VwGH 92/08/0145

VwGH92/08/014511.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des F in E, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt, I, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Tirol vom 12. Mai 1992, Zl. IV a-7022 B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §49 Abs2;
AVG §13a;
AVG §37;
AlVG 1977 §49 Abs2;
AVG §13a;
AVG §37;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand zuletzt in der Zeit vom 20. Dezember 1990 bis 4. November 1991 in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zum Inhaber des Hotels U. Ab 5. November 1991 bezog er Arbeitslosengeld.

Nach einer mit dem Beschwerdeführer am 9. Dezember 1991 beim Arbeitsamt Reutte (erstinstanzliche Behörde) aufgenommenen Niederschrift erklärte dieser, er habe sich zur vorgeschriebenen Kontrollmeldung am 18. November 1991 nicht gemeldet, weil er eine Einstellzusage beigebracht und daher geglaubt habe, sich nicht mehr melden zu müssen. Bei der Arbeitsaufnahme hätte er "die Karte wie gewohnt dem Arbeitsamt zugesandt".

Daraufhin sprach die erstinstanzliche Behörde mit Bescheid vom 3. März 1992 aus, daß der Beschwerdeführer gemäß § 49 AlVG für den Zeitraum vom 18. November 1991 bis 8. Dezember 1991 kein Arbeitslosengeld erhalte. Begründet wurde diese Entscheidung - nach Wiedergabe des § 49 Abs. 1 und 2 AlVG - damit, daß der Beschwerdeführer die für den 18. November 1991 vorgeschriebene Kontrollmeldung ohne triftigen Grund nicht eingehalten und erst am 9. Dezember 1991 die Wiedergewährung des Arbeitslosengeldes beantragt habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, es entspreche zwar den Tatsachen, daß er den bezüglichen Meldetermin übersehen habe; außerordentliche Gründe hätten aber dieses Meldeversäumnis ausgelöst. Er sei seit nunmehr 14 Jahren - mit saisonalen Unterbrechungen - im Hotel U als Koch beschäftigt. Er arbeite regelmäßig 10 1/2 Monate und beziehe nur während des Zeitraumes November bis Weihnachten jeden Jahres Arbeitslosengeld, weil in diesem Zeitraum das Hotel geschlossen halte. Da er jedes Jahr die obligate Wiedereinstellungsgarantie des Dienstgebers bei der erstinstanzlichen Behörde unaufgefordert vorweise und in den vergangenen Jahren die Kontrollmeldung nicht mehr erforderlich gewesen sei, habe er den Meldetermin (in diesem Jahr) nicht entsprechend evident gehalten. Seine Mutter sei 71 Jahre alt und sei im November 1991 mehrere Tage im Bezirkskrankenhaus Reutte stationär behandelt worden, weshalb er den Haushalt zu versorgen gehabt habe. Am 13. November 1991 sei sie nach Hause entlassen worden, sei aber wegen der intensiven Bestrahlungen und Behandlungen geschwächt gewesen, sodaß sich der Beschwerdeführer um sie in besonderer Weise habe kümmern müssen. Seine Schwester sei ausgebildete Diplomkrankenschwester und wohne in W. Sie habe den Beschwerdeführer angerufen und sie hätten vereinbart, daß er seine Mutter zu ihr bringe, damit sie unter ihrer Obhut schneller gesunden könne. Diese Fahrt habe er am 18. November 1991 - dem Tag seiner pflichtgemäßen Kontrollmeldung - durchgeführt. Wegen der Turbulenzen mit seiner kranken Mutter und dem überraschenden Angebot seiner Schwester, die Mutter pflegen zu wollen, habe er bedauerlicherweise den Kontrolltermin vergessen. Er ersuche, angesichts der geschilderten außerordentlichen Umstände sein einmaliges Kontrollmeldeversäumnis nachzusehen und ihm für den genannten Zeitraum die Arbeitslosenbezüge auzuzahlen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend wird ausgeführt, die Berufungsausführungen stellten keinen Tatbestand dar, der einen triftigen Grund im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG erkennen ließe. Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld und um insbesondere dem Arbeitsamt die Möglichkeit zu geben, bei Bedarf eine entsprechende zumutbare Beschäftigung zu vermitteln, habe sich der Arbeitslose an den vom Arbeitsamt vorgeschriebenen Tagen bei diesem Amt persönlich zu melden. Zwar sei es menschlich verständlich, daß der Beschwerdeführer - in Anbetracht der Berufungsausführungen im Zusammenhang mit seiner Mutter - die Einhaltung eines Kontrollmeldetermines vergessen könne, nach den Bestimmungen des AlVG stelle dies jedoch keinen triftigen Grund dar, der eine andere Auslegung zuließe als jene der erstinstanzlichen Behörde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 49 AlVG lautet:

