VwGH 90/07/0091

VwGH90/07/009114.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden enatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen das Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 26. März 1990, Zl. Agrar 11-507/3/90, betreffend Ablösung einer Wegedienstbarkeit (mitbeteiligte Partei: V in O), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §472;
GSGG;
ÜG 1920 §3 idF 1974/444;
WWSGG §1 Abs2;
WWSGG §13;
WWSGG;
WWSLG Krnt 1920 §2;
WWSLG Krnt 1920 §33;
WWSLG Krnt 1920;
ABGB §472;
GSGG;
ÜG 1920 §3 idF 1974/444;
WWSGG §1 Abs2;
WWSGG §13;
WWSGG;
WWSLG Krnt 1920 §2;
WWSLG Krnt 1920 §33;
WWSLG Krnt 1920;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 21. Mai 1949 räumte St. M. als Eigentümer des neugebildeten Grundstückes Nr. 456/2 Acker KG O seinem Bruder J. M. und dessen Rechtsnachfolgern als Eigentümer des Grundstückes Nr. 456/1 KG O, inneliegend der Liegenschaft EZ 23 KG O, das Geh- und Fahrrecht sowie das Recht des Viehtriebes über Grundstück Nr. 456/2 ein und bewilligte, "daß bei der für dieses Grundstück neu zu eröffnenden Einlagezahl der KG. O die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges sowie Viehtriebes über die Parzelle Nr. 456/2 Acker zugunsten der Liegenschaft EZ. 23 KG. O einverleibt werden kann".

Mit ihrer Eingabe vom 22. August 1988 beantragte die mitbeteiligte Partei als nunmehriger Eigentümer des Grundstückes Nr. 456/2 Acker die Aberkennung der zugunsten des Grundstückes Nr. 456/1, nunmehr im Eigentum der Beschwerdeführerin, einverleibten Dienstbarkeit nach den Bestimmungen des Kärntner Landesgesetzes vom 10. März 1920 betreffend die Ablösung, Regelung und Neuregelung der Wald-, Weide- und Felddienstbarkeiten, LGBl. Nr. 41, (ARLG). Das Dienstbarkeitsrecht werde von der Beschwerdeführerin nicht ausgeübt, eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Aufrechterhaltung dieser Wegedienstbarkeit bestehe daher nicht. Weder sie selbst noch die Pächter hätten das Zufahrtsrecht zu dem südlich von seinem belasteten Grundstück liegenden berechtigten Grundstück genützt. Die Zufahrt zum berechtigten Grundstück sei durch (andere) Dienstbarkeitsrechte für die Beschwerdeführerin abgesichert. Das bestehende Dienstbarkeitsrecht der Beschwerdeführerin erstrecke sich lediglich auf das Grundstück Nr. 456/2 KG O; um aber über das belastete Grundstück zum Grundstück Nr. 456/1 zu gelangen, müßte die Beschwerdeführerin auch weitere, im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehende Grundflächen, insbesonders Grundstück Nr. 452/3 benützen; dazu habe jedoch die Beschwerdeführerin keine Berechtigung; eine Benützung dieses Gründstückes sei weder durch sie noch ihre Rechtsvorgänger erfolgt.

In der Verhandlung vom 24. August 1988 stellte die mitbeteiligte Partei eventualiter den Antrag auf Aberkennung der Dienstbarkeit unter Auferlegung einer Entschädigungszahlung. Mit Bescheid vom 20. Februar 1989 hat die Agrarbezirksbehörde Klagenfurt (AB) u.a. unter Punkt 2. (Punkt 1. dieses Bescheides ist nicht Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) aufgrund der Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Gesetzes vom 10. März 1920, betreffend die Ablösung, Regelung und Neuregelung der Wald-, Weide- und Felddienstbarkeiten, LGBl. Nr. 41/1920, (ARLG), dem Antrag der mitbeteiligten Partei vom 24. August 1988 stattgegeben und die über das Grundstück Nr. 456/2 KG O führende Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes sowie des Viehtriebsrechtes in Geld abgelöst und dem Antragsteller gemäß § 37 leg. cit. als Eigentümer des dienenden Gutes aufgetragen, an die servitutsberechtigte Beschwerdeführerin einen Ablösungsbetrag in der Höhe von S 14.000,-- binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Begründend führte die AB hiezu entscheidungswesentlich aus, daß für den Fall einer Ausübung der gegenständlichen Wegedienstbarkeit durch die Beschwerdeführerin eine geringfügige Arbeitserleichterung erzielbar sei, aufgrund deren der Berechtigten deswegen das Bestehen eines gewissen schützenswerten Interesses nicht abzusprechen sei. Das berechtigte Grundstück Nr. 456/1 KG O sei im südlichen Bereich sowohl von Osten als auch von Westen her an je einen tadellos befahrbaren Weg ausreichend angeschlossen. Für die Aufrechterhaltung des Wirtschaftsbetriebes des berechtigten Gutes sei daher die Dienstbarkeit nicht notwendig. Es seien sohin die Voraussetzungen für eine Ablösung derselben in Geld gemäß § 37 ARLG gegeben. Der Mehraufwand an Handarbeit durch die Unmöglichkeit der Zufahrt von Norden zum Grundstück Nr. 456/1 werde bei mittlerer Bewirtschaftungsintensität mit rund 8 Handarbeitsstunden jährlich eingeschätzt, woraus sich eine Abgeltung für Arbeitserschwernis pro Jahr in der Höhe von S 560,-- (8 x S 70,--) errechne. Dieser Jahresbetrag sei mit dem für Ablösungszwecke üblichen Faktor 25 zu mulitiplizieren, sodaß sich ein angemessener Ablösungsbetrag in der Höhe von S 14.000,-- ergebe.

