VwGH 92/08/0092

VwGH92/08/009221.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des Dr. G in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 22. Februar 1991, Zl. 120.553/1-6b/91, betreffend Versicherungspflicht nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in W), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §7;
B-VG Art140 Abs1;
FSVG §1;
FSVG §2 Abs1 Z1;
FSVG §2;
FSVG §3 Abs1;
FSVG §5;
GSVG 1978 §1;
GSVG 1978 §3 Abs3 Z5;
GSVG 1978 §4 Abs1;
GSVG 1978 §4 Abs3;
VwRallg;
ABGB §7;
B-VG Art140 Abs1;
FSVG §1;
FSVG §2 Abs1 Z1;
FSVG §2;
FSVG §3 Abs1;
FSVG §5;
GSVG 1978 §1;
GSVG 1978 §3 Abs3 Z5;
GSVG 1978 §4 Abs1;
GSVG 1978 §4 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 28. Mai 1990 stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt fest, daß der Beschwerdeführer seit 1. Juli 1986 gemäß § 3 Abs. 3 Z. 5 GSVG der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliege. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer seit 15. Dezember 1980 freiberuflich tätiges Pflichtmitglied der Tierärztekammer für Oberösterreich und daher jedenfalls ab 1. Juli 1986 in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert sei. Die Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich mit Wirkung vom 1. Juli 1986 stelle keinen Ausnahmegrund von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG dar.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, wobei er im wesentlichen vorbrachte, dem von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt herangezogenen § 3 Abs. 3 Z. 5 GSVG sei durch die Bestimmungen des später in Kraft getretenen FSVG derogiert worden. Regelungsgegenstand des FSVG sei die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger und es seien dementsprechend in dieses Gesetz die Mitglieder der Ärztekammern, der Patentanwaltskammern, der Apothekerkammern und der Kammer der Wirtschaftstreuhänder einbezogen. Bei verfassungskonformer Auslegung, die dem Gleichheitsgrundsatz des Art 7 B-VG entspreche, wären daher auch auf die freiberuflich tätigen Pflichtmitglieder der Tierärztekammern die Bestimmungen des FSVG, im besonderen die Bestimmung des § 5 FSVG, anzuwenden. Es sei nicht einzusehen, warum diese Bestimmung zwar Ärzten, nicht aber Tierärzten zugute kommen solle. Diese Unterschiede seien sachlich nicht gerechtfertigt, da die dem Gesetz zugrundeliegenden Wirkungen eine gleiche Behandlung verlangten. Die im bekämpften Bescheid vorgenommene Interpretation werde diesen Grundsätzen nicht gerecht, was für den Beschwerdeführer insoferne von erheblichem Nachteil sei, weil er durch die Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach GSVG einer Beitragspflicht unterliege und ihm auch die Vorteile der maximalen Beitragsbelastung nach den Bestimmungen der Mehrfachversicherung nicht zugute kämen.

Mit Bescheid vom 6. Juli 1990 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich den Einspruch des Beschwerdeführers ab und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Februar 1991 wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen, mit dem Einspruch inhaltsgleichen Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Landeshauptmannes gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Nach der Begründung sei die Pflichtversicherung der freiberuflich tätigen Pflichtmitglieder der Tierärztekammer in der Pensionsversicherung nach wie vor im GSVG geregelt. Das FSVG beziehe sich auf einen anderen Personenkreis und stelle keinesfalls eine "lex specialis" zum GSVG dar. Hinsichtlich des weiteren Berufungsvorbringens, die belangte Behörde habe das Gesetz nicht entsprechend interpretiert, werde dem Beschwerdeführer entgegengehalten, daß die zur Entscheidung über Rechtsmittel zuständigen Verwaltungsbehörden zur Anwendung der geltenden Gesetze, nicht aber zu deren Interpretation berufen seien. Ebensowenig komme der belangten Behörde eine Kompetenz zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der von ihr anzuwendenden Gesetze zu. Zu den Berufungsausführungen, der mehrfachen Beitragszahlung stünden keine adäquaten Gegenleistungen gegenüber, wurde unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bemerkt, daß das österreichische Sozialversicherungssystem von dem Grundgedanken getragen sei, daß die Angehörigen eines Berufsstandes eine Riskengemeinschaft bilden, in der neben dem Versorgungsgedanken auch das Versicherungsprinzip ausgeprägt sei. Übe eine Person eine Erwerbstätigkeit aus, sei sie demnach auch sozialversicherungsrechtlich einer bestimmten Berufsgruppe mit allen daraus entstehenden Rechten und Pflichten zuzuordnen. In diesem Zusammenhang sei der Umstand, daß einzelne Pflichtversicherte ausnahmsweise infolge besonderer Verhältnisse der Pflichtversicherung nicht bedürften, weil sie schon eine anderweitige Altersversorgung hätten, bedeutungslos.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gem. Art. 144 B-VG, der mit Beschluß vom 25. Februar 1992, B 449/91-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Er erachtet sich in seinem Recht auf Feststellung des Vorliegens einer Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 3 Abs. 3 Z. 5 GSVG iVm § 2 Abs. 1 und § 5 FSVG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch - ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 GSVG, BGBl. Nr. 560/1978, regelt dieses Bundesgesetz die Kranken- und die Pensionsversicherung der im Inland in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen, die Pensionsversicherung sonstiger im Inland freiberuflich selbständig Erwerbstätiger sowie die Krankenversicherung der Bezieher einer Pension (Übergangspension) aus der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 5 GSVG, BGBl. Nr. 560/1978, sind in der Pensionsversicherung die freiberuflich tätigen Pflichtmitglieder der Tierärztekammern pflichtversichert.

