VwGH 92/13/0118

VwGH92/13/011824.2.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der E G.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom 19. Februar 1992, GZ 6/2-2266/89-01, betreffend Körperschaftsteuer 1983 und 1984, zu Recht erkannt:

Normen

AktG §126 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs2;
GmbHG §35;
KStG 1966 §22 Abs2;
AktG §126 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs2;
GmbHG §35;
KStG 1966 §22 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In den Generalversammlungen vom 24. Mai 1984 und vom 31. Mai 1985 wurde jeweils der Jahresabschluß betreffend das vorhergehende Jahr genehmigt und beschlossen, den Jahresgewinn (1983 S 17,480.782,-- und 1984 S 5,025.723,--) jeweils zur Gänze auszuschütten.

Im Jahre 1988 wurde bei der Beschwerdeführerin eine abgabenbehördliche Prüfung vorgenommen, nach deren Ergebnis für 1983 ein Bilanzgewinn von S 20,196.583,-- und für 1984 ein solcher von S 17,559.243,-- festgestellt wurde.

Noch vor dem Abschluß der Betriebsprüfung wurde folgender Gewinnverteilungsbeschluß vom 8. bzw. 11. März 1988 vorgelegt:

"Die aus der steuerlichen Betriebsprüfung aus den Jahren 1983 bis 1985 resultierenden Mehrbeträge auf Basis geänderter Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 1983, zum 31. Dezember 1984 und zum 31. Dezember 1985 zur Gänze bzw. soweit sie den bisher ausgewiesenen Jahresverlust 1985 übersteigen, sind im Verhältnis der eingezahlten Stammeinlagen an die Gesellschafter auszubezahlen. Die Gesellschafter sind mit der Beschlußfassung im Umlaufweg einverstanden."

Im Prüfungsbericht wurde demgemäß darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin einen weiteren, nach handelsrechtlichen Vorschriften getroffenen Gewinnverteilungsbeschluß vorgelegt habe, demzufolge der gesamte Bilanzgewinn laut Prüferbilanz offen ausgeschüttet werde. Eine Auflösung der freien Rücklage sei dem vorgelegten Gewinnverteilungsbeschluß nicht zu entnehmen. Somit sei auf den gesamten durch die Prüfung erhöhten Bilanzgewinn der halbe Körperschaftsteuersatz anzuwenden.

Der Prüfer berechnete die Körperschaftsteuer für 1983 und 1984 in folgender Höhe:

Einkommen Körperschaftsteuer

S S

1983 22,071.600,--

davon

1,875.017,-- zu 55 % 1,031.259,35

20,196.583,-- zu 27,5 % 5,554.060,33

6,585.320,--

1984 25,021.600,--

davon

7,462.357,-- zu 55 % 4,104.296,35

17,559.243,-- zu 27,5 % 4,828.791,--

8,933.088,--

anzurechnende ZESt 354.818,--

8,578.270,--

Gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1983 und 1984 wurde Berufung erhoben. In einem die Berufung ergänzenden Schriftsatz vom 30. November 1988 beantragte die Beschwerdeführerin, (auch) auf die Beträge von S 1,875.017,-- (1983) und S 7,462.357,-- (1984) den halben Steuersatz anzuwenden. Zur Begründung wurde auf den Gewinnverteilungsbeschluß vom 8. bzw. 11. März 1988 verwiesen. Danach sollten die Gewinne in Höhe der sich aus der Betriebsprüfung ergebenden Mehrbeträge ausgeschüttet werden. Das sei nur möglich, wenn die Körperschaftsteuer die Ausschüttungen nicht kürzt. Dies bedeute, daß höhere Gewinne (z.B. durch Rücklagenauflösung) errechnet werden müßten, um neben der Körperschaftsteuer die Ausschüttungen in der Höhe der Betriebsprüfungsmehrergebnisse abdecken zu können.

