VwGH 92/06/0216

VwGH92/06/021628.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. des JH,

2. der GL, 3. des ML, alle in Z, 4. der MS in S, 5. des JT, die Erst- bis Viertbeschwerdeführer vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. September 1992, Zl. IIb1-L-1956/1-1992, in der Fassung des Bescheides vom 4. September 1992, gleicher Zahl, betreffend Parteistellung in einem Straßenbaubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister)

Normen

AVG §8;
BauRallg;
LStG Tir 1989 §37 Abs2;
LStG Tir 1989 §41;
LStG Tir 1989 §42 Abs2;
LStG Tir 1989 §43;
AVG §8;
BauRallg;
LStG Tir 1989 §37 Abs2;
LStG Tir 1989 §41;
LStG Tir 1989 §42 Abs2;
LStG Tir 1989 §43;

 

Spruch:

I. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde des Fünftbeschwerdeführers wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Erst- bis Viertbeschwerdeführer wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über Ansuchen der mitbeteiligten Marktgemeinde, vertreten durch den Vizebürgermeister, um die Erteilung der Straßenbaubewilligung zur Neuanlegung eines Verbindungsweges "A-Straße-B-Gasse" wurde eine Verhandlung für 10. Februar 1992 anberaumt, zu der auch die nunmehrigen Beschwerdeführer geladen wurden. Während dieser Verhandlung gaben sie im wesentlichen an, die gegenständliche Straße sei nicht notwendig, verkehrsungünstig und widerspreche dem Tiroler Straßengesetz. Auch in der fortgesetzten Verhandlung am 29. April 1992 sprachen sich die Beschwerdeführer gegen das Straßenbauvorhaben aus, da ihr unmittelbar an die geplante Straße anschließendes Grundstück mit dem darauf befindlichen Gebäude entwertet und die Ausfahrt aus ihrer Tiefgarage auf die geplante Straße mangels Einsehbarkeit ein Unfallrisiko darstellen würde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. April 1992 wurde die beantragte Straßenbaubewilligung erteilt. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 6. August 1992 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer seien zwar zur mündlichen Verhandlung geladen worden, ihre Ladung sei aber verfahrensrechtlich nicht notwendig gewesen, da sie vom Straßenbauvorhaben nicht betroffen seien (§ 37 Abs. 1 lit. c und § 37 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes) und ihnen keine Parteistellung zukomme. Die Beschwerdeführer seien weder Eigentümer der vom Bauvorhaben betroffenen Grundstücke, noch käme ihnen an einem derartigen Grundstück ein im Privatrecht begründetes dingliches Recht zu. Die Beschwerdeführer hätten zwar vorgebracht, daß sie durch die projektierte Straße beeinträchtigt würden, doch würden in § 37 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes durch derartige allfällige Beeinträchtigungen keine subjektiven Rechte begründet.

Gegen diesen Bescheid erhoben alle fünf Beschwerdeführer Vorstellung. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. September 1992 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 4. September 1992 wurde die Vorstellung der Erst- bis Viertbeschwerdeführer als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rechtsauffassung der Beschwerdeführer, aus § 42 (offenbar des Tiroler Straßengesetzes) ergebe sich eindeutig, daß Anrainer eines Straßenbauvorhabens ebenfalls Parteistellung genießen, widerspreche der bisherigen Praxis und der Rechtsprechung. Es habe daher auch die Vorstellung als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

ad I.:

Über die Vorstellung des Fünftbeschwerdeführers wurde mit

dem in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht entschieden. Seine

Beschwerde war daher zurückzuweisen.

ad II.:

Gemäß § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, soweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren die Rechtsstellung einer Partei besitzt, anhand des AVG allein nicht gelöst werden. Die Parteistellung muß vielmehr aus den jeweils zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften abgeleitet werden (vgl. Slg. N.F. Nr. 5.258/A u.a.).

