationen in Prishtina sei er ausgeforscht und am 3. Juni 1982 zu 60 Tagen Haft verurteilt worden, von denen er 45 Tage habe verbüßen müssen. Anschließend habe er wieder regelmäßig an Demonstrationen teilgenommen. Er sei in der Folge am 3. Juli 1982 wieder festgenommen und über die anderen Demonstrationsteilnehmer und -organisatoren verhört worden. Dabei sei er verprügelt, anschließend aber wieder freigelassen worden. Am 20. Dezember 1989 sei er erneut verhaftet, drei Tage festgehalten, wieder verhört und verprügelt worden. Am 28. August 1991 hätten serbische Milizsoldaten beim Beschwerdeführer nach Waffen gesucht. Sie hätten albanische Literatur und Bücher "mitgenommen" und gefragt, warum er eine albanische Fahne zu Hause brauche. Da er zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen sei, habe man ihn für den 30. August 1991 zur Miliz bestellt. Dieser Ladung habe er jedoch keine Folge geleistet, sondern am 29. August 1991 gemeinsam mit seiner Familie das Land verlassen.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bekräftigte der Beschwerdeführer, daß er seine Heimat aus politischen Gründen verlassen habe und daß er bei einer Rückkehr wegen Ablehnung des Asylantrages mit Repressionen rechnen müsse. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ergänzte der Beschwerdeführer sein Berufungsvorbringen mit Schriftsatz vom 25. September 1992 durch Vorlage der Übersetzung eines Gerichtsurteiles aus dem Jahre 1992, demzufolge er zu Beginn des Schuljahres 1991, im Monat September und danach, "in der Gemeinde Peja die Eltern und die Schüler der Grund- und Mittelschulen veranlaßt habe, den Unterricht zu boykottieren und den Lehrplan Serbiens nicht anzuerkennen; Haß gegenüber der Führung Serbiens und dem serbischen Volk geschürt, die Inskription von Schülern zum Mittelschulunterricht unter Umgehung der Lehrpläne Serbiens durchgeführt und andere derartige Maßnahmen gesetzt habe, durch die großer Aufruhr im Volk entstanden sei sowie eine Zuspitzung der Situation, der nationalen Intoleranz und der allgemeinen Massenunruhen hervorgerufen worden sei". Er habe damit die strafbare Handlung des Schürens von National-, Gruppen- und Rassenhasses und -intoleranz laut § 134 Abs. 1 und 3 des Strafgesetzes Jugoslawiens begangen und werde dafür zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die belangte Behörde begründete die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit, daß es dem Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen sei, konkrete Verfolgungen seiner Person aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe glaubhaft darzutun. Sein Vorbringen sei nämlich wegen der darin enthaltenen Widersprüche unglaubwürdig. So würde die Behauptung, am 3. Juni 1982 zu 60 Tagen verurteilt worden zu sein und 45 Tage der Strafe tatsächlich verbüßt zu haben, dem Vorbringen, am 3. Juli 1982 wegen Teilnahme an einer Demonstration wieder festgenommen werden zu sein, widersprechen. Auch die Aussage im vorgelegten Gerichtsurteil, daß der Beschwerdeführer die strafbaren Tatbestände "zu Beginn des Schuljahres 1991 im Monat September und danach" begangen habe, widerspreche der Tatsache, daß der Beschwerdeführer bereits am 2. September 1991 in Österreich um Asyl angesucht habe. Im übrigen wäre das vorgelegte Gerichtsurteil - selbst wenn man ihm "Glauben schenkte" - nicht geeignet, zur Asylgewährung zu führen, weil es sich dabei "nicht um einen der im § 1 des Asylgesetzes 1991 taxativ aufgezählten Tatbestände" handle, sondern damit ein vom Beschwerdeführer "gesetztes, rechtswidriges Verhalten" geahndet werde. Im übrigen stünden die "Haftstrafen aus den Jahren 1982 bis 1989" - selbst unter der Annahme, daß sie tatsächlich verhängt worden seien - nicht im erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise des Beschwerdeführers und stellten auch die in der Haft erlittenen Mißhandlungen als "Polizeiübergriffe" keinen Verfolgungsgrund im Sinnde des Asylgesetzes dar. Die Hausdurchsuchung und die Ladung zur Miliz wären gleichermaßen nicht geeignet, Furcht vor Verfolgung zu begründen.
Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, daß die belangte Behörde zu Unrecht die Glaubwürdigkeit seiner Angaben verneint und daß sie überhaupt den politischen Hintergrund der gesetzen Maßnahmen und damit seine Verfolgung aus politischen Gründen verkannt habe.
Der Beschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Dem Beschwerdeführer ist - von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung (vgl. z. B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0706) - darin beizupflichten, daß die Erwägungen der belangten Behörde bei der Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers als unglaubwürdig, nicht zu überzeugen vermögen. Denn die sich aus dem Vorbringen - im übrigen keineswegs zwingend - ergebende Annahme der (geringfügigen) zeitlichen Überschneidung von Haft und Demonstrationsteilnahme im Jahre 1982 ist - im Gesamtzusammenhang des Vorbringens gesehen - für sich alleine zu unbedeutend, als daß daraus zu Recht auf die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers geschlossen werden könnte. Soweit die belangte Behörde daher wegen dieses Widerspruches dem Vorbringen des Beschwerdeführers ohne nähere Begründung insgesamt die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat, ist diese Würdigung als unschlüssig zu erkennen.
Ebenfalls als unschlüssig ist die Würdigung der belangten Behörde in Ansehung des vom Beschwerdeführer vorgelegten Gerichtsurteiles zu erkennen. Denn es widerspricht die Schlußfolgerung von der - aus welchen Gründen immer - in diesem Urteil enthaltenen Feststellung, der Beschwerdeführer habe Straftaten zu einem Zeitpunkt begangen, in dem er in Wahrheit bereits in Österreich gewesen sei, darauf, ob der Beschwerdeführer tatsächlich wegen der ihm in diesem Urteil vorgeworfenen Delikte verurteilt wurde, jeder Logik.
Die damit aufgezeigten Verfahrensmängel sind wesentlich, weil die belangte Behörde bei ihrer Vermeidung zur Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers und damit zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde ist nämlich bereits das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers - wäre es als glaubwürdig zu erachten - nicht ungeeignet, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesezt 1991 darzutun. Denn daß die Vorladung des wegen seiner politischen Gesinnung den Behörden seines Heimatlandes seit langem bekannten und wegen der Teilnahme an Demonstrationen bereits verurteilten, mehrmals inhaftierten und mißhandelten Beschwerdeführers wegen des Ergebnisses der vorgenommenen Hausdurchsuchung zur Miliz (in Verbindung mit der allgemein bekannten Lage der albanischen Minderheit im Kosovo) aus objektiver Sicht eine Situation geschaffen habe, in der die Furcht des Beschwerdeführers, wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden wohlbegründet und ihm dadurch ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland unerträglich sei, kann ohne nähere Begründung nicht verneint werden. Auch kann - soferne die vorgelegte Urkunde als glaubwürdig zu erachten ist - der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des "Schürens von National-, Gruppen- und Rassenhasses und -intoleranz" nicht ohne nähere Begründung ein solcher Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des Beschwerdeführers abgesprochen werden, der es rechtfertigen würde, die wegen dieser Tat verhängte Strafe als Verfolgung wegen der politischen Gesinnung anzusehen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1993, Zl. 92/01/0720). Der Hinweis, daß es sich bei der Tat des Beschwerdeführers um ein "in Übereinstimmung mit dem jugoslawischen Strafgesetzen rechtswidriges Verhalten" gehandelt habe, vermag die hiefür erforderliche Begründung jedenfalls nicht zu geben.
Der angefochtene Bescheid war, weil die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 104/1991.
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