Im Berufungsverfahren wurden auf Grund entsprechender Vorhalte das Protokoll über eine außerordentliche Generalversammlung der Gesellschafter vom 30. Juni 1989, in der die Ausschüttung der (betragsmäßig festgestellten) Mehrergebnisse der Jahre 1983 und 1984 beschlossen worden waren, sowie berichtigte Bilanzen zum 31. Dezember 1983 und 1984 vorgelegt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurden die Abgabenbescheide abgeändert und die Anwendung des halben Körperschaftsteuersatzes auf das Mehrergebnis der Betriebsprüfung abgelehnt. In der Begründung verwies die belangte Behörde darauf, daß geänderte Bilanzen im Zeitpunkt des - vor der Schlußbesprechung gefaßten - Umlaufbeschlusses vom 8. bzw. 11. März 1988 noch nicht vorgelegen seien. Es sei daher kein den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechender Gewinnverteilungsbeschluß vorhanden gewesen. Die nach der Betriebsprüfung durchgeführte Änderung der Handelsbilanzen zum 31. Dezember 1983 und 31. Dezember 1984 sei keine Bilanzberichtigung, sondern eine Bilanzänderung im Sinne des § 4 Abs. 2 EStG 1988. Die Beschwerdeführerin habe keine stichhältigen, im Unternehmen gelegene wirtschaftliche Gründe geltend gemacht. Die Beibehaltung der Bilanzpolitik und die Wahrung des Anspruches der Gesellschafter auf Ausschüttung des gesamten handelsrechtlichen Gewinnes könnten nicht als solche wirtschaftlichen Gründe angesehen werden. Die Auflösung der freien Rücklage habe ausschließlich dem Ausgleich der Steuernachforderungen gedient. Die Abänderung der Körperschaftsteuerbescheide 1983 und 1984 wurde damit begründet, daß der Ausschüttungsbeschluß vom 8. bzw. 11. März 1988 nicht den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 KStG 1966 entsprochen habe.

In der Beschwerde gegen diese Berufungsentscheidung werden deren inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 22 Abs. 2 KStG 1966 ermäßigt sich die Körperschaftsteuer auf die Hälfte des sich nach Abs. 1 leg. cit. ergebenden Betrages, soweit unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften offene Ausschüttungen auf Grund eines den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vornehmen. ...

Voraussetzung für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 22 Abs. 2 KStG 1966 ist ein sowohl formal als auch inhaltlich dem Handelsrecht entsprechender Gewinnverteilungsbeschluß. Zur Prüfung dieser Frage sind die Bestimmungen des Aktiengesetzes 1965 bzw. des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1906 in der jeweils geltenden Fassung heranzuziehen. Demnach sind Ausschüttungen nur dann als unzulässig anzusehen, wenn sich die Gewinnverteilung auf einen handelsrechtlich nicht ordnungsgemäß festgestellten Jahresabschluß bezieht bzw. wenn der Ausschüttungsbeschluß sonstigen handelsrechtlichen Vorschriften (insbesondere Form- und Fristenregelungen) widerspricht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. August 1992, 89/14/0160, mit weiterem Hinweis).

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß die genannten Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes im Beschwerdefall deshalb nicht gegeben waren, weil bei dem noch - vor der Schlußbesprechung - gefaßten Umlaufbeschluß vom 8. bzw. 11. März 1988 ein (berichtigter) Jahresabschluß für 1983 und 1984 noch nicht vorgelegen sei. Von der belangten Behörde wird dabei übersehen, daß die in Rede stehenden Ausschüttungen auf Grund des in der Generalversammlung vom 30. Juni 1989 gefaßten Beschlusses erfolgt sind. In dieser Generalversammlung wurden die auf Grund des Ergebnisses der Betriebsprüfung geänderten Jahresabschlüsse genehmigt und beschlossen, die Reingewinne, "soweit sie nicht ausgeschüttet wurden", für das Geschäftsjahr 1983 mit

S 4,590.818,-- und für das Geschäftsjahr 1984 mit

S 19,995.877,-- an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Stammeinlagen auszuschütten. Daß diese Jahresabschlüsse handelsrechtlich nicht ordnungsgemäß festgestellt worden sind bzw. daß die Ausschüttungsbeschlüsse sonstigen handelsrechtlichen Vorschriften widersprechen, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Die Bestimmung des § 22 Abs. 2 KStG 1966 knüpft jedoch allein an handelsrechtliche Vorschriften und damit an die handelsrechtliche Bilanz an. Somit stellt sich bei Anwendung der genannten Bestimmung die Frage der Bilanzänderung im Sinne des § 4 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1972 nicht. Die Versagung des ermäßigten Steuersatzes wurde daher von der belangten Behörde zu Unrecht auf die Weigerung, der Bilanzänderung zuzustimmen, gestützt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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