Gemäß § 4 Abs. 1 und 3 GSVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 112/1986 sind von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung bei Vorliegen näher genannter Voraussetzungen die dort angeführten Personenkreise ausgenommen (zu denen der Beschwerdeführer unbestritten nicht gehört).

Nach der den Geltungsbereich des FSVG betreffenden Bestimmung des § 1 FSVG regelt dieses Bundesgesetz die Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung einiger Gruppen im Inland freiberuflich selbständig Erwerbstätiger nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

Nach § 2 leg. cit. unterliegen die unter Z. 1-6 genannten Personen der Pflichtversicherung u.a. in der Pensionsversicherung. Zu diesen dort aufgezählten Personenkreisen zählt der Beschwerdeführer nicht, strebt aber die analoge Anwendung der Z. 1 leg. cit. auch auf Mitglieder der Tierärztekammern an.

Gemäß § 5 Z. 2 FSVG, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 533/1979, sind von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach § 2 FSVG u.a. Personen, die auf Grund einer Beschäftigung in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft stehen, wenn ihnen aus ihrem Dienstverhältnis die Anwartschaft auf Ruhe - und Versorgungsgenuß zusteht, ausgenommen.

Der Beschwerdeführer vertritt - wie schon im Verwaltungsverfahren - die Auffassung, das FSVG stelle für die gesamte Gruppe von "freiberuflich selbständig Erwerbstätigen" eine "lex specialis" im Verhältnis zu den generellen Regelungen des GSVG dar und gehe auch als "lex posterior" dem GSVG vor, da durch die Spezialbestimmung des FSVG den diesbezüglichen generellen Normen des GSVG derogiert worden sei.

Diese Einwände sind jedoch unzutreffend, da allein aus der Gegenüberstellung der den jeweiligen Geltungsbereich regelnden Bestimmungen des § 1 GSVG und des § 1 FSVG sich zweifelsfrei ergibt, daß sich diese beiden Normenkomplexe auf einen voneinander unterschiedlichen Personenkreis beziehen und einen unterschiedlichen Geltungsbereich haben.

In welchem Verhältnis das GSVG zum FSVG steht, ist zudem ausdrücklich in § 3 FSVG geregelt.

Gemäß § 3 Abs. 1 FSVG sind auf die Kranken- und Pensionsversicherung der nach § 2 FSVG in diesen Versicherungen pflichtversicherten Personen, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die Vorschriften des GSVG anzuwenden. Aus dieser Bestimmung ergibt sich lediglich eine subsidiäre Anwendbarkeit des GSVG INNERHALB des Geltungsbereiches des FSVG, soweit dieses keine Regelung enthält. Für die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, das FSVG stelle für sämtliche freiberuflich selbständig Erwerbstätige - und somit auch für den Beschwerdeführer - eine "lex specialis" im Verhältnis zum GSVG dar, sodaß die Ausnahmebestimmung des § 5 FSVG auch auf den Beschwerdeführer zur Anwendung kommen müsse, läßt sich auch aus dieser Bestimmung nichts entnehmen.

