VwGH 92/18/0511

VwGH92/18/051114.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. Oktober 1992, Zl. St-131/92, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z3;
AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1;
AVG §38;
FrPolG 1954 §10a;
FrPolG 1954 §13a;
VwRallg;
AsylG 1991 §1 Z3;
AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1;
AVG §38;
FrPolG 1954 §10a;
FrPolG 1954 §13a;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 30. Oktober 1992 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10a Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 451/1990, (FrPolG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Sachverhaltsmäßig ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, am 24. August 1992 versteckt in einem Reisebus an einem unbekannt gebliebenen Ort nach Österreich eingereist sei und am 2. September 1992 beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt habe. Dieser Antrag sei von der genannten Behörde mit Bescheid vom 24. September 1992 abgewiesen worden. Einen Sichtvermerk, der ihn zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt hätte, habe der Beschwerdeführer nicht besessen.

Da im vorliegenden Fall - so die rechtlichen Schlußfolgerungen der belangten Behörde - die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 FrPolG vorgelegen seien, habe die Ausweisung des Beschwerdeführers (zwingend) ausgesprochen werden müssen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 1992, Zl. 92/18/0034). In Erwiderung auf ein diesbezügliches Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers vertrat die belangte Behörde die Rechtsansicht, daß dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung i.S. des § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 (BGBl. Nr. 8/1992) zukomme, da er zum einen den Asylantrag nicht innerhalb einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise nach Österreich gestellt habe, zum anderen nicht direkt aus einem Staat gekommen sei, in dem er behaupte, Verfolgung befürchten zu müssen. Schließlich habe auch das Bundesasylamt in seinem abweislichen Bescheid vom 24. September 1992 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zukomme. Mangels einer solchen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 finde das Fremdenpolizeigesetz auf den Beschwerdeführer zur Gänze Anwendung, zumal er auch nicht Flüchtling sei, der Asyl habe (§ 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991).

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet und beantragt, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 10a Abs. 1 FrPolG können Fremde, die unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und nicht zurückgeschoben werden dürfen, innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten nach der Einreise mit Bescheid ausgewiesen werden.

Nach § 9 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 (AsylG) findet das Fremdenpolizeigesetz mit Ausnahme seiner §§ 2 Abs. 3, 5, 5a und 13a auf Flüchtlinge, die Asyl haben, sowie auf Asylwerber, die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (§ 7) und Fremde, die eine befristete Aufenthaltsberechtigung (§ 8) haben, keine Anwendung.

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG ist ein Asylwerber, der gemäß § 6 eingereist ist, ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt hat (vorläufige Aufenthaltsberechtigung).

Zufolge des § 6 Abs. 1 leg. cit. ist ein Asylwerber, der direkt aus dem Staat kommt (Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention), in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen, weder wegen rechtswidriger Einreise noch rechtswidriger Anwesenheit im Bundesgebiet zu bestrafen.

Nach § 6 Abs. 2 leg. cit. ist den in Abs. 1 genannten Asylwerbern sowie Asylwerbern, die gemäß § 13a des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, nicht zurückgewiesen werden dürfen, die Einreise, wenn sie nicht schon aufgrund des Paßgesetzes 1969, BGBl. Nr. 422, gestattet werden kann, formlos zu gestatten.

2.1. Das Beschwerdevorbringen - auf das Wesentliche zusammengefaßt - lautet dahin, daß dem Beschwerdeführer die Eigenschaft eines Asylwerbers i.S. des § 1 Z. 3 AsylG zukomme und daher das Fremdenpolizeigesetz, somit auch § 10a, auf ihn nicht anwendbar sei. Daß der Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. September 1992 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verneine, stehe dieser Rechtsansicht nicht entgegen, da dieser Bescheid infolge dagegen erhobener Berufung nicht rechtskräftig sei. Es könne daher aus diesem Bescheid nicht - wie von der belangten Behörde - die Anwendbarkeit des Fremdenpolizeigesetzes auf den Beschwerdeführer gefolgert werden, "da ja nicht als Prämisse für die Anwendbarkeit dieses Gesetzes das Vorliegen eines nicht rechtskräftigen Faktums herangezogen werden kann".