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, lauten:

"§ 37

Allgemeine Erfordernisse

(1) Straßen müssen nach den Erfahrungen der Praxis und den Erkenntnissen der Wissenschaft so geplant und gebaut werden, daß

a) sie für den Verkehr, dem sie gewidmet sind, bei Beachtung der straßenpolizeilichen und der kraftfahrrechtlichen Vorschriften sowie bei Bedachtnahme auf die durch die Witterung oder durch Elementarereignisse hervorgerufenen Verhältnisse ohne besondere Gefahr benützt werden können,

b) sie im Hinblick auf die bestehenden und die abschätzbaren künftigen Verkehrsbedürfnisse den Erfordernissen der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entsprechen,

c) Beeinträchtigungen der angrenzenden Grundstücke durch den Bestand der Straße sowie Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den Verkehr auf der Straße oder durch Erhaltungsarbeiten an der Straße, soweit solche Beeinträchtigungen nicht nach den örtlichen Verhältnissen und der Widmung des betreffenden Grundstückes zumutbar sind, so weit herabgesetzt werden, wie dies mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand möglich ist,

d) Beeinträchtigungen des Orts- und des Landschaftsbildes sowie Verunreinigungen der Gewässer soweit wie möglich vermieden werden und

e) sie mit den Zielen der überörtlichen und der örtlichen Raumordnung im Einklang stehen.

2) Durch Abs. 1 lit. c werden subjektive Rechte der Nachbarn nicht begründet.

3) Für die Planung, den Bau und die Erhaltung der Bestandteile der Straße im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. d gilt die Tiroler Bauordnung. Die Errichtung solcher Anlagen im Freiland ist zulässig.

§ 41

Ansuchen

(1) Um die Erteilung einer Straßenbaubewilligung hat der Straßenverwalter bei der Behörde schriftlich anzusuchen.

(2) Dem Ansuchen sind die zur Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens nach diesem Gesetz erforderlichen Unterlagen in dreifacher Ausfertigung anzuschließen. Jedenfalls anzuschließen sind:

a) ein Lageplan, aus dem die vom Bauvorhaben betroffenen sowie die an die geplante Straße bzw. an den vom Bauvorhaben betroffenen Teil der Straße angrenzenden Grundstücke hervorgehen,

  1. b) eine technische Beschreibung des Bauvorhabens,
  2. c) ein Verzeichnis der Eigentümer der vom Bauvorhaben betroffenen Grundstücke sowie jener Personen, denen an einem solchen Grundstück ein im Privatrecht begründetes dingliches Recht zusteht, das zum Gebrauch oder zur Nutzung des Grundstückes berechtigt,

    d) Grundbuchauszüge über die vom Bauvorhaben betroffenen Grundstücke.

    Die Behörde kann die Vorlage weiterer Ausfertigungen der Planunterlagen verlangen, soweit dies für die Zwecke des Verfahrens erforderlich ist.

    3) Bei einem Ansuchen um die Erteilung der Straßenbaubewilligung für eine bauliche Änderung einer Straße können sich die im Abs. 2 genannten Unterlagen auf die von der Änderung betroffenen Teile der Straße beschränken. Soll zugleich mit dem Neubau einer Landesstraße eine Begleitstraße oder ein Sammelanschluß (§ 11) gebaut oder im Zuge eines Bauvorhabens eine Ersatzverbindung (§ 38) geschaffen werden, so sind die im Abs. 2 genannten Unterlagen auch für die Begleitstraße, den Sammelanschluß bzw. die Ersatzverbindung beizubringen.

§ 42

Mündliche Verhandlung

(1) Die Behörde hat über jedes Ansuchen nach § 41, sofern es nicht zurückgewiesen ist, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Sie ist mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbinden.

(2) Zur Verhandlung sind der Straßenverwalter, die Eigentümer der vom Bauvorhaben betroffenen Grundstücke sowie jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein im Privatrecht begründetes dingliches Recht, das zum Gebrauch oder zur Nutzung des Grundstückes berechtigt, oder als Teilwaldberechtigten ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht zusteht, die Gemeinde, durch deren Gebiet oder zu deren Gebiet die Straße führt, und sonstige als Parteien in Betracht kommende Personen zu laden. Die Anberaumung der mündlichen Verhandlung ist überdies durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde während zweier Wochen bekanntzumachen. Die dem Ansuchen nach § 41 Abs. 2 lit. a bis c anzuschließenden Unterlagen sind während der Dauer des Anschlages im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Auf die Auflegung dieser Unterlagen ist in der Ladung und im Anschlag ausdrücklich hinzuweisen.