"(1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose monatlich mindestens einmal bei dem nach seinem Wohnort zuständigen Arbeitsamt unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann das Arbeitsamt die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Das Arbeitsamt kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft das Landesarbeitsamt. Das Landesarbeitsamt kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.

(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, erhält vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Vermittlungsausschuß des Arbeitsamtes anzuhören."

Der Beschwerdeführer macht als wesentlichen Verfahrensmangel geltend, daß er nie über die Rechtsfolgen der Unterlassung einer Kontrollmeldung belehrt worden sei. Es seien ihm vom zuständigen Sachbearbeiter (der erstinstanzlichen Behörde) lediglich die Papiere ausgefolgt und angemerkt worden, daß der Kontrolltermin mit 18. November 1991 fixiert worden sei. Welche Auswirkungen das Versäumnis einer derartigen Kontrollmeldung nach sich ziehe, sei ihm aber niemals zur Kenntnis gebracht worden.

Weder die erstinstanzliche noch die belangte Behörde hat festgestellt, daß der Beschwerdeführer vor dem 18. November 1991 über die Rechtsfolgen der Unterlassung der für diesen Tag vorgeschriebenen Kontrollmeldung belehrt worden sei. Einer derartigen Feststellung bzw. Auseinandersetzung mit dieser Frage durch die belangte Behörde hätte es aber einerseits schon im Hinblick darauf, daß eine solche Belehrung eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 49 Abs. 2 AlVG darstellt (vgl. Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0295), und zum anderen - trotz des zutreffenden Hinweises der belangten Behörde in der Gegenschrift, daß der Beschwerdeführer die Unterlassung einer Rechtsbelehrung weder in der niederschriftlichen Vernehmung vom 9. Dezember 1991 noch in seiner Berufung ausdrücklich behauptet habe - im Beschwerdefall deshalb bedurft, weil das oben wiedergegebene Vorbringen des rechtsunkundigen Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Vernehmung sowie in der Berufung zu den Gründen, aus denen er angenommen habe, sich nicht mehr melden bzw. die Kontrollmeldung evident halten zu müssen, für die belangte Behörde zumindest den begründeten Verdacht nahelegen mußte, daß dem Beschwerdeführer eine solche Rechtsbelehrung nicht erteilt worden sei. Zu den Darlegungen der belangten Behörde in der Gegenschrift, es sei die erforderliche Rechtsbelehrung ohnedies dadurch erteilt worden, daß dem Beschwerdeführer am 4. November 1991 neben den notwendigen Unterlagen zur Antragsbegründung auch eine "Arbeitsmarktservice-Terminkarte" überreicht worden sei, auf der auf Seite 1 eine genaue Belehrung über die Rechtsfolgen der Nichteinhaltung einer Kontrollmeldung gemäß § 49 Abs. 2 AlVG angeführt sei, ist einerseits zu bemerken, daß ein Nachholen der Begründung in der Gegenschrift die im Verfahren erforderliche Auseinandersetzung nicht zu ersetzen vermag (vgl. dazu unter anderem das schon zitierte Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0295); andererseits vermochte nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, jedenfalls unter der Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer, wie er behauptet, in den vergangenen Jahren Kontrollmeldungen nicht habe erstatten müssen, die bloße Übergabe der (im Akt in Fotokopie erliegenden) Terminkarte, in der auf die ebenfalls wiedergegebene Bestimmung des § 49 Abs. 2 AlVG hingewiesen wird, an den Beschwerdeführer keine ausreichende Rechtsbelehrung im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG darzustellen; es hätte in diesem Fall - der Bestimmung des § 13a AVG entsprechend - einer zusätzlichen mündlichen Belehrung bedurft.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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