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Zum einen übersieht der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde das Vorliegen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers i.S. des § 7 Abs. 1 AsylG aufgrund eigener Erwägungen verneint und sich hiebei nicht, jedenfalls nicht in Form eines tragenden Begründungselementes, auf die Rechtsmeinung des Bundesasylamtes gestützt hat. Zu dieser eigenständigen Beurteilung war die belangte Behörde im Hinblick darauf verhalten, daß das Bestehen oder das Nichtbestehen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 AsylG wesentliches Tatbestandselement des § 9 Abs. 1 leg. cit. und damit für die Rechtsfolge der Nichtanwendbarkeit oder der Anwendbarkeit des § 10a FrPolG auf den Beschwerdeführer ist. Für die Lösung dieser, der belangten Behörde aufgegebenen Rechtsfrage war demnach der Umstand, daß eine andere Behörde (das Bundesasylamt) in der Begründung eines ein anderes Verfahren betreffenden Bescheides dazu Stellung nahm, folglich auch die Tatsache, daß dieser Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen ist, ohne rechtliche Relevanz. Zum anderen läßt die Beschwerde außer acht, daß § 9 Abs. 1 AsylG die Nichtanwendbarkeit (u.a.) des § 10a FrPolG nicht an den Status eines Asylwerbers i.S. des § 1 Z. 3 leg. cit. knüpft, sondern ausschließlich daran, ob jemandem die Rechtsposition eines Asylwerbers MIT vorläufiger Aufenthaltsberechtigung i.S. des § 7 Abs. 1 leg. cit. zukommt. Allein, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt ihrer Entscheidung den zuletzt bezeichneten Status hatte, war somit von der belangten Behörde zu beurteilen. Diese Frage hat sie im Ergebnis zutreffend gelöst.

2.3. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer seinen Asylantrag im Grunde des § 7 Abs. 1 AsylG rechtzeitig gestellt hat. Denn auch wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, da er jedenfalls nicht ein Asylwerber ist, "der gemäß § 6 eingereist ist" (§ 7 Abs. 1 AsylG). Die belangte Behörde hat in der Begründung des bekämpften Bescheides - von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt - als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer in einem Bus, also auf dem Landweg, nach Österreich eingereist sei. Damit aber ist der Beschwerdeführer - von der belangten Behörde zutreffend erkannt - nicht "direkt" aus dem Staat gekommen, in dem er behauptete, Verfolgung befürchten zu müssen (der Türkei); Gleiches gilt bei Bedachtnahme auf die in § 6 Abs. 1 AsylG verwiesene Norm des Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0452). Darüber hinaus liegt auch kein Anhaltspunkt für die Annahme vor, für den Beschwerdeführer könnte § 6 Abs. 2 zweiter Fall leg. cit. zum Tragen kommen, ist doch nicht erkennbar, daß er gemäß § 13a FrPolG wegen Vorliegens der dort genannten Gründe nicht in den Staat, aus dem er "direkt" nach Österreich eingereist ist (den Angaben in dem der Beschwerde beigeschlossenen Asylantrag zufolge:

Ungarn), habe zurückgewiesen werden dürfen (vgl. auch dazu das vorzitierte hg. Erkenntnis).

Da sohin der Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung hatte, hinderte § 9 Abs. 1 AsylG, ungeachtet der (allenfalls rechtzeitigen) Stellung eines Asylantrages, die belangte Behörde nicht, den Beschwerdeführer aus Österreich auszuweisen.

3. Was die Ansicht der belangten Behörde betrifft, es seien im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 FrPolG erfüllt, so pflichtet dem der Gerichtshof aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Gründen bei. In der Beschwerde wird diese rechtliche Beurteilung im übrigen nicht in Zweifel gezogen.

4. Schließlich sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, der Anregung des Beschwerdeführers zu folgen und die Überprüfung der "angewendeten fremdenpolizeilichen Norm" (gemeint offenbar § 10a Abs. 1 FrPolG) auf ihre Verfassungsgemäßheit zu beantragen.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren, und damit auch ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages hinsichtlich einer weiteren (dritten) Beschwerdeausfertigung, als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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