VwGH 91/15/0053

VwGH91/15/005329.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des Dr. F und R, Tierärztliche Ordinationsgemeinschaft in X, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 12. März 1991, Zl B 219/3-3/90, betreffend Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 1988 gemäß § 299 Abs 1 lit c BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
BAO §119;
BAO §161;
BAO §167 Abs2;
BAO §168;
BAO §299 Abs1;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 lita;
BAO §115 Abs1;
BAO §119;
BAO §161;
BAO §167 Abs2;
BAO §168;
BAO §299 Abs1;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu gleichen Teilen zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer betreiben in X eine tierärztliche Ordinationsgemeinschaft. Zu den im Rahmen derselben erbrachten Leistungen gehörten nach dem Beschwerdevorbringen auch die im Zusammenhang mit der tierärztlichen Betreuung erfolgende Abgabe von Arzneifuttermittelvormischungen an Landwirte, nicht aber der Verkauf von Arzneifuttermitteln. Unter Arzneifuttermittelvormischungen verstehen die Beschwerdeführer Medikamentenkonzentrate, die nach der vom Tierarzt durchgeführten Anamnese, Diagnose und Prognose den Landwirten zur Beimischung zum Futter übergeben werden. Anders als bei einer Spritze oder Infusion können diese Medikamente den einzelnen Tieren bzw. Tiergruppen grundsätzlich nicht durch den Tierarzt selbst verabreicht werden, weil diese Medikamente ausschließlich als Beisatz zum Futter eingesetzt werden; dagegen verstehen die Beschwerdeführer unter Arzneifuttermitteln Futtermittel, die bereits mit Arzneimitteln angereichert sind.

In der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1988 haben die Beschwerdeführer Umsätze ihrer tierärztlichen Ordination in Höhe von S 3,905.126,18 erklärt und davon für S 3,867.872,77 den (gemäß § 10 Abs 2 Z 7 lit a UStG 1972) ermäßigten Steuersatz beansprucht. In der dieser Abgabenerklärung beiliegenden Betriebsrechnung für das Jahr 1988 wurden ua Zahlungen für Medikamente und Hilfsmaterial in Höhe von S 1,212.974,06 und für Arzneifuttermittel in Höhe von S 891.969,28 ausgewiesen.

Anläßlich einer die Umsatzsteuer für die Jahre 1985 und 1986 umfassenden Betriebsprüfung, in deren Rahmen nach den Beschwerdeausführungen auch eine die Voranmeldungszeiträume für Jänner bis April 1988 betreffende Umsatzsteuernachschau stattfand, wurde festgestellt, daß in den in den Jahren 1985 und 1986 ausgestellten Rechnungen über die Verabreichung von Arzneifuttermitteln die Umsatzsteuer jeweils mit dem Normalsteuersatz ausgewiesen worden war, in den Umsatzsteuererklärungen dieser Jahre die betreffenden Umsätze dagegen mit dem ermäßigten Steuersatz erklärt worden sind. Im Hinblick auf die Darstellung in den Rechnungen bestehe die Umsatzsteuerschuld in Höhe des offenen Steuerausweises. Ergänzend wurde vom Prüfer festgehalten, daß seine Feststellung anerkannt werde und die entsprechenden Rechnungen umgehend (offenbar auf den Ausweis des ermäßigten Steuersatzes) berichtigt würden.

Das Finanzamt erließ sodann den Feststellungen des Prüfers und der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1988 folgende Bescheide.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1988 gemäß § 299 Abs 1 lit c BAO wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß nach § 10 Abs 2 Z 7 lit a UStG in der für das Jahr 1988 noch maßgebenden Fassung nur die SONSTIGEN LEISTUNGEN als Tierarzt und die mit diesen Leistungen üblicherweise verbundenen Nebenleistungen begünstigt seien, nicht aber Lieferungen von Medikamenten, die nicht unmittelbar im Zuge der tierärztlichen Behandlungsleistung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt vom jeweiligen Tierhalter verabreicht würden. Die belangte Behörde wies auf die schon erwähnten Zahlungen für den Einkauf von Arzneifuttermitteln hin und erblickte darin, daß das Finanzamt "bezüglich des Arzneifuttermitteleinsatzes" keine näheren Ermittlungen angestellt habe, eine Verletzung von Verfahrensvorschriften (nämlich des § 161 Abs 1 BAO), bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, daß der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1988 nicht aufgehoben werde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf die von den Beschwerdeführern erstattete Replik erwogen:

Gemäß § 299 Abs 1 lit c BAO kann ein Bescheid in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der Oberbehörde aufgehoben werden, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anderslautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Gemäß Abs 2 dieser Gesetzesstelle kann ein Bescheid ferner von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Den Tatbestand des § 299 Abs 1 lit c BAO hält die belangte Behörde deswegen für gegeben, weil das Finanzamt keine näheren Ermittlungen bezüglich des Arzneifuttermitteleinsatzes angestellt habe.

Wie die Beschwerdeführer mit Recht dagegen vorbringen,

KÖNNTE DEM FINANZAMT EINE VERLETZUNG DER AMTLICHEN

ERMITTLUNGSPFLICHT NUR DANN ANGELASTET WERDEN, WENN IHM DIE

NACH SEINER RECHTSANSICHT BEDEUTSAMEN TATSACHENGRUNDLAGEN IM

ZEITPUNKT DER ERLASSUNG DES UMSATZSTEUERBESCHEIDES FÜR DAS JAHR

1988 NICHT BEKANNT GEWESEN WÄREN (vergleiche das hg Erkenntnis vom 3. März 1992, Zl 88/14/0224, und die dort bezogene Lehrmeinung von Stoll, Aufsichtsbehördliche Bescheidbehebung im Abgabenverfahren, JBl 1/2/1985, S 1). Davon kann jedoch mangels irgendwelcher Anhaltspunkte dafür, daß die Verhältnisse im gesamten Jahr 1988 "bezüglich des Arzneifuttermitteleinsatzes" andere gewesen wären als in den Jahren 1985 und 1986 und in den ersten vier Monaten des Jahres 1988, nicht die Rede sein. Da auch die belangte Behörde solche Änderungen des dem Finanzamt aus früheren Jahren bekannten Sachverhaltes nicht festgestellt hat, läßt der angefochtene Bescheid zudem auch nicht erkennen, inwiefern das Finanzamt auf Grund ergänzender Erhebungen zu einem anders lautenden Bescheid hätte gelangen können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich eine Bescheidbehebung gemäß § 299 BAO aber auch dann als gerechtfertigt, wenn ein anderer als der von der Oberbehörde ins Treffen geführte Behebungstatbestand erfüllt ist (vgl. hiezu beispielsweise das hg Erkenntnis vom 29. November 1988, Zl 87/14/0198, und die dort zitierten Vorentscheidungen). Der angefochtene Bescheid wäre somit im Ergebnis dann nicht rechtswidrig, wenn der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1988 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet wäre; dies wäre auch anzunehmen, wenn das Finanzamt bei Erlassung seines Bescheides von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen und deswegen die vollständige Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes unterblieben wäre (vgl. hiezu beispielsweise das hg Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl 88/14/0012).

Eben dies trifft aber auf den Beschwerdefall aus folgenden Gründen zu:

Gemäß § 10 Abs 2 Z 7 lit a UStG 1972 in der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung gebührt ua für die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Tierarzt der ermäßigte Steuersatz. Nach der Lehre (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zum UStG, Tz 109 zu § 10) sind zwar auch die mit den sonstigen Leistungen als Tierarzt üblicherweise verbundenen Nebenleistungen begünstigt, nicht aber gilt dies in Fällen von Medikamentenabgaben, wenn die Medikamente nicht unmittelbar im Zuge der tierärztlichen Behandlungsleistung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt - vom Tierhalter - verabreicht werden. Auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann bei Medikamentenabgaben der zuletzt erwähnten Art jedenfalls dann, wenn sie die im Beschwerdefall gegebene Größenordnung erreichen, nicht von unselbständigen, das rechtliche Schicksal der tierärztlichen Hauptleistungen teilenden Nebenleistungen die Rede sein; dazu wäre nämlich unter anderem erforderlich, daß die Nebenleistungen im Vergleich zu den Hauptleistungen NEBENSÄCHLICH sind, was sich aber schon rein wertmäßig unter den Umständen des Beschwerdefalles nicht sagen läßt.

Selbst wenn man nämlich der Darstellung der Beschwerdeführer in der Beschwerde folgte, daß sie lediglich Arzneifuttermittelvormischungen entgeltlich an Tierhalter abgegeben haben, wäre für ihren Standpunkt nichts gewonnen, weil angesichts der in ihrer Betriebsrechnung für das Jahr 1988 ausgewiesenen Höhe ihrer eigenen Zahlungen für ua "Arzneifuttermittel" von rund 0,9 Mio Schilling nicht zweifelhaft sein kann, daß diese Lieferungen im Vergleich zu den tierärztlichen Hauptleistungen nicht bloß nebensächlich waren. Für andere als unselbständige Nebenleistungen der tierärztlichen sonstigen Leistungen stand aber den Beschwerdeführern der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht zu. Dadurch, daß das Finanzamt den Beschwerdeführern aber auch insoweit den ermäßigten Steuersatz zugebilligt hat, belastete es seinen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1988 mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Aufhebung dieses Bescheides im Aufsichtsweg war daher im Ergebnis nicht rechtswidrig, zumal auch die Ermessensübung der belangten Behörde, den fehlerhaften Bescheid des Finanzamtes "aus Zweckmäßigkeitsgründen vor allem im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, aufzuheben", keine Rechtswidrigkeit erkennen läßt (vgl. hiezu beispielsweise das hg Erkenntnis vom 19. Februar 1986, Zl 84/13/0024). Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr.104/1991.

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