(3) Der mündlichen Verhandlung sind die für die Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens nach diesm Gesetz erforderlichen Sachverständigen, jedenfalls ein straßenbautechnischer Sachverständiger, beizuziehen.

(4) Werden bei der mündlichen Verhandlung privatrechtliche Einwendungen gegen das Bauvorhaben vorgebracht, so hat der Verhandlungsleiter zunächst eine Einigung zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie in der Verhandlungschrift zu beurkunden. Kommt keine Einigung zustande, so ist der Beteiligte mit seinen privatrechtlichen Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen.

(5) Betrifft ein Bauvorhaben Wald- oder Weidegrundstücke im Eigentum einer Gemeinde oder einer Agrargemeinschaft, so ist vor der Anberaumung der mündlichen Verhandlung die Agrarbehörde zur Frage zu hören, ob an diesen Grundstücken Holzbezugs- oder Weiderechte bestehen."

Weder aus § 37, insbesondere aus dessen Abs. 2, noch aus § 42 Abs. 2 leg. cit noch aus sonstigen Regelungen dieses Gesetzes ergibt sich, daß eine Parteistellung von Anrainern, an deren Grundstücke die geplante Straße lediglich vorbeiführt, besteht. Insbesondere ergibt sich aus § 42 Abs. 2 leg. cit. entgegen der Annahme der Beschwerdeführer nicht, daß aufgrund der Formulierung "und sonstige als Parteien in Betracht kommende Personen" die Parteistellung von Anrainern begründet werde. Hätte der Tiroler Landesgesetzgeber die Parteistellung dieses Personenkreises im Straßenbaubewilligungsverfahren begründen wollen, so wäre es ihm leicht möglich gewesen, dies durch ausdrückliche Anordnung (vgl. etwa das Niederösterreichische Landesstraßengesetz, LGBl. 8500-0, in der Fassung 8500-1, § 6 Abs. 1 und 3) zu tun. Aus der gewählten allgemeinen Formulierung "und sonstige als Parteien in Betracht kommende Personen" im § 42 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes läßt sich keine Parteistellung der Anrainer ableiten, vielmehr dient diese Bestimmung dazu, Umstände zu erheben, wonach Personen gemäß § 43 des Tiroler Straßengesetzes die Parteistellung zukommt. Daß der Tiroler Landesgesetzgeber die Parteistellung von Anrainern nicht beabsichtigt hat, geht auch klar aus den erläuternden Bemerkungen zu § 41 des Tiroler Straßengesetzes 1989 hervor (vgl. Seite 49 der erläuternden Bemerkungen).

Die Beschwerdeführer sind weder Liegenschaftseigentümer, noch dinglich Berechtigte an Grundflächen, die im Beschwerdefall durch den Straßenbau in Anspruch genommen werden. Zutreffend ist daher schon der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde davon ausgegangen, daß ihnen nach der Lage des Falles im straßenrechtlichen Bewilligungsverfahren keine Parteistellung zukam. Zu Recht hat er daher ihre Berufung gegen die Erteilung der Straßenbaubewilligung mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage hätte allerdings die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer abzuweisen gehabt. Da die belangte Behörde jedoch der Begründung ihres Bescheides zufolge zutreffend davon ausgegangen ist, daß den Beschwerdeführern im Straßenbaubewilligungsverfahren keine Parteistellung zukam, und daher über die Vorstellung inhaltlich entschieden hat, hat sie sich lediglich im Ausdruck vergriffen, wenn man auch erwarten dürfte, daß die Landesregierung zwischen "Zurückweisung als unzulässig" und inhaltlicher Abweisung deutlich unterscheidet. Dadurch, daß sie die Vorstellung zurückgewiesen hat, sind aber die Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt.

Da sich die Beschwerde der Erst- bis Viertbeschwerdeführer somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte