VwGH 92/01/0815

VwGH92/01/081518.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des N in I, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juli 1992, Zl. 4.319.434/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
FlKonv;
AsylG 1991 §1;
FlKonv;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juli 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem türkischen Staatsangehörigen, der am 16. Juli 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der (schon damals anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer hat seinen schriftlichen Asylantrag vom 30. Juli 1991 damit begründet, daß er sich in der Türkei für die "DEV SOL", eine "türkische Linkspartei", welche regierungsfeindliche Inhalte vertrete und vor allem auf sozialistischem Gedankengut aufbaue, eingesetzt habe. Seine politische Betätigung für diese Partei habe in erster Linie darin bestanden, Zeitschriften mit regierungskritischen und -feindlichen Inhalten zu verteilen. Er sei wegen seiner politischen Aktivitäten mehrmals verhört worden, und man habe dabei auch "mit brachialen Mitteln" versucht, ihm "Hintergrundinformationen herauszulocken". Viele seiner Gesinnungsgenossen seien inhaftiert und ohne Gerichtsurteil lange Zeit angehalten worden, sowie manche von ihnen "einfach nach ihrer Verhaftung verschwunden". Aufgrund seiner politischen Tätigkeit sei er vom Polizeiapparat auch ständig bespitzelt und beobachtet worden. Er habe nun Informationen erhalten, daß auch er verhaftet werden solle, weshalb er sich über einen Mittelsmann ein Visum habe besorgen lassen und in weiterer Folge nach Österreich eingereist sei. Durch nachträgliche Informationen aus der Türkei habe er erfahren, daß gegen ihn "ganz konkrete Verfolgungshandlungen" wegen seiner politischen Betätigung "weiterhin im Gange" seien. Danach ermittelten die Polizeibehörden gegen ihn, und er hätte bei seiner Rückkehr in die Türkei mit seiner sofortigen Verhaftung und weiteren massiven Repressalien zu rechnen.

Bei seiner niederschriftlichen Befragung am 11. September 1991 wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen dieses Vorbringen und führte dazu näher aus, daß er seit zwei Jahren Mitglied der "DEV SOL" sei und wegen seiner geschilderten politischen Betätigung "seit dem Vorjahr" regelmäßig "hinsichtlich ev. weiterer Angehöriger und auch wegen etwaiger politischer Vorhaben" verhört, brutal geschlagen und ständig mißhandelt worden sei. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. September 1991 hielt der Beschwerdeführer sein gesamtes bisheriges Vorbringen aufrecht.

Die belangte Behörde vertrat in der Begründung des angefochtenen Bescheides primär die Ansicht, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nach § 3 Asylgesetz 1991 (welches sie bei Erlassung ihres Bescheides bereits anzuwenden hatte) beim Beschwerdeführer mangels Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 leg. cit. nicht gegeben seien. Sie begründete dies zunächst damit, daß sich allein schon das vom Beschwerdeführer behauptete Engagement für die "DEV SOL" - die nach ihren Erkenntnissen neben der PKK die von den Behörden intensivst bekämpfte Untergrundorganisation der Türkei darstelle, "welche Bekämpfung" auch sachlich begründet sei, handle es sich doch dabei um eine höchst gefährliche terroristische Vereinigung, in vielem der bundesdeutschen RAF vergleichbar - als unglaubwürdig erweise, weil dann, wenn der Beschwerdeführer wirklich den türkischen Sicherheitskräften "als Unterstützer derselben" bekannt gewesen wäre, eine weit größere und vor allem nachhaltigere Verfolgungsintensität als die von ihm behauptete und geschilderte die Folge gewesen wäre. Weiters wolle der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1990 wegen seiner Tätigkeit für die genannte Gruppierung ständig durch die Polizei "malträtiert" worden sein, was voraussetze, daß, seinen eigenen Angaben zufolge, die türkische Polizei seit dieser Zeit habe Kenntnis davon haben müssen, daß er für die "DEV SOL" aktiv sei. Nun sei es jedoch eine notorische Tatsache, daß in der Türkei Personen, die im Verdacht stünden, "politische Straftaten" begangen zu haben, kein Reisepaß ausgestellt werde; dem Beschwerdeführer sei aber ein solcher am 22. Februar 1991 ausgefolgt worden, wobei auch seine Behauptung, knapp einer drohenden Verhaftung entronnen zu sein, "der Glaubwürdigkeit enträt".