Mit Erkenntnis vom 26. März 1990 hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der AB gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 AgrVG 1950 als unbegründet abgewiesen. Sowohl im Verfahren vor der Behörde erster Instanz als auch im Verfahren vor der belangten Behörde sei unbestritten geblieben, daß das Grundstück Nr. 456/1, zu dessen Gunsten die verfahrensgegenständliche Dienstbarkeit bestehe, durch drei Zufahrtsmöglichkeiten erschlossen sei. So bestehe die Zufahrt von Süden abzweigend von der K-Landesstraße über den öffentlichen Weg Nr. 578, der auf einer Länge von rund 60 lfm benutzt werden müsse, direkt zum Grundstück Nr. 456/1 (berechtigtes Grundstück). Dieser Weg weise im unteren Teil ab der Abzweigung von der Landesstraße auf einer Länge von rund 50 lfm eine Breite von ca. 3 m auf und verenge sich in der Folge auf ca. 1,90 m. Die Weglänge von der Landesstraße bis zur Parzelle Nr. 456/1 betrage rund 60 lfm. Als Zufahrt zum südwestlichen Teil des berechtigten Grundstückes führe die Trasse, abzweigend von der Gemeindestraße, dem sogenannten R-Weg, in Richtung Südosten auf einem Privatweg, der beim Wohnhaus O Nr. 30 ende. Auf dieser Trasse gelange man in den unteren Teil des Grundstückes Nr. 456/1, ca. 30 m oberhalb der südlichen Parzellengrenze. Als Zufahrt von Nordwesten biete sich eine Trasse an, welche abzweigend vom sogenannten R-Weg zunächst auf dem asphaltierten ca. 2,70 m breiten öffentlichen Weg Nr. 542/2 bergwärts bis zu Parzelle Nr. 452/4 bzw. bis zu dem dort errichteten Wohnhaus der mitbeteiligten Partei führe; in der Folge gelange man auf dem vom öffentlichen Weg abzweigenden, Richtung Südosten talwärts über das Grundstück Nr. 452/1 führenden, von der mitbeteiligten Partei errichteten ca. 2,70 m breiten Hofaufschließungsweg und in der Folge auf dem über die Wiesenparzelle Nr. 456/2 zwischen dem Nebengebäude auf der Parzelle Nr. 54 und dem südlich davon stehenden Telefonmasten hindurchführenden Servitutsweg mit einer Länge zwischen 3 und 4 Meter bis zu Parzelle Nr. 456/1. Eine objektive Wertung dieser Gegebenheiten führe zu dem Ergebnis, daß das Grundstück Nr. 456/1 KG O als ausreichend erschlossen anzusehen sei. Von untergeordneter Bedeutung erweise sich hiebei die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführerin auf der der Dienstbarkeitstrasse vorgelagerten Wegtrasse ein Wegerecht zustehe oder nicht, sei doch bei der Beurteilung des vorliegenden Falles davon auszugehen, daß eine Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der verfahrensgegenständlichen Dienstbarkeit nicht erblickt werden könne. Das agrartechnische Mitglied der belangten Behörde habe schlüssig dargelegt, daß die Berechnung des Ablösungsbetrages durch die Behörde erster Instanz durchaus nachvollziehbar und widerspruchsfrei erfolgt sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welchem die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses aus dem Grunde einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt; die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht "infolge unrechtmäßiger Ablösung einer Felddienstbarkeit in Geld gemäß § 37" ARLG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 des ARLG für Kärnten, welches gemäß § 3 des Übergangsgesetzes 1920 in der Fassung des Art. X der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 444, mangels eines Ausführungsgesetzes zum Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, Anlage 3 zur Kundmachung BGBl. Nr. 103/1951, als Landesgesetz in Geltung blieb (siehe näher das hg. Erkenntnis vom 21. März 1977, Slg. N. F. Nr. 9275/A) können Felddienstbarkeiten auf Wald-, Acker-, Wiesen- und Weidegrund abgelöst, aberkannt oder geregelt werden, wobei es keinen Unterschied macht, auf welchem Rechtstitel (Vertrag, Ersitzung usw.) die Felddienstbarkeiten beruhen. Gemäß § 34 leg. cit. kann die Ablösung a) durch Abtretung von Grund oder

