VwGH 92/18/0390

VwGH92/18/03903.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, in der Beschwerdesache des G in B, Ungarn, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. August 1992, Zl. UVS-01/27/00056/91, betreffend Schubhaft, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §56;
FrPolG 1954 §5 Abs1;
FrPolG 1954 §5a Abs1;
FrPolG 1954 §5a;
PersFrSchG 1988 Art1;
PersFrSchG 1988 Art2;
PersFrSchG 1988 Art6 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AVG §56;
FrPolG 1954 §5 Abs1;
FrPolG 1954 §5a Abs1;
FrPolG 1954 §5a;
PersFrSchG 1988 Art1;
PersFrSchG 1988 Art2;
PersFrSchG 1988 Art6 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. Oktober 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ungarischen Staatsangehörigen, gemäß § 5 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Er wurde an diesem Tag in Schubhaft genommen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion von Wien vom 3. Oktober 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 7 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 30. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Am 4. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und reiste nach Ungarn aus.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Februar 1992 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. Oktober 1991 betreffend die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht Folge gegeben.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1992, Zl. 92/18/0137, als unbegründet abgewiesen.

Mit der an den unabhängigen Verwaltungssenat Wien gerichteten Beschwerde vom 15. Oktober 1991 beantragte der Beschwerdeführer, die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und den Schubhaftbescheid "zu kassieren", weil keine Gründe für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes vorgelegen seien.

Mit Bescheid vom 5. August 1992 wies der unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) die Beschwerde als unbegründet ab. Der Antrag, den die Schubhaft anordnenden Bescheid "zu kassieren", wurde als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Als Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) wird folgendes ausgeführt:

"Der Bf ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, daß im Falle einer rechtswidrigen Verhängung bzw. Vollziehung der Schubhaft diese Schubhaft für rechtswidrig erklärt wird."

Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als unzulässig:

Bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides kommt dem Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG (wonach die Beschwerde die bestimmte Bezeichnung des Rechtes, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet, zu enthalten hat) entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nach der Anordnung des § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet; durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11 525/A). Wird der Beschwerdepunkt unmißverständlich ausgeführt, so ist er einer (hievon abweichenden) Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1984, Slg. Nr. 11 283/A).

Wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, hat gemäß § 5a Fremdenpolizeigesetz das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.

Nach dieser Bestimmung steht das Beschwerderecht an den unabhängigen Verwaltungssenat nur den tatsächlich festgenommenen oder angehaltenen Personen zu. Kein derartiges Beschwerderecht haben hingegen in Freiheit befindliche Adressaten eines Schubhaftbescheides. Dies gilt nicht nur für jene Personen, die sich in Freiheit befinden, weil der Schubhaftbescheid noch nicht vollzogen wurde (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1992, G 346/91, G 5/92 und G 6/92), sondern auch für solche, die nicht mehr angehalten werden, weil sie aus der Schubhaft bereits entlassen wurden: Abgesehen von dem im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684, stehenden Wortlaut des § 5a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, der auf die "Gegenwart" abstellt (... angehalten "wird"), spricht weiters auch die Regelung des § 5a Abs. 3 leg. cit. für diese Auslegung: Danach ist zur Entscheidung über die Beschwerde der unabhägige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen oder angehalten wird; im Falle der Anfechtung von Festnahme und Anhaltung oder der Anfechtung einer Anhaltung an mehreren Orten obliegt die Entscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer "bei Einbringung der Beschwerde angehalten wird". Wollte man das Beschwerderecht auch von nicht mehr angehaltenen Personen als gegeben erachten, so enthielte § 5a Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz bei dem in seinem zweiten Halbsatz geregelten Sachverhalt keine Zuständigkeitsvorschrift für die Entscheidung über eine solche Beschwerde. Im übrigen besteht kein Bedarf, den unabhängigen Verwaltungssenat als "Haftprüfungsinstanz" (siehe auch dazu das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1992) anrufen zu können, zumal auch keine rechtlich zulässige Möglichkeit besteht, den aus der Schubhaft entlassenen Fremden auf Grund des ursprünglichen Schubhaftbescheides neuerlich in Schubhaft zu nehmen (siehe dazu die hg. Beschlüsse vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0103, und vom 29. Juni 1992, Zl. 92/18/0260). Das Beschwerderecht nach § 5a Fremdenpolizeigesetz steht demnach nur jenen Personen zu, die sich im Zeitpunkt der Erhebung dieser Beschwerde in Schubhaft befinden.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß dem Beschwerdeführer, der bereits am 4. Oktober 1991 aus der Schubhaft entlassen worden war, keine Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde vom 15. Oktober 1991 an den unabhängigen Verwaltungssenat zukam. Der Beschwerdeführer konnte daher durch den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid in dem mit dem oben angeführten Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht, daß die Schubhaft für rechtswidrig erklärt, also seine an den unabhängigen Verwaltungssenat gerichtete Beschwerde meritorisch erledigt wird, nicht verletzt werden. Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

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