Der Beschwerdeführer tritt dieser Beweiswürdigung der belangten Behörde überhaupt nicht entgegen. Es sind zwar (vom Verwaltungsgerichtshof auch aus eigenem aufzugreifende) Verfahrensmängel darin zu erblicken, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides jeden näheren Hinweis darüber vermissen läßt, worauf die Feststellung der belangten Behörde beruht, daß es sich bei der "DEV SOL" "um eine höchst gefährliche terroristische Vereinigung, in vielem der bundesdeutschen RAF vergleichbar", handle, und daß überdies dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage im Verwaltungsverfahren auch nicht Gelegenheit gegeben wurde, dazu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat aber die Wesentlichkeit dieser Verfahrensmängel in der Beschwerde nicht dargetan. Legt man demnach diese (zuletzt genannte) Feststellung der belangten Behörde der Beurteilung zugrunde, so vermag der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu erkennen, daß die daraus abgeleitete Schlußfolgerung, der Beschwerdeführer wäre bei Zutreffen seiner Behauptungen - auch wenn er die "DEV SOL" bloß unterstützt hätte - bereits vor seiner Ausreise durch die staatlichen Behörden seines Heimatlandes, denen seine politischen Aktivitäten bekannt gewesen wären, einer weit größeren Verfolgungsintensität, als von ihm geschildert, ausgesetzt gewesen, als unschlüssig anzusehen wäre. Gerade der von der belangten Behörde ins Treffen geführte weitere Umstand, daß der Beschwerdeführer noch am 22. Februar 1991 einen Reisepaß ausgestellt erhalten habe, spricht zusätzlich gegen die Darstellung des Beschwerdeführers. Es liegen zwar auch diesbezüglich die schon erwähnten Verfahrensmängel vor, deren Wesentlichkeit aber der Beschwerdeführer gleichfalls nicht aufgezeigt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0410, mit weiteren Judikaturhinweisen) stellt wohl der Umstand, daß ein Asylwerber einen gültigen Reisepaß seines Heimatlandes besitzt, für sich allein kein Hindernis für das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft dar. Der Beschwerdeführer hat jedoch keine Umstände (auch nicht in der Beschwerde) ins Treffen geführt, die die Beweiswürdigung der belangten Behörde in diesem Punkt unschlüssig erscheinen ließen, zumal der Reisepaß (anders als in dem dem Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0410, zugrundeliegenden Beschwerdefall) nicht bereits vor den als Fluchtgrund behaupteten Vorgängen ausgestellt wurde und der Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht hat, den Reisepaß durch Bestechung (wie dies beispielsweise im Erkenntnis vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0453, der Fall war) oder aus einem anderen, mit den betreffenden Vorgängen zu vereinbarenden Grund erhalten zu haben.

Daraus ergibt sich aber, daß der Beschwerde jedenfalls ein Erfolg versagt bleiben muß, weshalb der dem angefochtenen Bescheid beigegebenen zusätzlichen Begründung der belangten Behörde keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommt. Ein Eingehen auf die von ihr (für den Fall, daß man dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgen wollte) angestellten Erwägungen hinsichtlich der Qualifizierung der Unterstützung des Beschwerdeführers für die "DEV SOL" - denen der Verwaltungsgerichtshof im übrigen mit Rücksicht auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. die Erkenntnisse vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264, und vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703, bei denen es sich jeweils um die Unterstützung für die PKK handelte und deren Ausführungen im vorliegenden Beschwerdefall insoweit sinngemäß heranzuziehen sind) nicht zu folgen vermag - und das sich darauf beziehende Beschwerdevorbringen, auf dem der Schwerpunkt der Beschwerde liegt, ist daher entbehrlich. Das gleiche gilt hinsichtlich der (für den Fall der Bejahung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers) von der belangten Behörde verwendeten Argumentation, daß eine Asylgewährung auch deshalb nicht in Betracht komme, weil der Beschwerdeführer aufgrund der von ihm behaupteten Unterstützung für die "DEV SOL" unter Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention falle und demnach bei ihm ein Ausschließungsgrund nach § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 gegeben sei.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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