b) in Geld erfolgen. Die Felddienstbarkeit ist gemäß § 37 ARLG in Geld abzulösen, wenn die Dienstbarkeit für das herrschende Gut nicht notwendig ist. Kommt eine Einigung über die Ablösungssumme nicht zustande, ist sie von der Landwirtschaftsbehörde aufgrund des Gutachtens von Sachverständigen festzusetzen. Besteht kein schützenswertes Interesse des berechtigten Gutes an der Dienstbarkeit, ist sie gemäß § 38 ARLG ohne Entschädigung abzuerkennen.

Zweck des ARLG sowie der aufgrund des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidennutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, Anlage 3 zu BGBl. Nr. 103, erlassenen Landesgesetze ist die behördliche Neuordnung der Wald- und Weideservituten sowie bestimmter Felddienstbarkeiten (vgl. §§ 472 ff ABGB), wodurch einerseits bestehende Rechte (insbesondere Grunddienstbarkeiten) gesichert, andererseits aber auch eine zweckmäßige Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke ermöglicht werden soll. Zur Erreichung dieses Zweckes bestimmt das ARLG in seiner Präambel:

"Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen:

1. Alle Holz-, Forstproduktenbezugs- und Weiderechte auf fremdem Grunde,

2. alle übrigen Felddienstbarkeiten auf Wald-, Acker- und Wiesengrund."

Während sich die in Z. 1 näher bezeichneten Nutzungsrechte allgemein auf fremden Grund beziehen müssen, unterliegen die übrigen Felddienstbarkeiten nach Z. 2 leg. cit. nur dann diesem Gesetz, wenn sie auf Wald-, Acker- und Wiesengrund lasten. Die Ablösung dieser Felddienstbarkeiten soll also der Durchführung entsprechender bodenreformatorischer und landeskultureller Maßnahmen mit dem Ziele dienen, aus einer durch die bestehende Felddienstbarkeit eingeschränkten land- und forstwirtschaftlichen Nutzung des belasteten Grundstückes eine besser nutzbare landwirtschaftliche Nutzfläche zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1977, Zl. 1204/76). Daraus ist abzuleiten, daß die in § 33 ARLG genannten Felddienstbarkeiten "auf landwirtschaftlich genutzten Grundstücken" lasten müssen, wie dies ausdrücklich in § 32 Abs. 1 des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten und den in Ausführung desselben erlassenen Landesgesetzen gefordert ist. Um daher eine Felddienstbarkeit im Sinne des § 33 ARLG ablösen zu können, ist von einer Bewirtschaftung des verpflichteten Gutes auszugehen, d.h., auf dem landwirtschaftlich genutzten Grundstück muß eine planvolle, grundsätzlich auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Tätigkeit zumindest im Sinne eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbes entfaltet werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1992, Zl. 89/07/0141, zum Tiroler Wald- und Weideservitutengesetz, LGBl. Nr. 21/1952, betreffend den Begriff "Landwirtschaftlich genutzter Boden").

Für den Beschwerdefall folgt daraus, daß nur dann eine Ablösung der in Rede stehenden Wegedienstbarkeit gemäß §§ 33 ff ARLG in Frage kommt, wenn diese Dienstbarkeit auf einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück im Sinne der vorstehend dargelegten Rechtslage lastet. Ermittlungen in dieser Richtung hat die belangte Behörde nicht angestellt. Damit leidet aber der angefochtene Bescheid an einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil die sachverhaltsmäßige Feststellung eines Tatbildmerkmales unterblieben ist und im Hinblick auf die - den Feststellungen und dem Akteninhalt zu entnehmende - örtliche Lage des dienenden Grundstückes nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei begründeter Feststellung des geforderten Tatbildmerkmales zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Abschließend weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß die für die Feststellung der Höhe des Ablösebetrages gemäß § 37 ARLG maßgeblichen Erwägungen in überprüfbarer Form darzulegen sind.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesonders deren Art. III Abs. 2.

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