Hinsichtlich der unterschiedlichen Entstehungszeit dieser beiden Bundesgesetze und des vom Beschwerdeführer darauf bezogenen Einwandes, den generellen Normen des GSVG sei für die Gruppe der freiberuflich selbständig Erwerbstätigen als "lex posterior" durch die Spezialbestimmung des FSVG derogiert worden, ist darauf zu verweisen, daß eine "Aufhebung" eines Gesetzes nur ausdrücklich (= formelle Derogation) oder durch die Erlassung einer der früheren Normen inhaltlich widersprechenden Rechtsregel (materielle Derogation) erfolgen kann. Da die für eine Derogation erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere die materiell-rechtliche Kongruenz, in diesem Zusammenhang jedoch nicht vorliegen, erweist sich auch dieser Beschwerdeeinwand als unzutreffend.

Der Beschwerdeführer geht in seinen Beschwerdeausführungen weiters davon aus, daß die in § 2 FSVG enthaltene Aufzählung jener Personen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversichert sind, nicht taxativ, sondern extensiv interpretierbar sei. Die freiberuflich tätigen Pflichtmitglieder der Tierärztekammern seien nur deshalb nicht ausdrücklich in den Katalog des § 2 Abs. 1 FSVG aufgenommen worden, weil sie im Zeitpunkt der Erlassung des FSVG bereits den Schutz einer Altersversorgung im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung genossen hätten. Aus der Regierungsvorlage gehe jedoch eindeutig hervor, daß der Gesetzgeber zu den freiberuflich selbständig Erwerbstätigen auch die Tierärzte gezählt hätte. Diese seien seiner Ansicht nach daher zu Unrecht nicht im § 2 FSVG genannt. Darin liege nun die vom Beschwerdeführer behauptete planwidrige Unvollständigkeit, die im Wege der Analogie zu schließen sei.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die grundsätzliche Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht wiederholt anerkannt. Voraussetzung für die analoge Anwendung verwandter Rechtsvorschriften ist freilich das Bestehen einer echten (d.h. planwidrigen) Rechtslücke; im Zweifel ist eine auftretende Rechtslücke als beabsichtigt anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 1978, Zl. 970/75, VwSlg 9677 A/1978). Wo die gesetzlichen Bestimmungen keine planwidrige Unvollständigkeit erkennen lassen, ist für die Anwendung der Gesetzesanalogie hingegen kein Raum (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. Juni 1985, Zl. 85/09/0006, VwSlg 11787 A/1985, und vom 9. März 1990, Zl. 88/17/0182).

Da das GSVG für die freiberuflich tätigen Pflichtmitglieder der Tierärztekammern die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausdrücklich und eindeutig regelt, vermag der Verwaltungsgerichtshof einem derartigen Versuch einer Lückenfüllung nicht zu folgen, da der Gerichtshof das Vorliegen der vom Beschwerdeführer behaupteten Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechtes nicht zu erkennen vermag.

Ob der Gesetzgeber beim Zusammentreffen zweier oder mehrerer versicherungspflichtiger Beschäftigungen eine Mehrfachversicherung vorsieht - wie hier - oder ob er nach dem Grundsatz der Subsidiarität bei Bestehen einer Pflichtversicherung in einem anderen Versicherungszweig die Ausnahme von der Pflichtversicherung normiert, liegt in seinem Ermessen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 91/08/0174; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Mehrfachversicherung vgl. das Erkenntnis vom 24. März 1992, Zl. 91/08/0155, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Es ist auch nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber dabei an die Verschiedenheit der beruflichen Tätigkeiten anknüpft. Schon die Verschiedenheit der Standsvertretungen der Tierärzte und der Humanärzte widerlegt die Beschwerdebehauptung, diese beiden Berufsgruppen seien - in einem unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes relevanten Sinne - "gleichartig".

Da eine Beschäftigung zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft keinen Ausnahmegrund von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG im Sinne des § 4 GSVG darstellt, führen beide versicherungspflichtige Erwerbstätigkeiten grundsätzlich zur Versicherungspflicht und damit Beitragspflicht im jeweiligen System, wobei es grundsätzlich keinen Unterschied macht, ob diese Tätigkeiten hauptberuflich oder nebenberuflich ausgeübt werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. April 1993, Zl. 91/08/0115).

Da es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen ist, eine Verletzung seiner Rechte durch den angefochtenen Bescheid aufzuzeigen und verfassungsrechtliche Bedenken im Sinne der Beschwerdebehauptungen nicht entstanden sind, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 104/1991.

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